Vier Jahreszeiten-Gedichte
Pflegeheim
Was bleibt vom Tage
Stopfei und Nadel,
ein Fingerhut?
Aus dem Nähkästchen
geplaudert ein Leben
lang viel Lärm
um nichts.
Die Stehlampe der Zimmerecke,
ein paar vergilbter Fotos Alben
ein Stein, ein Epitaph –
ist es denn rechtens,
dass die Kinder vor den Eltern gehen?
Radio, Sessel, Stuhl und Bett
das Zimmer ist geräumt
noch vor die Asche
sich im Wind zerstreut.
Das Türschild abmontiert,
entsorgt die angebrochenen
“Korega-Tabs” unter den Briefen
das Grusswort der Stadt.
Was bleibt –
ein Leibfell aus Katzenhaar, das Brillenetui,
und an der Wand
“Jesus als Hirte”.
Was bleibt –
an jenem Märzmorgen, der
Eiswind in den Haaren
der Kondolenten im Gegenwert
von Sperlingstränen.
Terrassensommer
An langen Spiessen spreizen
oleanderrote Kelche
instruieren zur Landung
ansetzende Paarflügler.
Lauer Wind
schüttelt die Falter
vom Flieder, und im Teich
schlendert ein toter
Fisch unter den Stein.
Am gallischen Tontopf
schwillt dekorativ
der Holzhahn, überhaupt viel
Terracotta und mediterranes
Art Deco, stilvoll drapiert,
die weniger geistvolle Amsel
stillt ihren Durst am
“Baseng” während ein dreister
Spatz über die Steingutkübel
scheisst, was für ein blendender
Sommer!
Dienstfahrt ins Wochenende
Durch die Schatten der Frühe
fällt der Schweif des Septembers,
die Nebel lichten über
Ostrach und Upflamör.
Vom Weissdorn bewacht
steht ein Feldkreuz,
und Schneemarbeln lauschen
dem Lachen der Vögel.
Gegen weitläufige Himmel
ziehen die Wiesen,
dort schimmert rotäugig
das Obst im Gebälk.
Lichtfäden zittern
am Fachwerk.
Aus den Augen keil
mir den glimmenden Span,
wärmende Heimat
halt Hof
wieder.
Hotelpool im Winter
Tauwassergesättigt, ihre
Bobbies an den Pool geräkelt,
sie zwitschern einen,
den andern legen sie
flach mann
und Sekt, schmeckt
frau herrlich.
Whirlperlen im Delta,
während draussen Frau Holle
die Flauschhemdchen schüttelt,
dralle Mädchen, alle
in zu engen
Eisbärkostümchen, Zuckerrüben
mit weissen
Kapuzen.

Geb. 1967, Studium der Rechtswissenschaften, der historischen Hilfswissenschaften und der Pharmazie in Tübingen, Frankfurt und Göteborg, verheiratet, zwei Töchter; Kompositionen von Klavierliedern und für gemischten Chor (a capella), zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, verschiedene Auszeichnungen, lebt, arbeitet und dichtet am Fuss der Schwäbischen Alb
Charlotte Ueckert: Ein Spruch (Gedichte)
Marianne Figl: Zwei Stadt-Gedichte