Englichova (Harp) & Veverka (Oboe): Impressions (CD)

Solo – oder die Freiheit des Einzelnen

von Michael Magercord

Har­fe und Oboe – zwei In­stru­men­te, die im Or­ches­ter nur zum Ein­satz kom­men, wenn es dar­um geht, et­was Far­be in das Werk zu brin­gen: Die Har­fe, wenn es lieb­lich wer­den soll, ver­süsst sie die Klän­ge, die süs­ser nie klin­gen, oder wenn ihr für ei­nen Wech­sel im Tem­po über alle Sai­ten ge­stri­chen wird, nur um dann wie­der zu ver­stum­men. Die Oboe wie­der­um kommt zum Ein­satz, wenn ein­mal ein rau­er Ton in das Klang­werk hin­ein qua­ken soll, der ehr­lich und di­rekt sein soll – bei Pe­ter und der Wolf, wo je­des Tier durch ein In­stru­ment re­prä­sen­tiert wird, steht die Oboe für die Ente. Kei­ne un­be­ding­ten Al­pha­tie­re un­ter den Mu­sik­in­stru­men­ten also – und wenn die dann so­lis­tisch auf­tre­ten? Und nun auch noch gemeinsam?

Oboe und Harfe lieblich und quäkend – oder umgekehrt

Katerina Englichova und Vilem Veverka: Impressions - Ravel Debussy Sluka (Works for Oboe and Harp)Zu­erst spiel­te vor fünf Jah­ren Vi­lem Ve­ver­ka, Obo­ist bei den Ber­li­ner Phil­har­mo­ni­kern, ein Al­bum mit Te­le­manns zwölf Phan­ta­sien und Brit­tens sechs Me­ta­mor­pho­sen ein. Ka­te­ri­na Eng­licho­va folg­te ihm dann 2015 mit ih­rer CD für Har­fen­wer­ke. Die ver­sier­te Kon­zert­har­fis­tin setz­te auf ein zeit­ge­nös­si­sches Repertoire.Und nun ha­ben die bei­den in die­sem Jahr ein ge­mein­sa­mes Al­bum auf­ge­nom­men. Oboe und Har­fe im Duo, lieb­lich und quä­kend und auch mal um­ge­kehrt. Und man könn­te nun dar­über schrei­ben, wie ge­konnt es ge­spielt ist und wie hübsch sich das an­hört, und da­für auch die in­stru­men­ten­ge­rech­te Aus­wahl der all­be­kann­ten Stü­cke der fran­zö­si­schen Im­pres­sio­nis­ten Ra­vel und De­bus­sy ins Feld füh­ren. Man könn­te nun be­män­geln, dass ein we­nig mehr Mut beim Pro­gramm der CD hö­he­re Re­le­vanz ver­lie­hen hät­te. Im­mer­hin, zwei Erst­auf­nah­men von kür­ze­ren Wer­ken von Lub­os Slu­ka zei­gen, dass an­ge­neh­me Hör­bar­keit auch zeit­ge­nös­si­schen Kom­po­nis­ten ge­lin­gen kann. Und man könn­te schliess­lich sa­gen, dass die­se CD viel­leicht an­ders als die je­wei­li­gen So­lo­ein­spie­lun­gen auch de­nen ei­nen Hör­ge­nuss bie­tet, die den bei­den In­stru­men­ten sonst nicht so­viel ab­ge­win­nen können.

CD-Cover als Verpackungsschwindel

Aber nein, an wel­chen Miss­tö­nen stört man sich statt­des­sen – und das so­gar noch, be­vor man über­haupt ei­nen Ton ge­hört hat? An der Co­ver­ge­stal­tung die­ser CD, und den bei­den an­de­ren auch noch gleich nach­träg­lich. Ei­gent­lich soll­te es dem Hö­rer von Mu­sik doch egal sein, wenn sich ein Fo­to­graf mit be­son­ders al­ber­nen In­sze­nie­run­gen her­vor­tut und eine an­sons­ten doch se­riö­se Plat­ten­fir­ma ver­sucht, ihre Ver­trags­künst­ler als Su­per­stars zu ver­mark­ten. Aber kann man denn Su­per­star wer­den, wenn man die Har­fe streicht oder in die Oboe prus­tet? Oder da­durch, dass man die Oboe schul­tert, sich in Gum­mi­bän­dern ver­hed­dert oder sich um ei­nen auf den ers­ten Blick qual­len­haf­ten Ge­gen­stand her­um um­grei­fend ver­greift? Das al­les hat so gar nichts mit der Mu­sik zu tun, die da­mit ver­kauft wird. Also ein kla­rer Fall von plum­pem Ver­pa­ckungs­schwin­del und kru­der Selbst­dar­stel­lung oben­drein: Will­kom­men im Facebook-Zeitalter.

