K. Müller & R. Knaak: Eröffnungsfallen (mit QR-Codes)

Schach-Fallen zum interaktiven Nachspielen

von Thomas Binder

Müller/Knaak” ist und bleibt das Re­fe­renz-Au­toren­duo, wenn es um Schach-Er­öff­nungs­fal­len geht – zu­mal für jene Le­ser, die ei­nen ana­ly­ti­schen, fast wis­sen­schaft­li­chen Zu­gang zum The­ma wün­schen. In der ak­tua­li­sier­ten Zweit­auf­la­ge von “2x 222 Er­öff­nungs­fal­len” der bei­den Groß­meis­ter Kars­ten Mül­ler und Rai­ner Knaak  ist die Par­tien­samm­lung nun um QR-Codes er­wei­tert, die ei­nen Link zum in­ter­ak­ti­ven Nach­spie­len und En­gi­ne-ge­stütz­ten Ana­ly­sie­ren der Par­tien her­stel­len. Der Mehr­wert die­ser Funk­ti­on ist enorm…

Nein, die GLAREAN-Re­dak­ti­on lei­det nicht an Ge­dächt­nis­schwund. Der auf­merk­sa­me Le­ser hat recht: Be­reits vor 14 Jah­ren ha­ben wir  die 2×222 Er­öff­nungs­fal­len aus der Fe­der der Groß­meis­ter Mül­ler und Knaak vor­ge­stellt.  Dass uns nun die Zweit­auf­la­ge eine er­neu­te Be­spre­chung wert ist, hat mit ei­ner Neue­rung zu tun, der man durch­aus re­vo­lu­tio­nä­ren Cha­rak­ter zu­spre­chen kann.

Karsten Müller / Rainer Knaak: 222 Eröffnungsfallen nach 1.e4 (Mit QR-Codes) - Olms Edition Schach
Kars­ten Mül­ler / Rai­ner Knaak: 222 Er­öff­nungs­fal­len nach 1.e4 (Mit QR-Codes)

Was da­mals über die Be­deu­tung des Schach­buch-Gen­res “Er­öff­nungs­fal­len” im All­ge­mei­nen und über die vor­lie­gen­de zwei­bän­di­ge Samm­lung der­sel­ben ge­sagt wur­de, hat nach wie vor Gül­tig­keit. Rein in­halt­lich wur­de ge­gen­über der Erst­auf­la­ge nicht viel ver­än­dert. Die Zu­sam­men­stel­lung der Par­tien blieb gleich. Al­ler­dings wur­den alle Bei­spie­le noch ein­mal mit ak­tu­el­len Schach-En­gi­nes ana­ly­siert und ge­ge­be­nen­falls die An­mer­kun­gen kor­ri­giert bzw. er­gänzt. Die­se Akri­bie schafft wei­te­res Ver­trau­en in die Se­rio­si­tät der Bü­cher, für die frei­lich auch der Ruf der bei­den Au­toren schon Ga­ran­tie ge­nug ge­we­sen wäre. Ak­tua­li­siert wur­de auch die oft ein­ge­streu­te sta­tis­ti­sche An­mer­kung, in wie vie­len Par­tien sich eine be­stimm­te Fal­le in der neu­es­ten Ver­si­on der On­line-Da­ten­bank des Markt­füh­rers findet.

Never Ending Story: Eröffnungsfallen

Dass die­se Zah­len meist in die Höhe ge­schnellt sind, ver­wun­dert nicht. Denn Er­öff­nungs­fal­len ster­ben nicht aus. Man kann noch so gute Bü­cher zu die­sem The­ma ver­fas­sen – es fin­den sich im­mer wie­der arg­lo­se Op­fer, wel­che die bis­he­ri­ge Fal­len-Pa­let­te er­wei­tern. Was wäre un­ser Kö­nig­li­ches Spiel ohne die at­trak­ti­ven Kurz­par­tien, die sich in die­sen Va­ri­an­ten dann ergeben?

