Ensemble Arabesques: Jacques Ibert – Kammermusik (CD)

Kapriziöse Abenteuerlust

von Jakob Leiner

Mit der neu­en Ein­spie­lung kam­mer­mu­si­ka­li­scher Wer­ke von Jac­ques Ibe­rt setzt das Ham­bur­ger “En­sem­ble Ara­bes­ques” sei­ne Kon­zept­idee mit über­ra­gen­dem Ge­spür fort, sich aus­ge­fal­le­nen, teils in Ver­ges­sen­heit ge­ra­te­nen Wer­ken un­ter­schied­li­cher Be­set­zung zu widmen.

Ensemble Arabesques - Jacques Ibert - Kammermusik - CD Farao ClassicsDass sich das En­sem­ble Ara­bes­ques nach Gus­tav Holst und Fran­cis Pou­lenc nun bei der Wahl ih­res drit­ten Al­bums für Jac­ques Ibe­rt ent­schied, scheint durch­aus nach­voll­zieh­bar. So ist die Ver­bin­dung zu Pou­lenc über den künst­le­ri­schen Kon­text der “Grou­pe des Six” her­stell­bar, der zahl­rei­che Be­geg­nun­gen der bei­den Zeit­ge­nos­sen för­der­te, und die zu Holst über das ge­mein­sa­me Fai­ble für Blas­in­stru­men­te und ihre Einsatzmöglichkeiten.

Beachtliches filmmusikalisches Oeuvre

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Auch im ers­ten Satz der “Trois piè­ces brè­ves” für klas­si­sche Blä­ser­quin­tett­be­set­zung kommt Ibe­rts aus­ge­reif­te In­stru­men­ta­ti­ons­tech­nik klang­lich schil­lernd zur Gel­tung. Eine char­man­te Me­lo­dik und au­gen­zwin­kern­de Über­ra­schungs­ef­fek­te im ers­ten Satz ver­deut­li­chen die Nähe des 1890 ge­bo­re­nen fran­zö­si­schen Kom­po­nis­ten zur Film­mu­sik, die er zeit­le­bens in sehr er­gie­bi­ger Wei­se schuf.

Das En­sem­ble re­üs­siert, die un­ab­ding­ba­re Luf­tig­keit, die ei­nem sol­chen Raus­schmei­ßer-Stück ge­bührt, bei­zu­be­hal­ten, wenn auch die trio­li­schen Punk­tie­run­gen der Haupt­me­lo­die et­was ein­heit­li­cher laid-back hät­ten aus­ge­führt wer­den kön­nen. Ein sich sub­lim um­spie­len­des Flö­ten-Kla­ri­net­ten-Du­ett lei­tet die pas­to­ra­le Stim­mung des kur­zen “An­dan­te” ein, wäh­rend das ab­schlie­ßen­de “Al­le­gro scher­z­an­do” zwi­schen ty­pisch fran­zö­sisch-ope­ret­ten­haf­tem Ges­tus à la Of­fen­bach und in­ter­es­san­ten po­ly­to­na­len An­nä­he­run­gen chan­giert, was die Spie­len­den äu­ßerst ge­witzt ein­zu­set­zen wissen.

Eklektizistisch bis vorsichtig modern

Jacques Ibert - Glarean Magazin
Jac­ques Ibe­rt beim Kom­po­nie­ren am Kla­vier (1938)

Zwar wird Ibe­rt auf­grund sei­ner en­gen Kon­tak­te zu Kol­le­gen wie Pou­lenc, Mil­haud oder Hon­eg­ger von man­chen Quel­len als der in­of­fi­zi­el­le Sieb­te der “Grou­pe des Six” be­ti­telt, je­doch ließ er sich zeit­le­bens kei­ner be­stimm­ten Strö­mung oder Schu­le zu­ord­nen. Die­se be­wusst ge­leb­te Un­ab­hän­gig­keit schlägt sich aus­drucks­stark in sei­nen Wer­ken, die teils tra­di­tio­nell to­nal, teils ek­lek­ti­zis­tisch bis vor­sich­tig mo­dern an­mu­ten, so­wie ei­ner enor­men Gen­re-Brei­te nie­der. Auch die­se Viel­falt ist auf der vor­lie­gen­den Auf­nah­me abgebildet.

