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Ein vertontes Tagebuch
von Stephan Urban
Isabel Willenberg wurde 1982 geboren und begann bereits im Alter von 16 Jahren bei verschiedenen Coverbands zu singen. Schon bald (und selbst während ihres Medizinstudiums, das sie 2008 beendete) begann sie zu komponieren und Songtexte zu schreiben. Trotz des erfolgreich abgeschlossenen Studiums wandte sich Isabel Willenberg von der Medizin ab, um sich voll und ganz auf ihre grosse Leidenschaft, die Musik, zu konzentrieren, was sicherlich keine leichte Entscheidung gewesen ist.
Aber zweifellos eine gute, wie Ihr Debüt-Album “Vertraulich” beweist. Der Titel wurde wohl gewählt, weil die Songs primär sehr persönliche Texte enthalten, die teilweise einem privaten Tagebuch entnommen sein könnten. Die Tatsache, dass Isabel Willenberg mit ihrer medizinischen Ausbildung über ein zweites Standbein verfügt, trug wohl dazu bei, sich nicht unbedingt auf den Geschmack eines bestimmten Publikums konzentrieren zu müssen und konsequent die eigenen Vorstellungen umsetzen zu können. Es bleibt zu wünschen, dass dieser mutige Zugang mit dem entsprechenden Erfolg belohnt wird.
Angenehmes Stimm-Timbre
Die Tracks 1 “A plan of care and kindness” und 3 “Autumn” wurden nur mit einer Martin-Gitarre, Typ DC-1E, die Klaviertracks einerseits mit einem Yamaha C3 Flügel – Track 4 “free”, Track 6 “Gedankenvögel” (der einzig deutschsprachige Text), Track 7 “Broken Flower”, Track 8 “Your cry” – andererseits mit einem Galaxy II Steinway mit VST-Software – Track 2 “Memories”, Track 5 “Standing still”, Track 9 “My friend” – in einem professionellen Tonstudio aufgenommen. Das hört man zweifelsfrei: Eine glasklare, intime, sehr unmittelbare Aufnahme mit unkomprimierter Dynamik ist hier entstanden.
Und so kommt nach dem Starten der CD Isabel Willenberg aus Kleve mit ihrem musikalischen Begleiter Christian Spelz auf Besuch und trägt ihre zwischen Pop und Jazz schwebenden Balladen direkt im Hörraum des geneigten Zuhörers vor. Ihre Stimme verfügt über ein angenehmes Timbre und eine seltsame Art von Energie, die einen gewissen Wiedererkennungswert besitzt. Sie trägt ihre Texte sehr selbstbewusst und virtuos vor. Einige Textstellen werden von Christian Spelz mit zweiter Stimme dezent begleitet, wobei – leider, möchte ich fast sagen – die Terzenseligkeit, wie z.B. bei Simon&Garfunkel oder wie in der Volksmusik üblich, vermieden wird. Zumeist singen sie strengere Intervalle oder unisono, das hört sich ziemlich interessant an.
Hoffnungsvolles Debüt-Album

Schade finde ich allerdings, dass sie ihre Lieder mit Ausnahme eines einzigen Songs in englischer Sprache präsentiert – und das, obwohl das Album einen deutschsprachigen Titel trägt. Das ist ein wenig irreführend, und ich bin auch der Meinung, dass Texte in der Muttersprache des Künstlers oft emotionaler und berührender vorgetragen werden können.
So, wie ihre Musik gemacht ist, läuft Isabel Willenberg sowieso keinesfalls Gefahr, in irgendwelche Schubladen, die nach “deutschem Schlager” riechen, gesteckt zu werden, warum also englische Texte? Sollten hier Gedanken an internationale Vermarktung dahinterstecken? Da ist die Konkurrenz auf diesem Musiksektor wohl übermächtig, im deutschsprachigen Raum hingegen sähe ich bessere Chancen, wenn diese Lyrik emotional und verständlich dargeboten würde. So ist auch nur bei dem Song “Gedankenvögel” leicht herauszuhören, dass es hier wohl nicht zuletzt um ihre Entscheidung bezüglich der Hinwendung zur Musik geht und sie ihren Zuhörern Mut machen möchte, ebenfalls den eigenen Weg zu gehen und etwaige Zweifel zu überwinden.
In “Broken flowers” geht es wohl um die Auseinandersetzung mit dem Tod eines geliebten Menschen, wohingegen der Opener “A plan of care and kindness” von ihren Erlebnissen in Kenia geprägt ist, wo sie viereinhalb Monate in einem Krankenhaus gearbeitet hat.
Das aus meiner Sicht etwas langweilig gestaltete Booklet enthält sämtliche Texte, die üblichen Danksagungen und einen als Einbegleitung gedachten Text von Rainer Maria Rilke. Weitere Werke dieser interessanten Künstlerin dürfen mit Spannung erwartet werden. ♦
Isabel Willenberg, Vertraulich, Audio-CD – Hörproben
Liska & Honzak: Bercheros & Uncertainty (CD)