Y. Harari: Sapiens – Der Aufstieg (Graphic Novel)

Wie ein aufgeplusterter Diktator

von Isabelle Klein

Sa­pi­ens ist eher wie ein auf­ge­plus­ter­ter Dik­ta­tor, der dau­er­haft Angst hat, sei­ne Macht zu ver­lie­ren” (S. 37)

Fans der Gra­phic No­vel (die von Ha­ra­ri so­wie­so) dür­fen sich freu­en. End­lich mal wie­der ein pop­kul­tu­rel­les Werk, das Freu­de macht. Klug und kurz­wei­lig, da­bei an­spruchs­voll und durch­aus for­dernd in In­halt und Dia­lo­gen, zu­gleich gra­phisch an­spre­chend, packt ei­nen “Sa­pi­ens – Der Auf­stieg” von An­fang an. In­so­fern darf man ge­spannt auf die wei­te­ren drei Tei­le sein, in de­nen das Trio Yu­val Noah Ha­ra­ri, Da­vid Van­der­meu­len (Co-Au­tor) so­wie Da­ni­el Ca­sa­na­ve (Zeich­nun­gen) hof­fent­lich wei­ter­hin so glän­zend un­ter­hält und zu­gleich aufklärt.

Yuval Noah Harari: Sapiens - Der Aufstieg (Graphic Novel) - C.H. Beck VerlagIn der gra­phi­schen Um­set­zung die­ser sei­ner gezeichneten/getexteten “Ge­schich­te über die Mensch­heit” ge­lingt es Ha­ra­ri und Co., ei­nen so­fort in den Bann des Kon­zep­tes zu zie­hen. Egal, ob mit Vor­wis­sen oder blu­ti­ger Laie auf dem Ge­biet der the­ma­ti­schen Gra­phic No­vel: “Sa­pi­ens” weiß zu un­ter­hal­ten, ei­nen zum Nach­den­ken anzuregen.

Abriss der Evolution

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Mit gro­ßem Sach­ver­stand ge­lingt hier schein­bar mü­he­los ein Ab­riss epo­cha­ler Sta­di­en in der Evo­lu­ti­on des Homo Sa­pi­ens. Hier­zu zieht Ha­ra­ri zur Freu­de von Film­fans im­mer wie­der Klas­si­ker wie z. B. Chap­lins “Mo­dern Times” her­an – in­klu­si­ve küh­le Kom­ple­men­tär­kon­tras­te, ein an­spre­chen­des, leicht der li­gne clai­re ver­haf­te­tes Zei­chen­sche­ma, und sons­ti­ge vir­tuo­se Knif­fe, die ei­nen ob der er­zäh­le­ri­schen Raf­fi­nes­se so­wie des enor­men Wis­sens stau­nen las­sen. Das Buch hat al­les, was eine ge­lun­ge­ne Gra­phic No­vel braucht.

Zuweilen bemüht witzig

Yuval Noah Harari - Glarean Magazin
“Kurz­wei­lig, klug, an­spruchs­voll”: His­to­ri­ker Yu­val Noah Ha­ra­ri (* 1976) in ei­ner Forums-Diskussion

Und doch gibt es Tei­le, die ab­fal­len. Der di­cke Schin­ken ist zwar schön fürs Re­gal, aber un­hand­lich für die ge­müt­li­che Lek­tü­re auf der Couch oder sonst wo. Und auch wenn “Sa­pi­ens” über wei­te Stre­cken über­zeugt, es Freu­de macht, im Streif­zug al­ler­lei Neu­es oder auch Alt­be­kann­tes pas­send ver­packt zu se­hen, über­for­dert Ha­ra­ri zu­wei­len bzw. er­zeugt eine ge­wis­se le­se­ri­sche Kurz­at­mig­keit. Vor al­lem im pop­kul­tu­rel­len Ka­pi­tel “Re­bel­len der Sa­van­ne” will er zu viel, setzt dies be­müht wit­zig um. So er­schafft man durch all die kur­zen Ein­schü­be eine ge­wis­se ner­vi­ge Über­frach­tung, eine ge­wis­se pop­kul­tu­rel­le An­bie­de­rung durch eine vor­der­grün­dig recht wit­zi­ge, aber zu­gleich mit­un­ter fla­che Prä­sen­ta­ti­on. Ganz im Ge­gen­satz zu Glanz­punk­ten wie bei­spiels­wei­se dem Ka­pi­tel “Meis­ter der Fik­ti­on”, das uns das, was wir als ge­ge­ben hin­neh­men, noch­mals als rei­ne Schöp­fung der mensch­li­chen Evo­lu­ti­on in Er­in­ne­rung ruft.

Homo Sapiens nach New York transferiert

Ähn­lich holp­rig wie der An­fang ist lei­der auch der Ab­schluss, der den Un­ter­gang vie­ler Ar­ten der Me­ga­flo­ra und -fau­na be­leuch­tet – an­hand ei­nes ak­tu­el­len Fal­les. Ein durch­aus ge­schick­ter Griff in die In­sze­nie­rungs­kis­te, der dem Le­ser die The­ma­tik na­he­brin­gen soll, da­bei aber letzt­lich doch übers Ziel hin­aus­schießt. Hier sit­zen dann eben Stein­zeit­men­schen, ver­kör­pert durch Cin­dy und Bert Sa­pi­ens, und sol­len den New Yor­ker Cops Rede und Ant­wort stehen.

Klug und pointiert gegen Rassismus

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Al­les in al­lem aber ab­so­lut ein Buch mit Mehr­wert. Denn klug und poin­tiert brin­gen Ha­ra­ri und sein Team die Ent­wick­lung, das Auf und Ab – kurz: al­les, was das gro­ße Feld des Auf­stiegs und der Aus­brei­tung des Homo Sa­pi­ens eben be­glei­tet – spie­le­risch her­über. Und die Quint­essenz ist hoch­ak­tu­ell und soll­te ge­ra­de in Zei­ten ei­nes wie­der­auf­le­ben­den Ras­sis­mus von ei­ni­gen end­lich be­grif­fen wer­den: Es gibt kei­ne ver­schie­de­nen Ras­sen. Wir sind alle Homo Sa­pi­ens, und – so schnell (Iro­nie) wie die Sa­pi­ens sich ver­brei­tet und wei­ter­ent­wi­ckelt ha­ben, so schnell kön­nen sie am Ende wie­der un­ter­ge­hen. Ergo: Ras­sis­mus ist eine per se wi­der­sin­ni­ge Sa­che, und To­le­ranz soll­te nicht vor der Haus­tür haltmachen.

Kurz­um, ein sehr klu­ges Buch, mit ge­le­gent­li­chen Län­gen, das aber ein epo­cha­les The­ma kurz­wei­lig und hei­ter um­setzt. Da­bei wird mit tref­fen­den Sei­ten­hie­ben die mo­der­ne Ge­sell­schaft se­ziert, die sich gar nicht so maß­geb­lich von der Wild­beu­ter­ge­sell­schaft unterscheidet…♦

Yu­val Noah Ha­ra­ri: Sa­pi­ens – Der Auf­stieg (Gra­phic No­vel), 248 Sei­ten, C.H. Beck Ver­lag, ISBN 978-3406758935

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Gra­phic No­vel auch über Ju­li­an Vo­loj & Sö­ren Mos­dal: Basquiat

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