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Eine Brücke zwischen den Welten
von Christian Busch
Kein prächtiger Kolonialstil, sondern nur ein schlichtes Gipfelkreuz vor karger, in Nebel gehüllter Anden-Berglandschaft, daneben ein Plateau mit einer bescheidenen Missionskirche – so präsentiert das Label Cobra Records die zum 50-jährigen Jubiläum der Misa Criolla erschienene und nun neu aufgelegte Aufnahme des Ensembles Mùsica Temprana diese Misa Criolla des 2010 verstorbenen argentinischen Komponisten Ariel Ramirez. Anklänge an die Anfänge der frühen Christianisierung des lateinamerikanischen Kontinentes im 16. Jahrhundert – unter Aussparung der wenig christlichen, blutigen und unrühmlichen Begleiterscheinungen der Conquista.
Regionales Instrumentarium des Orchesters
Die Kreolische Messe, deren Text auf einen 1963 von der Liturgischen Kommission für Lateinamerika genehmigten kastilischen Text zurückgeht, stellt eine geschickte Verknüpfung von Melodien des Komponisten und traditionellen hispano-amerikanischen, vor allem argentinischen Formen und folkloristischen Rhythmen dar. Dabei greift der Komponist im Orchester auf typisch regionale Instrumente zurück, wie etwa regionale Schlaginstrumente, die Charango (Gitarre), die Quena (Bauernflöte) und die Siku (bolivianische Panpfeife).
Abseits kolonialer Herrlichkeit
Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Misa Criolla ist ein grosser Wurf und eine längst überfällige Interpretation abseits kolonialer Herrlichkeit, solistischem Belcanto und europäischer Orchesterpracht. Das Ensemble Mùsica Temprana präsentiert eine den dürren Hochebenen der Anden und der Weite der trockenen Pampa angemessene rauhe und doch leidenschaftliche Misa, die überdies mit einem Vokalduett – hier Adriàn Rodriguez Van der Spoel und Alvaro Pinto Lyon – aufwartet.

Die werkgetreue Aufnahme betont daher die ‘devocion popular‘, die absolute Hingabe des völkischen Gesangs und versteht sich als säkulare Brücke zwischen katholischer Tradition und ökumenisch-universaler Friedensbotschaft. Man höre nur das in dämmriger Demut verklingende „danos la paz“, das statt klerikalem Dogma unmittelbare Seelenlandschaft darstellt.
Lateinamerikanische Gesänge der Christianisierung

Unentbehrlich wird die Aufnahme auch noch durch die passende Voranstellung lateinamerikanischer Gesänge vom 16. – 20. Jahrhundert, die zweifellos – das ist nicht zu verkennen – Inspiration für Ramirez‘ berühmtes ‚obra devota‘ war. Beginnend mit der instrumentalen, bolivianischen Apachita wird das Hören dieser CD zu einem historischen Gang durch die lateinamerikanischen Gesänge der Christianisierung – bis zum musikalischen Höhepunkt, der Misa Criolla. Dass Ramirez sein Werk ursprünglich zwei deutschen Mönchen gewidmet hat, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um Opfer des Nationalsozialismus zu retten, darf dabei sogar in den Hintergrund treten. ♦
Ariel Ramirez – Mùsica Temprana: Misa Criolla and popular devotion in Early Music, Adriàn Rodriguez Van der Spoel, Cobra Records
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