Dt. Klassiker der Eröffnungstheorie: Die "200 Eröffnungsfallen" von Emil Gelenczei aus dem legendären Sportverlag (Ex-DDR)
Dt. Klas­si­ker der Er­öff­nungs­theo­rie: Die “200 Er­öff­nungs­fal­len” von Emil Ge­len­c­zei aus dem le­gen­dä­ren Sport­ver­lag (Ex-DDR)

Über Er­öff­nungs­fal­len zu schrei­ben bie­tet die Ge­le­gen­heit, ef­fekt­vol­le Schach­kost mit un­ter­halt­sa­mem Schreib­stil zu ver­knüp­fen. Bü­cher wie jene von z.B. Emil Ge­len­c­zei liest man auch jen­seits des schach­li­chen In­halts mit amü­sier­tem Ver­gnü­gen. Rai­ner Knaak und Kars­ten Mül­ler set­zen an­de­re Schwer­punk­te. Sie wol­len den Le­ser nicht un­ter­hal­ten. Sie ha­ben ein Lehr- und Nach­schla­ge­werk ge­schaf­fen, mit dem man sich die­sem The­ma ana­ly­tisch nä­hert. Bei­de Stil­rich­tun­gen ha­ben ihre Da­seins­be­rech­ti­gung. So wer­den die Schlüs­sel­mo­men­te der Par­tien mit um­fang­rei­chen und tief ge­hen­den Ana­ly­se-Va­ri­an­ten kom­men­tiert. Man kann sich also be­lie­big tief in die Stel­lung hin­ein­den­ken – muss es aber nicht.

Manko: Zu grobe Gliederung

Müller-Knaak - 222 Eröffnungsfallen - QR-Codes - Olms Schach-Verlag - Bild-Zitat - Beispielseite - Glarean Magazin
Par­tie-No­ta­ti­on mit Kom­men­ta­ren und Dia­gramm – QR-Code in­klu­si­ve zum in­ter­ak­ti­ven Nachspielen

Nicht ganz aus­ge­reift ist die Un­ter­glie­de­rung des Ma­te­ri­als. Wei­ße und schwar­ze Fal­len-Ideen wer­den ge­mischt prä­sen­tiert. Für die ge­ziel­te Su­che hät­te ich mir eine Zwei­tei­lung ge­wünscht, oder eine kla­re Kenn­zeich­nung schon im Par­tie­ti­tel. Die Glie­de­rung der Er­öff­nun­gen ist vor al­lem im e4-Buch recht grob. Bei den Of­fe­nen Spie­len kommt al­les, was sich beim Auf­ruf “Spa­nisch” oder “Ita­lie­nisch” nicht ge­mel­det hat, in den Topf mit den Ne­ben­va­ri­an­ten. Da fin­det sich dann al­les von Rus­sisch über Phil­i­dor und Schot­tisch bis zum Kö­nigs­gam­bit. An­de­rer­seits be­kommt im d4-Buch der “Tan­go” (1.d4 Sf6 2.c4 Sc6) ein ei­ge­nes Haupt­ka­pi­tel. Mei­ner Mei­nung nach hät­ten wie­der­um die “gro­ßen” Er­öff­nun­gen (z.B. Si­zi­lia­nisch) eine wei­te­re Un­ter­glie­de­rung vertragen.
Auch die je­dem Ab­schnitt vor­an­ge­stell­ten ty­pi­schen Mo­ti­ve ei­ner Er­öff­nung könn­ten noch ein we­nig aus­ge­baut wer­den und wür­den sich bei ei­ner de­tail­lier­te­ren Auf­tei­lung der Va­ri­an­ten noch poin­tier­ter ein­set­zen lassen.

Screenshot Chessbase - Partie-Notationen - PGN-Downloads - Glarean Magazin
Das ge­wohn­te Out­fit der Par­tie-No­ta­tio­nen bei Ch­ess­ba­se mit Sta­tis­tik und En­gi­ne-Fens­ter (Screen­shot)

