Ann Wiesental: Antisexistische Awareness (Handbuch)

Hilfreiche Lektüre für UnterstützerInnen

von Sig­rid Grün

Als Be­ra­te­rin für Op­fer ras­sis­ti­scher Ge­walt hat der Band „An­ti­se­xis­ti­sche Awa­re­ness – Ein Hand­buch“ von Ann Wie­sen­tal so­fort mein In­ter­es­se ge­weckt. In ei­ner Zeit, in der ein Kon­zept wie „Po­li­ti­cal Cor­rect­ness“ von vie­len Bür­ge­rIn­nen als eine Art um sich grei­fen­de Seu­che be­trach­tet wird, ist Awa­re­ness im Sin­ne von Be­wusst­sein sehr wichtig.

Ann Wiesental: Antisexistische Awareness (Handbuch) - Cover - Glarean MagazinUn­se­re Spra­che ent­hält vie­le dis­kri­mi­nie­ren­de Ele­men­te, des­sen soll­ten wir uns auf alle Fäl­le zu­min­dest be­wusst sein. In Ann Wie­sen­tals Hand­buch wird das sehr tref­fend zum Aus­druck ge­bracht: „Herr­schafts­ver­hält­nis­se sind in un­se­rer Ge­sell­schaft viel­fach ver­schränkt. Men­schen wer­den in un­ter­schied­li­cher Wei­se pri­vi­le­giert oder aus­ge­grenzt und ab­ge­wer­tet. Un­ter­drü­ckung und Aus­beu­tung fin­det auf ver­schie­de­nen Ebe­nen und im Be­zug auf ver­schie­dens­te Aspek­te statt: Wer hat Zu­gang zu Res­sour­cen, zu Geld, Wohn­raum, Mo­bi­li­tät, gu­ter Aus­bil­dung, Jobs, Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten, wer kann eine Fa­mi­lie er­näh­ren und Kin­dern eine gute Aus­bil­dung er­mög­li­chen?“ (S.32 ff.) Die­se Pri­vi­le­gie­rung bzw. Dis­kri­mi­nie­rung soll­te mög­lichst vie­len Men­schen be­wusst ge­macht werden.

Arbeit von Awareness-Gruppen im Mittelpunkt

In die­sem Hand­buch geht es aber nicht so sehr dar­um, bei ei­nem brei­ten Pu­bli­kum ein Be­wusst­sein da­für zu schaf­fen, was Se­xis­mus über­haupt ist und wo er zu fin­den ist, son­dern vor al­lem dar­um, wie Un­ter­stüt­zungs­ar­beit aus­se­hen könn­te. Die Ar­beit von Awa­re­ness-Grup­pen, die auf Par­tys, Fes­ti­vals und po­li­ti­schen Kon­gres­sen von se­xis­ti­scher Ge­walt und Dis­kri­mi­nie­rung Be­trof­fe­ne un­ter­stüt­zen, steht da­bei im Mit­tel­punkt. Mir per­sön­lich ist das al­les et­was zu sze­n­e­be­zo­gen. Soll­te es nicht um mehr Be­wusst­sein im All­tag – also auch in Schu­le, Uni, Ar­beit und per­sön­li­chem Um­feld usw. – gehen?
Der Band rich­tet sich also eher an ein Fach­pu­bli­kum, na­ment­lich „Unterstützer*innen, Awa­re­ness-Grup­pen und In­ter­es­sier­te“. Wenn­gleich der Klap­pen­text auch „Be­trof­fe­ne von se­xua­li­sier­ter Ge­walt“ als Ziel­grup­pe an­gibt, soll­te klar­ge­stellt wer­den, dass es sich an Be­trof­fe­ne rich­tet, die selbst tie­fer in die Ma­te­rie ein­stei­gen und sich aus­führ­lich da­mit be­schäf­ti­gen wol­len. Es ist kein Rat­ge­ber im klas­si­schen Sin­ne, son­dern eben ein Hand­buch, das vor al­lem Un­ter­stüt­ze­rIn­nen An­re­gun­gen und Tipps an die Hand gibt.

