Super-Schach aus China: Das GM-Turnier in Danzhou

Chinesische Blüten in Remis-Wüsten

von Wal­ter Eigenmann

Vor­ges­tern endete im chi­ne­si­schen Danz­hou (Pro­vinz Hainan) das achte Super-Gross­meis­ter-Tur­nier 2017 mit Teil­neh­mern der Welt-Spit­zen­klasse. Neben weni­gen Euro­pä­ern (und kei­nem Ame­ri­ka­ner) regis­trierte man im exqui­si­ten 10-köp­fi­gen Spie­ler­feld sechs Spie­ler aus China und Viet­nam. Wel­chen Auf­schwung das chi­ne­si­sche Schach in den letz­ten Jah­ren hin­ge­legt hat, zeigt ein Blick auf die aktu­elle Rang­liste des erlauch­ten Krei­ses der sog. Super-Gross­meis­ter (= 2700 ELO-Punkte und mehr), wo sich jetzt gleich drei Spie­ler aus dem Reich der Mitte in den Top-15 tummeln.

Fulminanter Sieg des Youngsters

Und diese drei, näm­lich Ding Liren, Yu Yangyi und Wei Yi lies­sen es sich denn auch alle nicht neh­men, hier quasi mit Heim­vor­teil an den Start zu gehen – und prompt domi­nierte einer von ihnen das gesamte Geg­ner­feld doch deut­lich. Denn Sie­ger Wei Yi, nota­bene der jüngste in der Runde mit sei­nen 18 Jah­ren, ver­lor kein ein­zi­ges der neun Games, gewann aber vier Par­tien und setzte sich mit einem kla­ren Plus-Punkt bei 6,5 Gesamt­punk­ten vor den Viet­na­me­sen Le Quang Liem und Chi­nas Spit­zen­mann Ding Liren.

Die Schlussrangliste des GM-Turnier Danzhou 2017 (Wertungen: Wtg1 = Direkte Begegnung, Wtg2 = Sonneborn-Berger-Wertung, Wtg3 = Grössere Anzahl Siege)
Die Schluss­rang­liste des GM-Tur­niers von Danz­hou 2017 (Wer­tun­gen: Wtg1 = Direkte Begeg­nung, Wtg2 = Son­ne­born-Ber­ger-Wer­tung, Wtg3 = Grös­sere Anzahl Siege)

Wei Yi gilt als “Schach-Wun­der­kind” und Chi­nas grösste Hoff­nung auf einen Platz ganz zuoberst in der Welt­spitze. Zurecht, wenn man sich den zeit­lich erst extrem kur­zen, aber schach­lich extrem weit zurück­ge­leg­ten Weg die­ses Talen­tes anschaut. Bereits als 14-Jäh­ri­ger wird er Inter­na­tio­na­ler Gross­meis­ter, gewinnt 2015 das B-Tur­nier in Wijk aan Zee, kurz dar­auf die Ein­zel­meis­ter­schaft sei­nes Hei­mat­lan­des (als jüngs­ter Sie­ger in der Geschichte die­ses Tur­niers), und im März vori­gen Jah­res erreichte er eine Wer­tungs­zahl von 2706 Elo­punk­ten, womit er der jüngste Spie­ler seit Ein­füh­rung des Elo­sys­tems durch die FIDE ist, der die bereits ange­spro­chene Super-Wer­tungs­zahl von 2700 erlangt hat.

