Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip (Roman)

Feministisches Erweckungserlebnis

von Günter Nawe

Wer glaubt, nach der Lek­türe die­ses Buches zu wis­sen, was “das weib­li­che Prin­zip” sei: Fehl­an­zeige. Viel­leicht gilt das aber nur für Män­ner, die den neuen Roman von Meg Wolit­zer: Das weib­li­che Prin­zip gele­sen haben. Frauen wis­sen dar­über sicher mehr.

Meg Wolitzer - Das weibliche Prinzip - Roman - Rezension im Glarean MagazinMeg Wolit­zer weiss dar­über auf jeden Fall eine ganze Menge. Als die berühmte ame­ri­ka­ni­sche Autorin – sie hat unter ande­rem den gross­ar­ti­gen Roman Die Inter­es­san­ten geschrie­ben, für den sie als “one of America’s most inge­nious and important wri­ters” bezeich­net wurde – ein­mal gefragt wurde, wor­über sie schreibe, lau­tete die Ant­wort: “von Ehe, Fami­lien, Sex, Begeh­ren, Eltern und Kin­dern”. Und über den Femi­nis­mus. Er ist die Blau­pause für die Geschichte, bes­ser: die Geschich­ten, die Meg Wolit­zer in Das weib­li­che Prin­zip erzählt.
Wolit­zer erzählt also die Geschichte des Femi­nis­mus – aller­dings in Form einer Rück­blende, was dar­auf schlies­sen lässt, dass trotz augen­blick­li­cher #MeToo-Debat­ten und des Trump’schen Machismo der Femi­nis­mus – der Roman endet im Jahre 2019 – erst ein­mal Geschichte zu sein scheint. Wie Femi­nis­mus aller­dings geht, bes­ser: wie er ging – Meg Wolit­zer ver­sucht es in ihrem dick­lei­bi­gen Roman aus­führ­lich zu beschreiben.

Klassische weibliche Entwicklungsgeschichte

Es ist ein fast klas­si­sche Ent­wick­lungs­ge­schichte, die die junge Greer Kadetzky durch­macht. Als blau­sträh­nige Stu­den­tin wird Greer von einem Kom­mi­li­to­nen blöd ange­macht, indem er sie uner­war­tet an die Brust fast und sie auch noch, als sie sich dage­gen wehrt, beschimpft: “Hier fickt dich kei­ner aus­ser mir, Blau­strähn­chen. Und wenn, nur aus Mit­leid.” Ein femi­nis­ti­sches Erwe­ckungs­er­leb­nis, das ihren wei­te­ren Lebens­weg mass­geb­lich bestim­men wird.
Greer wird zur Femi­nis­tin, zur Akti­vis­tin unter Anlei­tung der älte­ren Faith Frank, einer Ikone des Femi­nis­mus, deren Buch Das weib­li­che Prin­zip als eine Art Mani­fest gilt. Sie bringt sich in eine von Faith Frank gegrün­dete Orga­ni­sa­tion ein, die sich ganz der Sache der Frauen wid­met – in Form von Events, Vor­trä­gen und Dis­kus­si­ons­run­den und von Fall zu Fall auch direk­ter Hilfe. Schnell wird Greer sozu­sa­gen zur rech­ten Hand der gros­sen Faith.

Meg Wolitzer (geb. 1959 in Long Island /NY) - Glarean Magazin
Meg Wolit­zer (geb. 1959 in Long Island /NY)

Zu die­sem enga­gier­ten Leben, das sich als eine Art Selbst­er­fah­rungs­pro­zess dar­stellt, zu die­sem “Kampf” für die Rechte der Frauen gehört auch das Leben mit ihrem Freund, mit dem sie part­ner­schaft­lich-befrie­di­gen­den Sex hat; eine gute Freun­din, die ihre Freun­din trotz einer gros­sen Ent­täu­schung blei­ben wird; zu die­sem Leben gehört die Mut­ter, mit der sich irgend­wann aus­söh­nen wird. Und natür­lich ihre Men­to­rin, der sie treu erge­ben ist. Soweit, so gut!
Faith Frank ist auf dem Höhe­punkt ihrer femi­nis­ti­schen Kar­riere. Ihr Buch hat Furore gemacht. Mit einer gross ange­leg­ten Stif­tung will sie ihrer Arbeit die Krone auf­set­zen. Dass sie sich dazu des Ein­flus­ses und des Gel­des eines schwer­rei­chen Man­nes, mit dem sie einst einen One-Night-Stand hatte, bedient, macht sie aller­dings angreif­bar und korrumpierbar.