Tipps zur Schulung von UnterstützerInnen

Sehr ge­lun­gen fin­de ich da­bei die um­fang­rei­che Ein­lei­tung so­wie den his­to­ri­schen Hin­ter­grund. Hier wird er­klärt, wor­um es geht und wie sich die Frau­en­be­we­gung ent­wi­ckelt hat. Im Pra­xis­teil sind zahl­rei­che Tipps zu fin­den, wie Be­trof­fe­nen ge­hol­fen wer­den kann. Als Op­fer­be­ra­te­rin fra­ge ich mich na­tür­lich, in­wie­fern Un­ter­stüt­ze­rIn­nen ge­schult wer­den. Die Lek­tü­re die­ses Hand­bu­ches ist si­cher nicht hin­rei­chend, wo­bei hier vie­le Tipps zu fin­den sind, wie eine Schu­lung er­fol­gen kann (z.B. mit Rol­len­spie­len etc.). Al­ler­dings soll­ten Un­ter­stüt­ze­rIn­nen stets pro­fes­sio­nell an­ge­lei­tet wer­den, da sonst schnell eine Über­for­de­rung ein­tre­ten kann, was auch für die Be­trof­fe­nen ganz und gar nicht hilf­reich ist.

Überblick auf potenzielle Probleme

Alles in allem ist Ann Wiesentals Handbuch "Antisexistische Awareness" eine hilfreiche Lektüre für UnterstützerInnen, kann aber natürlich eine Ausbildung nicht ersetzen. Das Buch liefert auch zahlreiche Denkanstösse – hier hätte man sich allerdings einen etwas breiteren Publikumsbezug gewünscht. Jedenfalls bietet der Band viele Tipps zur Schulung von UnterstützerInnen und einen guten Überblick auf potenzielle Probleme.
Al­les in al­lem ist Ann Wie­sen­tals Hand­buch “An­ti­se­xis­ti­sche Awa­re­ness” eine hilf­rei­che Lek­tü­re für Un­ter­stüt­ze­rIn­nen, kann aber na­tür­lich eine Aus­bil­dung nicht er­set­zen. Das Buch lie­fert auch zahl­rei­che Denk­an­stös­se – hier hät­te man sich al­ler­dings ei­nen et­was brei­te­ren Pu­bli­kums­be­zug ge­wünscht. Je­den­falls bie­tet der Band vie­le Tipps zur Schu­lung von Un­ter­stüt­ze­rIn­nen und ei­nen gu­ten Über­blick auf po­ten­zi­el­le Probleme.

Ne­ben der kon­kre­ten Ar­beit mit Be­trof­fe­nen wird auch die „trans­for­ma­ti­ve Ar­beit mit ge­walt­aus­üben­den“ Per­so­nen the­ma­ti­siert, wei­ter­hin In­ter­sek­tio­na­li­tät, De­fi­ni­ti­ons­macht und Par­tei­lich­keit und kon­sen­sua­le Se­xua­li­tät, bei der es um das ge­gen­sei­ti­ge Ein­ver­ständ­nis geht. Na­tür­lich wird auch das The­ma „Trau­ma“ nicht aus­ge­spart. Sehr ge­lun­gen und wich­tig für Un­ter­stüt­ze­rIn­nen fin­de ich schliess­lich den Ab­schnitt „Knack­punk­te und Stol­per­stei­ne“, denn hier wird ein Über­blick über po­ten­zi­ell auf­tre­ten­de Pro­ble­me ge­ge­ben und so­mit der Über­for­de­rung vorgebeugt.
Al­les in al­lem ist Ann Wie­sen­tals Hand­buch eine hilf­rei­che Lek­tü­re für Un­ter­stüt­ze­rIn­nen, kann aber na­tür­lich eine Aus­bil­dung nicht er­set­zen. Das Buch lie­fert auch zahl­rei­che Denk­an­stös­se – hier hät­te ich mir al­ler­dings ei­nen et­was brei­te­ren Pu­bli­kums­be­zug gewünscht.

Ann Wie­sen­tal: An­ti­se­xis­ti­sche Awa­re­ness – Ein Hand­buch, 160 Sei­ten, Un­rast Ver­lag, ISBN 978-3-89771-310-9

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch über
A. Ndu­ka-Agwu: Ras­sis­mus auf gut Deutsch

… so­wie zum The­ma Dis­kri­mi­nie­rung über den Ro­man von
Tra­cy Che­va­lier: Der Neue

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)