Gustav Mahler: 1. Sinfonie D-Dur “Der Titan” (CD)

Luftig-luzider Orchesterklang

von Chris­ti­an Schütte

Im böh­mi­schen Ka­lischt wur­de am 7. Juli vor 150 Jah­ren Gus­tav Mahler ge­bo­ren. Es ist da­her nicht über­ra­schend, dass die Mu­sik­in­dus­trie auf ei­nen sol­chen Ge­burts­tag mit ei­ner Rei­he von Neu­ver­öf­fent­li­chun­gen re­agiert, vor al­lem Auf­nah­men, aber auch Bü­cher. Un­zäh­li­ge Ein­spie­lun­gen der Wer­ke Mahlers lie­gen vor, die Sin­fo­nien hat wohl na­he­zu je­des in­ter­na­tio­nal be­deut­sa­me Or­ches­ter min­des­tens ein­mal ein­ge­spielt. Es lohnt sich also, jene Neu­erschei­nun­gen in den Blick zu neh­men, die ab­seits die­ses “Mahler-Main­streams” liegen.

Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 1 "Titan" - Staatsorchester Braunschweig - Alexander Joel (Coviello)Be­reits Ende des ver­gan­ge­nen Jah­res hat das klei­ne La­bel Co­viel­lo Clas­sics ei­nen Live-Mit­schnitt der Sin­fo­nie Nr. 1 D-Dur “Der Ti­tan”, ge­spielt vom Staats­or­ches­ter Braun­schweig un­ter sei­nem Chef­di­ri­gen­ten Alex­an­der Joel ver­öf­fent­licht. Joel hat sich in den letz­ten Jah­ren vor al­lem als Opern­di­ri­gent ei­nen Na­men ge­macht und steht seit der Spiel­zeit 2007/2008 dem Staats­thea­ter Braun­schweig als Ge­ne­ral­mu­sik­di­rek­tor vor. Das Staats­or­ches­ter ver­weist in sei­nen Pu­bli­ka­tio­nen stets dar­auf, es ge­hö­re “zu den äl­tes­ten Kul­tur­or­ches­tern der Welt. Her­vor­ge­gan­gen ist es aus der 1587 ge­grün­de­ten Hof­ka­pel­le des Her­zogs Ju­li­us zu Braunschweig/Wolfenbüttel.”

Hohes Orchester-Niveau

Gustav Mahler
Gus­tav Mahler

Alex­an­der Joel hat dem Klang­kör­per durch sei­ne lang­jäh­ri­ge und in­ter­na­tio­na­le Opern­erfah­rung bis­lang recht gut ge­tan, hat sich am Staats­thea­ter doch ein ins­ge­samt hoch­wer­ti­ges Ni­veau her­aus­ge­bil­det. Die­ser Ein­druck lässt sich zu­min­dest an­hand die­ser Ein­spie­lung ei­nes sin­fo­ni­schen Werks nur be­stä­ti­gen. Das hier auf Ton­trä­ger fest­ge­hal­te­ne Kon­zert nimmt die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Wer­kes in den Blick, denn die heu­te fast aus­nahms­los ge­spiel­te vier­sät­zi­ge Fas­sung der Sin­fo­nie ist erst die zwei­te von Mahler abgeschlossene.

Gustav Mahler, Sinfonie Nr.1 D-Dur: Beginn des 1. Satzes
Gus­tav Mahler, Sin­fo­nie Nr.1 D-Dur: Be­ginn des 1. Satzes

Es heisst dazu im Bei­heft: “Das in der Erst­fas­sung als zwei­ter Satz des da­mals noch so ge­nann­ten sin­fo­ni­schen Ge­dichts vor­ge­se­he­ne Blu­mi­ne-An­dan­te, eben­falls nach dem von Mahler ver­ehr­ten Jean Paul be­nannt, ist hier zu­sätz­lich ein­ge­spielt und der Sin­fo­nie vor­an­ge­stellt, um die von Mahler in der End­fas­sung der Sin­fo­nie ge­woll­te vier­sät­zi­ge Dra­ma­tur­gie des Werks bei­zu­be­hal­ten.” Der sonst kaum zu hö­ren­de Satz aus der Ur­fas­sung reiht sich mu­si­ka­lisch naht­los in die üb­ri­gen Sät­ze ein, denn the­ma­tisch schöpf­te Mahler hier na­tür­lich aus dem glei­chen Ma­te­ri­al, das er auch für die end­gül­ti­ge Fas­sung verwendete.

Alexander Joel - Glarean Magazin
Alex­an­der Joel

Joel führt sein Or­ches­ter mit äus­serst sen­si­blem Ge­spür für Mahlers Par­ti­tur durch die Sät­ze, mit luf­ti­gem, lu­zi­dem Klang, gros­ser Trans­pa­renz und fein ab­ge­stuf­ter Dy­na­mik. Pa­the­ti­sches Schwel­gen in den Klang­mas­sen ist Jo­els Sa­che nicht, und das tut der Sin­fo­nie hier sehr gut.

Fazit-Banner - Glarean Magazin
In die­ser Auf­nah­me der 1. Sin­fo­nie D-Dur (“Der Ti­tan”) emp­fiehlt sich Alex­an­der Joel als Mahler-Di­ri­gent, der mit dem Staats­or­ches­ter Braun­schweig auf ei­nen her­vor­ra­gen­den Sin­fo­nik-Klang­kör­per zu­rück­grei­fen konn­te. Joel führt sein Or­ches­ter mit äus­serst sen­si­blem Ge­spür für Mahlers Par­ti­tur durch die Sät­ze, mit luf­ti­gem, lu­zi­dem Klang, gros­ser Trans­pa­renz und fein ab­ge­stuf­ter Dynamik.

Gros­ses Lob ge­bührt der Auf­nah­me­tech­nik, die jede ein­zel­ne In­stru­men­ten­grup­pe bes­tens in Sze­ne setzt, die bei Live­mit­schnit­ten häu­fi­gen und oft­mals un­ver­meid­ba­ren Ne­ben­ge­räu­sche aus dem Pu­bli­kum sind hier so gut wie nicht zu ver­neh­men, be­vor nach dem let­zen Satz der Bei­fall ein­setzt, kann der Hö­rer die­ser Auf­nah­me ge­neigt sein zu glau­ben, es han­de­le sich um eine Stu­dio­pro­duk­ti­on. Kurz­um: Alex­an­der Joel emp­fiehlt sich als Mahler-Di­ri­gent mit die­ser Auf­nah­me ge­nau­so wie das Staats­or­ches­ter Braun­schweig als sin­fo­ni­sches Orchester. ♦

Alex­an­der Joel / Staats­or­ches­ter Braun­schweig: Gus­tav Mahler, 1. Sin­fo­nie D-Dur, Co­viel­lo Clas­sics 2010

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Gus­tav Mahler auch über die Auf­nah­me von
Das Lied der Erde (Kla­vier-Fas­sung)

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