Greg Alper Band: Fat Doggie (CD)

Die Fusion-Wundertüte

von Stephan Urban

Es war 1978, die gros­se Zeit der Dis­co­mu­sik und des “Stu­dio 54”. Woll­te man als Jazz­mu­si­ker auch ein­mal gu­tes Geld ver­die­nen, kam man da­mals an die­sem Stil kaum vor­bei, und woll­te man da­bei auch noch Wür­de be­wah­ren, dann muss­te man den An­satz so wäh­len, dass der Jazz-An­teil nicht an be­lang­lo­se Fahr­stuhl-Be­schal­lungs­mu­sik er­in­ner­te. Auf­müp­fi­ger und pro­gres­si­ver soll­te das schon sein.
So lag es auch nahe, sich be­währ­ter Kon­zep­te zu be­die­nen, zum Bei­spiel beim druck­vol­len Funk ei­nes Ja­mes Brown oder auch Her­bie Han­cock, der ja ab den frü­hen 70ern auf man­chen Al­ben ge­zeigt hat­te, wie man das rich­tig macht.

Am Disco Funk orientiert

Greg Alper Band: Fat Doggie (First Hand)
Greg Al­per Band: Fat Dog­gie (First Hand)

Bei der Ein­stiegs­num­mer “Hole In Your Po­cket” – von Ray An­der­son ge­sun­gen – ori­en­tiert man sich ein­deu­tig am Dis­co Funk. Man­che DJ’s wer­den sich ver­mut­lich spe­zi­ell die­ses Songs we­gen über die­se CD-Neu­ver­öf­fent­li­chung freu­en, war er doch jah­re­lang eine ge­such­te Ra­ri­tät. An­der­son ist zwar al­les an­de­re als ein gu­ter Sän­ger, aber er ver­sucht hier halb­wegs er­folg­reich, die Shou­ter-Qua­li­tä­ten von Ja­mes Brown nach­zu­ah­men. Da dies ein sehr rhyth­mus­be­ton­ter Song ist, stört dann auch die eine oder an­de­re fal­sche In­to­na­ti­on nicht sehr.
Auch die Ti­tel­num­mer schlägt in die glei­che Ker­be, wo­bei aber die üp­pi­gen Blä­ser­sät­ze hier durch­aus an­ge­nehm an die frü­hen “Chi­ca­go” er­in­nern, und auch der Jazz-An­teil hier be­reits un­gleich grös­ser ist.
“Give It Up” klingt wie eine mit dem “God­fa­ther Of Funk” ein­ge­spiel­te Jam­ses­si­on, ist hek­tisch, aber den­noch groo­vig, und das Blech er­in­nert an die ent­spre­chen­de Sek­ti­on bei der For­ma­ti­on “Tower Of Power”. So­mit bleibt an der ins­ge­samt ge­bo­te­nen Dy­na­mik rein gar nichts auszusetzen.

Jazz-Funk-Mischung erster Güte

Der ers­te bis­her un­ver­öf­fent­lich­te Track “Three’s A Crowd” bie­tet eine Jazz-Funk-Mi­schung ers­ter Güte. Das Trom­bo­ne-Solo von Ray An­der­son klingt, als wür­de er durch die Po­sau­ne schrei­en, so wie es da­mals auch Na­mens­vet­ter Ian An­der­son durch sei­ne Quer­flö­te ger­ne tat, und dürf­te eine wohl nicht un­er­heb­li­che In­spi­ra­ti­on für ei­nen an­de­ren be­kann­ten New Yor­ker Po­sau­nis­ten und sei­nen Stil ge­we­sen sein, näm­lich Jo­seph Bo­wie von der “Funk-Jazz-Band De­funkt”. Über­haupt gibt es hier herr­lich schmut­zi­gen Funk zu hö­ren, dar­ge­bo­ten mit über­spru­deln­der Spiel­freu­de. Ver­wun­der­lich, dass es die­ser Ti­tel nicht schon auf das sei­ner­zei­ti­ge Al­bum ge­schafft hat.
“Hue­vos Nue­vos” hat nicht nur ei­nen la­tein­ame­ri­ka­ni­schen Ti­tel, es kommt auch sti­lis­tisch aus der La­tin-Fu­si­on-Ecke. Im mu­si­ka­li­schen Schmelz­tie­gel des New York der spä­ten 70er Jah­re wa­ren ja La­tin-Sounds fast eine Pflicht­übung, und das Stück weiss so­wohl rhyth­misch als auch mu­si­ka­lisch zu überzeugen.