Musikalische Vision durch das Visuelle gestört

War­um aber soll­te das den Hö­rer stö­ren? Der hört doch nur. Rich­tig, aber hö­ren ist im­mer auch se­hen. Vor dem geis­ti­gen Auge ent­steht eine Vi­si­on, und die wird vom CD-Co­ver zu­min­dest be­ein­flusst. Die­se Art von Foto- und De­sign­kunst teilt vor al­lem ei­nes mit: die Prot­ago­nis­ten neh­men nicht so rich­tig ernst, was sie tun. Und da sie nun ein­mal in ers­ter Li­nie Mu­si­ker sind, ist es die Mu­sik, die sie nicht ernst neh­men. Aber viel­leicht woll­ten sie auch ein­fach sa­gen: Wir neh­men uns selbst nicht so ernst, son­dern nur die Musik.

Wenn man das alberne CD-Cover von "Impressions" beim Hören möglichst weit weg legt, so dass man es nicht im Blick hat, formen sich Harfe und Oboe trotz ihrer unterschiedlichen Klänge zu einem spannungsreichen Ganzen, worin sich die altbekannten Stücke von Ravel und Debussy neu entdecken lassen.
Wenn man das al­ber­ne CD-Co­ver von “Im­pres­si­ons” beim Hö­ren mög­lichst weit weg legt, so dass man es nicht im Blick hat, for­men sich Har­fe und Oboe trotz ih­rer un­ter­schied­li­chen Klän­ge zu ei­nem span­nungs­rei­chen Gan­zen, wor­in sich die alt­be­kann­ten Stü­cke von Ra­vel und De­bus­sy neu ent­de­cken lassen.

Na, wenn das so ist! Was also tun in Zei­ten wie die­sen, wo selbst die selbst­iro­ni­sche Di­stanz mit gröss­ter Auf­dring­lich­keit ze­le­briert wird? CD aus der Hül­le neh­men, auf­le­gen und dann Au­gen zu und durch: hö­ren und sich selbst ein Bild ma­chen be­zie­hungs­wei­se von der Mu­sik ma­chen las­sen. Im­mer­hin, die­se klit­ze­klei­ne Frei­heit der in­ne­ren Selbst­ver­wirk­li­chung wird uns in der Kon­fron­ta­ti­on mit den per­ma­nen­ten Selbst­dar­stel­lun­gen noch gelassen.
Kurz­um: Wenn man das al­ber­ne CD-Co­ver von “Im­pres­si­ons” beim Hö­ren mög­lichst weit weg legt, so dass man es nicht im Blick hat, for­men sich Har­fe und Oboe trotz ih­rer un­ter­schied­li­chen Klän­ge zu ei­nem span­nungs­rei­chen Gan­zen, wor­in sich die alt­be­kann­ten Stü­cke von Ra­vel und De­bus­sy neu ent­de­cken las­sen – wenn auch die et­was äl­te­ren So­lo­al­ben der bei­den Mu­si­ker über die hö­he­re künst­le­ri­sche Re­le­vanz verfügen. ♦

Ka­te­ri­na Eng­licho­va (Har­fe) und Vi­lem Ve­ver­ka (Oboe): Im­pres­si­ons, Wer­ke von Ra­vel, De­bus­sy und Slu­ka, Au­dio-CD, Supraphon

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma “Mu­sik für Har­fe” auch über
Hein­rich Lau­fen­berg: King­dom of He­a­ven (En­sem­ble Dragma)

aus­ser­dem im GLAREAN zum The­ma Debussy:
“Heu­te vor … Jah­ren”: Pré­lude a l’après-midi d’un faune

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