Viele Punkteteilungen, wenige Entscheidungen

Wei Yi - Schach-Grossmeister - Glarean Magazin
Chi­nas grösste Hoff­nung auf einen Platz in der obers­ten Schach-Welt­spitze: Wei Yi

Das 8. Danz­hou-Tur­nier 2017 war schach­lich geprägt durch teils hoch­klas­sige, die­sem Spit­zen­feld durch­aus wür­dige Par­tien. Wer aller­dings die zahl­rei­chen Unent­schie­den sieht, die die zehn Aus­nahme-Kön­ner gene­rier­ten, ist ver­sucht auf ein beson­ders lang­wei­li­ges Tur­nier zu schlies­sen. Nun, an das Bild von blut­lo­sen Remis-Wüs­ten nach Abschluss 9-run­di­ger Tur­niere hat man sich ja längst gewöhnt; das schach­li­che Niveau an der Welt­spitze ist mitt­ler­weile der­art hoch, die spie­le­ri­sche Dif­fe­ren­zie­rung so knapp, die Eröff­nungs­vor­be­rei­tung so pro­fes­sio­nell, auch die Gross­meis­ter­li­che End­spiel-Tech­nik der­art aus­ge­feilt, dass inzwi­schen sogar aus­ge­spro­chene Kampf­par­tien längst nicht mehr zwangs­läu­fig in einer defi­ni­ti­ven Ent­schei­dung enden müs­sen, so wie das in frü­he­ren Schach-Jahr­zehn­ten nor­ma­ler­weise der Fall war. Gerade an die­sem Danz­hou-GM-Tur­nier 2017 sieht man ein­mal mehr deut­lich den schon von Capa­blanca oder Fischer visio­när ange­kün­dig­ten “Remis-Tod des Schachs” win­ken. Buch­stäb­lich sinn­bild­lich ver­deut­licht dies übri­gens auch das Foto links oben: Inmit­ten wei­ter Beton-Flä­chen ein paar Grün-Streifen…)

Top Chess Shots aus dem Reich der Mitte

Knöpft man sich die spär­li­chen Danz­hou-Gewinn­par­tien mal mit moder­nen Tak­tik-Mons­tern, sprich der neu­es­ten Gene­ra­tion von Schach­pro­gram­men wie Stock­fish, Komodo oder Hou­dini vor, so för­dert das bei allem Remis-Frust durch­aus herr­li­che Top Shots ans Tages­licht. Wobei auf die­sem Niveau sel­ten die Rede ist von Hau­ruck-Opfern oder sons­ti­gen Über­fäl­len aus hei­te­rem Him­mel. Es geht viel­mehr um die nach­hal­tige Sti­che­lei, um fili­grane Flo­rett­kunst, um den nur zen­ti­me­ter­wei­sen, aber blei­bende Schä­den hin­ter­las­sen­den Gra­ben­kampf. Das ist mit­un­ter bewun­derns­wer­ter als die 7-zügige Mattkombination.
Nach­ste­hend sei darum eine kleine Aus­lese prä­sen­tiert von der­ar­ti­gen glo­rio­sen Zügen aus dem Reich der Mitte – einem China, das nicht nur als füh­rende Wirt­schafts­macht längst dem Rest der Welt davon­zog, son­dern sich auch gerade anschickt, die Welt der 64 Fel­der zu erobern… ♦

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Die 4 Stel­lun­gen down­loa­den (EPD-Datei)

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Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Thema Tak­tik-Stel­lun­gen auch über
Jon Speel­mans Buch der Schachaufgaben

3 Kommentare

  1. hallo – na gut, china-schach ja ganz ok, aber was ist mit dort­mund 2017!? da wer­den doch auch super-gm-par­tien “gene­riert”, und da ist sogar ein 2800 dabei! und ist eben auch zuende gegan­gen. für gute par­tien muss man nicht nach china oder?? bin gespannt auf ihre “aus­beute”… sonst aber schö­ner bericht, schöne stel­lun­gen. übri­gens nicht ganz leicht für pro­gramme! salut: D.Becker/Dortmund

  2. Hallo Wal­ter
    Danke für die­sen Bei­trag. Es freut mich immer wie­der zu sehen, auf welch wun­der­bare Art und Weise du sol­che Sachen prä­sen­tierst. Dazu neh­men sich die meis­ten Leute keine Zeit mehr.
    Viele Grüsse
    Kurt

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