Ästhetisch durchwegs ansprechend

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Die “Deux Mou­ve­ments” für Holz­blä­ser­quar­tett ent­stan­den nach der Zu­er­ken­nung des be­gehr­ten Prix de Rome und set­zen die kon­zer­tan­ten Qua­li­tä­ten der In­stru­men­te ge­konnt in Sze­ne, ohne eine kam­mer­mu­si­ka­li­sche Aus­ge­wo­gen­heit zu ge­fähr­den. Hier er­in­nert die di­stink­ti­ve Be­hand­lung der Ein­zel­stim­men be­reits an spä­te­re Wer­ke wie z.B. das “Con­cer­to pour flû­te”, wel­ches mitt­ler­wei­le fest zum Stan­dard-Re­per­toire gehört.

Das al­les ge­lingt den Spie­len­den des “En­sem­ble Ara­bes­ques”, das sich 2011 im Rah­men des gleich­na­mi­gen deutsch-fran­zö­si­schen Kul­tur­fes­ti­vals grün­de­te, äs­the­tisch durch­weg an­spre­chend und mit zahl­rei­chen Farb­valeurs auf­trump­fend. In den “Deux In­ter­lu­des” für Flö­te, Vio­li­ne und Har­fe sei vor al­lem die nost­al­gi­sche Klang­ma­gie her­vor­ge­ho­ben, die auch auf das stim­mi­ge Ver­hält­nis von ge­wähl­ten Grund­tem­pi und ih­ren ge­stal­te­ten Deh­nun­gen und Raf­fun­gen zu­rück­zu­füh­ren ist.

Besondere Gussartigkeit des “Capriccio”

Ne­ben dem in den Kriegs­jah­ren 1944/45 ent­stan­de­nen “Trio” für Vio­li­ne, Vio­lon­cel­lo und Har­fe und der Auf­trags­kom­po­si­ti­on “Cinq Piè­ces en Trio” für Oboe, Kla­ri­net­te und Fa­gott er­reicht das Al­bum mit dem “Ca­pric­cio” für 10 In­stru­men­te sei­nen wür­di­gen Höhepunkt.

Jacques Ibert - Capriccio pour dix instruments - Glarean Magazin
Be­ginn des “Ca­pric­cio pour dix in­stru­ments” von Jac­ques Ibert

Die stren­ge Ver­wen­dung ei­nes fast durch­ge­hend kon­zer­tan­ten Stils bei kom­ple­xen rhyth­misch-har­mo­ni­schen Ele­men­ten führt zu ei­ner be­son­de­ren Guss­ar­tig­keit die­ses etwa elf­mi­nü­ti­gen Werks. So ist das Ka­lei­do­skop der sich vir­tu­os an­nä­hern­den und imi­tie­ren­den Klang­far­ben lust­voll zu ver­fol­gen, wo­bei dem sich ge­schickt ein­fü­gen­den Trom­pe­ten­part ein Ex­tra­lob ge­bührt. Die Spiel- und Ent­de­ckungs­freu­de ei­nes der­art gut auf­ein­an­der ab­ge­stimm­ten En­sem­bles ist es, was die­se Neu­erschei­nung zur kla­ren Emp­feh­lung wer­den lässt – hof­fend auf mehr! ♦

Jac­ques Ibe­rt: Kam­mer­mu­sik, En­sem­ble Ara­bes­ques, Au­dio-CD, 53 Min., Fa­rao Classics

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Mo­der­ne Kam­mer­mu­sik auch über M. Schä­fer (Te­nor) & M. Un­gu­rea­nu (Kla­vier): Hom­mage à Dinu Lipatti

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