Armin Mueller-Stahl: Die Jahre werden schneller (Lyrik)

Vom Nonsens bis zur Altersweisheit

von Bernd Giehl

Man könn­te rich­tig nei­disch wer­den. Da be­kommt man das neue Buch “Die Jah­re wer­den schnel­ler” von Ar­min Muel­ler-Stahl in die Hand, das man erst ein­mal nicht so ganz ernst nimmt, weil man ja schliess­lich weiss, der Mann ist Schau­spie­ler, und je­der Schau­spie­ler, der et­was auf sich hält, schreibt ab und an auch ein Buch – muss man ja, weil schliess­lich nur der bleibt, der schreibt, und schliess­lich ist der Mann ja ge­ra­de acht­zig ge­wor­den, da muss man ja was tun für den Nach­ruhm und die Nach­ru­fe, aber dann blät­tert man in die­sem Buch, liest sich fest und denkt, nanu, der kann ja noch mehr als nur den Kom­mis­sar Brockm­öl­ler in al­ten “Tatort”-Filmen spie­len oder mei­net­we­gen den al­ten Kon­sul in den “Bud­den­brooks” – der kann ja tat­säch­lich Ge­dich­te schreiben.

Vom Kommissar Brockmüller zum Reim-Dichter

Armin Mueller-Stahl: Die Jahre werden schneller - Lieder und Gedichte - Aufbau VerlagDoch ja, das kann er. Wo­bei die Ge­dich­te manch­mal ein biss­chen alt­mo­disch wir­ken mit ih­rer (si­cher­lich ge­konn­ten) Reim­struk­tur. Nun könn­te man ja sa­gen, seit ein paar Jah­ren ist Rei­men wie­der in, aber wie man an den Jah­res­zah­len sieht, die un­ter den Ge­dich­ten ste­hen, reimt Muel­ler-Stahl schon seit mehr als vier­zig Jah­ren. Wo­mög­lich tut er das, weil er auch noch Mu­si­ker ist und ver­mut­lich vie­le die­ser Ge­dich­te auch noch ver­tont hat.
Aber gut; Was an Tief­sinn fehlt, macht Muel­ler-Stahl mit Frech­heit und Hu­mor wett. Wun­der­schön, wie er die paf­fen­de Fran­zis­ka ent­sorgt, in­dem er sie nachts, als sie schläft, in ei­nen Um­schlag steckt und in den Brief­kas­ten wirft. Und wenn ihn doch ein­mal der Welt­schmerz über­fällt, weil eine Ge­lieb­te ihn ver­las­sen hat, dann fällt ihm ga­ran­tiert ir­gend et­was Iro­ni­sches ein.
Und die The­men? “Her­zens­sa­chen” heis­sen sie, und “Auf und ab”, “Krieg” auch, und schliess­lich noch – wie könn­te es an­ders sein bei ei­nem Mann, der ge­ra­de die Acht­zig voll­endet hat – “Letz­te Din­ge”. Am ehes­ten wird man Muel­ler-Stahl wohl ei­nen Mo­ra­lis­ten nen­nen kön­nen. Was – bit­te mich nicht miss­zu­ver­ste­hen – zu­al­ler­letzt “Mo­ral­apos­tel” be­deu­ten soll. Das ist er nicht.

Mit Gedichten die Welt verbessern

Als Ly­ri­ker Mo­ra­list: Schau­spie­ler Ar­min Muel­ler-Stahl (Geb. 1930)

Sei­ne Ge­dich­te ha­ben, so scheint mir, we­ni­ger den An­spruch, voll­ende­te Sprach­kunst­wer­ke zu sein, son­dern sie wol­len die Welt ver­bes­sern. Viel­leicht nur ein klein we­nig. Durch Ein­sicht in die Be­grenzt­heit der Welt, der Men­schen und nicht zu­letzt des ei­ge­nen Ich. Oder manch­mal – so wie im Ka­pi­tel “Letz­te Din­ge” – wol­len sie auch nur hel­fen, die Welt ein biss­chen bes­ser zu er­tra­gen. Was ihm, wie er mit ei­nem Au­gen­zwin­kern zu­gibt, nicht im­mer ge­lingt. Vie­le Ge­dich­te ste­hen in der Tra­di­ti­on von La Fon­tai­nes, le­sen sich wie Fa­beln, nur dass La Fon­taine sei­ne Fa­beln nicht ge­reimt hat. Die­sen An­spruch mag man naiv nen­nen oder wei­se; ich ver­mu­te, dass das den Au­tor nicht küm­mert. Er will auf sei­ne Wei­se zu sa­gen ver­su­chen, was nicht ge­lun­gen ist.

Über den Krieg, über die Liebe, über die DDR

Der grosse deutsche Weltstar (Schauspieler, Musiker, Maler, Schriftsteller...) Armin Mueller-Stahl legt mit seinem neuen Band ein weites Lyrik-Panorama vom Nonsens bis zur Altersweisheit vor. Eindrücklich.
Der gros­se deut­sche Welt­star (Schau­spie­ler, Mu­si­ker, Ma­ler, Schrift­stel­ler…) Ar­min Muel­ler-Stahl legt mit sei­nem neu­en Band ein wei­tes Ly­rik-Pan­ora­ma vom Non­sens bis zur Al­ters­weis­heit vor. Eindrücklich.

Und so schreibt er über den Krieg, die Lie­be, die ja auch nicht im­mer ge­lingt, und auch sei­ne Er­fah­run­gen mit Freun­den, die ihn, den ge­lern­ten DDR-Bür­ger an die Sta­si ver­ra­ten ha­ben, spart er nicht aus. Da ge­lingt ihm dann nicht mehr, was er sonst so meis­ter­haft be­herrscht: im leich­ten Ton das Schwe­re sa­gen, ver­mut­lich weil das eine der schlimms­ten Ent­täu­schun­gen ei­nes lan­gen Le­bens ist. Aber als wei­ser al­ter Mann, der er ja ist, hat er das selbst ge­wusst und die Ge­dich­te trotz­dem in die­sen Band auf­ge­nom­men. Ich per­sön­lich fin­de, dass ihn das ehrt. Auch Non­sens-Ge­dich­te wie das von der blau­en Kuh, die ihre ei­ge­ne Milch trinkt, oder je­nes vom Ap­fel­baum, der ganz oben auf der Spit­ze eine Pflau­me trägt, oder eben dies von Fran­zis­ka, die per Eil­brief “ent­sorgt” wird, sind dabei.
Aber was mir per­sön­lich am bes­ten an die­sem Buch ge­fällt, sind die Col­la­gen. Manch­mal ist die Grund­la­ge ein ei­ge­ner oder frem­der Text, den er dann mit Far­ben und For­men über­malt. Manch­mal neh­men sie das The­ma ei­nes Ge­dichts noch ein­mal auf; ein an­ders Mal sind es abs­trak­te Gemälde.
Ar­min Muel­ler-Stahl: Schau­spie­ler, Mu­si­ker, Ma­ler, Schrift­stel­ler, Mul­ti­ta­lent. Ob das wohl al­les auf eine Vi­si­ten­kar­te passt? Bei so vie­len Be­ga­bun­gen könn­te man schon ein­mal nei­disch werden… ♦

Ar­min Mül­ler-Stahl, Die Jah­re wer­den schnel­ler – Lie­der und Ge­dich­te, 220 Sei­ten, Auf­bau-Ver­lag, ISBN-13 978-3351033163

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin von Bernd Giehl auch An­mer­kun­gen zum Schrei­ben von Gedichten

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