Wie Feminismus (nicht) geht

FAZIT: Die renom­mierte ame­ri­ka­ni­sche Autorin Meg Wolit­zer schwimmt mit ihrem Roman Das weib­li­che Prin­zip etwas auf der Welle von #Me Too – und erzählt in einem gross ange­leg­ten Gesell­schafts­plot die Geschichte des Femi­nis­mus. Mit den bei­den Prot­ago­nis­tin­nen Greer und Faith hat sie zwei ein­dring­li­chen Figu­ren geschaf­fen, die doch sehr unter­schied­li­che Facet­ten des Femi­nis­mus ver­tre­ten. Am Ende bleibt aller­dings offen, was das weib­li­che Prin­zip ist. Vor allem, wenn sich her­aus­stellt dass Femi­nis­mus wie Macho­tum nach den glei­chen Spiel­re­geln geschieht – auf der Suche nach Macht und Erfolg. Män­ner und Frauen wer­den den Roman aus unter­schied­li­cher Per­spek­tive lesen. Und das ist es, was die­sen Roman so span­nend und inter­es­sant macht.

Meg Wolit­zer erzählt die bei­den sehr unter­schied­li­chen Lebens­ent­würfe in einer Art und Weise, die wir es aus vie­len ame­ri­ka­ni­schen Roma­nen gros­ser Autoren ken­nen, sozu­sa­gen als Great Ame­rica Novel. Und sie macht es bril­lant, auch wenn sie oft weit­schwei­fig wird, Umwege geht. Es gibt Sze­nen, die sich nur schwer in das Gesamt­ge­füge des Nar­ra­ti­ven ein­ord­nen las­sen, und Figu­ren, die plötz­lich ver­schwin­den, ohne dass ihre Bedeu­tung für die Geschichte erkenn­bar wird.
Schaut man hin­ter die Kulisse des zuge­ge­be­ner­mas­sen süf­fig zu lesen­den Romans, stellt man fest: Das weib­li­che Prin­zip ist – wie jedes männ­li­che Prin­zip – Macht. Die Art und Wei­sen, wie zur Macht zu kom­men, sind sich mehr als ähn­lich. Dabei ist es abso­lut irrele­vant, ob Frauen auf andere Weise Macht zu errei­chen ver­su­chen als Män­ner. Das gilt auch für die Sucht nach Erfolg. Femi­nis­mus bedeu­tet also, dass Frauen “ein fai­res und gutes Leben” (Meg Wolit­zer) wol­len – wie immer es letzt­lich auch aus­se­hen mag.
Und weil dem so ist, kön­nen wir her­aus­le­sen, dass Femi­nis­mus eigent­lich nicht geht. Viel­leicht ist das nur der männ­li­che Blick, und Frauen mögen das anders sehen. Aber genau das ist das Schöne an die­sem Roman. – diese ver­schie­de­nen Sicht­wei­sen, die er zulässt. Und viel­leicht ist das Ende des hier beschrie­be­nen Femi­nis­mus der Beginn einer neuen Welle. ♦

Meg Wolit­zer: Das weib­li­che Prin­zip – Roman, 495 Sei­ten, DuMont Ver­lag, ISBN 978-3-8321-9898-5

Lesen Sie im Glarean Maga­zin auch über den neuen Roman von Donat Blum: Opoe

… sowie über die Novelle von Peter Reut­te­rer: Siesta mit Magdalena

Aus­ser­dem im Glarean Maga­zin zum Thema Femi­nis­mus über den Roman von Stuart Hood: Das Buch Judith

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)