Free-Jazz-Elemente inklusive

The Cantat­ta Bar­at­ta”  und “Suite For Re­nee” emu­lie­ren na­he­zu per­fekt den Fu­si­on Sound von Bil­ly Cob­ham und der Bre­cker Brot­hers, die – auch New Yor­ker – an die­sen Auf­nah­men nicht be­tei­ligt wa­ren. “Suite For Re­nee” en­det mit ei­nem wah­ren Per­cus­sion-Feu­er­werk, das die per­fek­te Über­lei­tung auf das mo­de­ra­te, eben­falls süd­ame­ri­ka­nisch an­ge­hauch­te “Many Moods” bie­tet. Die­ser zwei­te Bo­nus Track ist von der Har­mo­nik her der viel­leicht jaz­zigs­te Song die­ses Al­bums. Die ly­ri­schen So­lis von Greg Al­per und Gi­tar­rist Chuck Loeb be­to­nen hier per­fekt die leicht me­lan­cho­li­sche Stimmung.
Im glei­chen mu­si­ka­li­schen Farb­ton geht es mit “Five Ver­ses For” dann wei­ter, und man stellt fest, dass die­se Plat­te ge­gen Ende hin im­mer jaz­zi­ger wird, hier sind so­gar ei­ni­ge kur­ze Free-Jazz-Ele­men­te zu or­ten. Auch hört man ge­gen Ende im­mer stär­ker den – von Herb Al­per selbst zu­ge­ge­be­nen – Ein­fluss Frank Zap­pas auf sei­ne Kom­po­si­tio­nen her­aus. Und ob nun auch noch John Klem­mer für die Ab­schluss­num­mer “Don’t Ever Let Me Catch You” Pate ge­stan­den ha­ben mag, sei der Be­ur­tei­lung des ge­neig­ten Hö­rers überlassen.

Geglücktes Remaster

Ein er­staun­lich viel­sei­ti­ges Re­mas­ter-Funk-Al­bum, des­sen Jazz­ori­en­tie­rung mit je­dem Song stän­dig zu­nimmt. Die ers­te Liga der New Yor­ker Ses­si­on Mu­si­ker der 70er Jah­re be­müht sich hier auf Greg Al­pers So­lo­de­büt red­lich, den von ihm wohl an­ge­streb­ten Spa­gat zwi­schen an­spruchs­voll und kom­mer­zi­ell zu voll­zie­hen. Die Stär­ke die­ser Pro­duk­ti­on ist aber gleich­zei­tig ihre Schwä­che: Der spür­ba­re Wil­le, das grösst­mög­li­che Spek­trum des Fu­si­on-Jazz ab­zu­de­cken, geht ein we­nig zu Las­ten der Ho­mo­ge­ni­tät. Gre­go­ry Al­per hat hier aber auf je­den Fall viel Mut be­wie­sen und eine hoch­wer­ti­ge Fu­si­on-Schei­be abgeliefert.

In Würde gealtert, doch erstaunlich aktuell

Ob­wohl sich die Mu­sik ein­deu­tig am Jazz-Funk der spä­ten 70er-Jah­re ori­en­tiert, ist sie in Wür­de ge­al­tert und klingt er­staun­lich mo­dern und ak­tu­ell. So war es si­cher eine gute Ent­schei­dung, die sei­ner­zei­ti­ge – mitt­ler­wei­le völ­lig ver­grif­fe­ne – Vi­nyl-LP auf CD wie­der zu ver­öf­fent­li­chen. Lei­der wur­de das durch­aus ori­gi­nel­le Ori­gi­nal­co­ver voll­kom­men ver­än­dert, es fin­det sich aber zu­min­dest als Ab­bil­dung im Book­let wieder.
Zum Klang der mehr als dreis­sig Jah­re al­ten Auf­nah­me sei ge­sagt, dass der durch­aus vol­ler und kör­per­li­cher sein könn­te, vor al­lem der akus­ti­sche Bass von Er­nie Pro­ven­cher, der manch­mal ein we­nig hohl klingt. Das Re­mas­ter ist aber durch­aus ge­glückt, die Auf­nah­me ist dy­na­misch weit­ge­hend un­kom­pri­miert, die ein­zel­nen In­stru­men­te sind prä­zi­se zu or­ten, das Ge­samt­ge­fü­ge wirkt gut balanciert.

Erstaunlich vielseitiges Remaster-Funk-Album

Kurz­um: Ein er­staun­lich viel­sei­ti­ges Re­mas­ter-Funk-Al­bum, des­sen Jazz­ori­en­tie­rung mit je­dem Song stän­dig zu­nimmt. Die ers­te Liga der New Yor­ker Ses­si­on Mu­si­ker der 70er Jah­re be­müht sich hier auf Greg Al­pers So­lo­de­büt red­lich, den von ihm wohl an­ge­streb­ten Spa­gat zwi­schen an­spruchs­voll und kom­mer­zi­ell zu vollziehen.
Die Stär­ke die­ser Pro­duk­ti­on ist aber gleich­zei­tig ihre Schwä­che: Der spür­ba­re Wil­le, das grösst­mög­li­che Spek­trum des Fu­si­on-Jazz ab­zu­de­cken, geht ein we­nig zu Las­ten der Ho­mo­ge­ni­tät. Gre­go­ry Al­per hat hier aber auf je­den Fall viel Mut be­wie­sen und eine hoch­wer­ti­ge Fu­si­on-Schei­be abgeliefert. ♦

Greg Al­per Band, Fat Dog­gie, CD-Re­mas­ter,  Au­dio-CD, La­bel First Hand (Har­mo­nia Mundi)

Ti­tel

1. Hole in Your Pocket
2. Fat Doggie
3. Give It Up
4. Th­rees a Crowd
5. Hue­vos Nuevos
6. Tha Cantat­ta Baratta
7. Suite for Renee
8. Many Moods
9. Five Ver­ses For
10.Don’t Ever Let Me Catch You

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch die CD-Re­zen­si­on über Isa­bel Wil­len­berg: Vertraulich

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