Revolutionär: Partien mit QRC zum Analysieren

Nun aber zu der we­sent­li­chen Neue­rung in der Zweit­aus­ga­be: Je­der Par­tie ist ein QR-Code bei­gege­ben, mit dem man ohne Um­we­ge auf eine Web­sei­te ver­zweigt wird, wo man die Par­tie nach­spie­len und ana­ly­sie­ren kann. Wir er­le­ben hier nichts Ge­rin­ge­res, als die Di­gi­ta­li­sie­rung des Me­di­ums Schach­buch mit der Nut­zung der Vor­tei­le bei­der Wel­ten. Man lan­det auf der On­line-Prä­senz von Ch­ess­ba­se, wo man die Par­tie in dem ge­wohn­ten Lay­out mit Brett, No­ta­ti­on, sta­tis­ti­schen An­mer­kun­gen und En­gi­ne-Va­ri­an­ten­fens­ter fin­det (sie­he Screen­shot oben). Man kann un­mit­tel­bar eine im ei­ge­nen Brow­ser lau­fen­de Schach-En­gi­ne zu­schal­ten und die Par­tie in­ter­ak­tiv ana­ly­sie­ren, Va­ri­an­ten aus­pro­bie­ren und vom Pro­gramm be­wer­ten lassen.

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Das ist der Kom­fort, den Schach­spie­ler heu­te von der Com­pu­ter-Ar­beit ge­wohnt sind – in­te­griert in das klas­si­sche Me­di­um Buch. Nie wie­der wird der Le­ser ei­nes Schach­buchs mit Fra­gen al­lein ge­las­sen wie “Aber man könn­te doch…”, oder “Was wäre denn, wenn er jetzt…” Ge­nau dies kann man so­fort auf dem ei­ge­nen Smart­phone oder Lap­top mit zwei Klicks mit­tels QR-Scan­ning ausprobieren.

Verbesserungsbedarf: Handwerkliche Details

In der hand­werk­li­chen Um­set­zung lässt das neue Fea­ture noch et­was Luft nach oben. Die QR-Codes sind mit 1,4cm Sei­ten­län­ge arg klein ge­ra­ten. Sie wer­den im Lay­out ne­ben das Dia­gramm ge­setzt, da ist nicht mehr Platz. Wür­de man Dia­gramm, Text und (grö­ße­ren) QR-Code kom­plett flie­ßen las­sen, wäre selbst bei groß­zü­gi­gem Ab­stand und dann eben grö­ße­rem QR-Qua­drat nicht we­sent­lich mehr Platz erforderlich.
Ne­ben dem klei­nen For­mat mach­te mir beim QRC-Scan­nen auch die Buch­bin­dung ei­ni­ge Sor­gen. Es ge­lang mir nicht ohne Hilfs­mit­tel, die Bü­cher plan und sta­bil ab­zu­le­gen. So war das Scan­nen dann rein tech­nisch doch et­was mühsam.

Erfahrenes Autoren-Duo in Sachen Eröffnungsfallen: Die Großmeister Rainer Knaak und Karsten Müller
Er­fah­re­nes Au­toren-Duo in Sa­chen Er­öff­nungs­fal­len: Die Groß­meis­ter Rai­ner Knaak und Kars­ten Müller

Schließ­lich feh­len mir beim Öff­nen der Links mit dem Smart­phone die Nach­spiel­pfei­le un­ter dem Brett. In der Win­dows-Ver­si­on auf dem Lap­top sind sie wie ge­wohnt vor­han­den und er­leich­tern das Nach­spie­len. Auf dem Smart­phone kann ich nur durch An­kli­cken in der No­ta­ti­on na­vi­gie­ren. Es ist mir nicht ganz klar, ob das ein Bug oder ein Fea­ture ist. Ich habe meh­re­re Brow­ser pro­biert, ohne die Pfei­le ins Bild zau­bern zu kön­nen. Öff­ne ich mit dem glei­chen Smart­phone eine Par­tie auf der Ch­ess­ba­se-Nach­rich­ten­sei­te sind die Pfei­le vor­han­den und funk­tio­nie­ren. Dies soll­te sich noch kor­ri­gie­ren las­sen, doch es tut der Nutz­bar­keit der neu­en Ent­wick­lung nicht wirk­lich Abbruch.
Da heut­zu­ta­ge ja oh­ne­hin alle Schach­bü­cher am Com­pu­ter ent­ste­hen und die Par­tien mit ei­nem Schach­pro­gramm er­fasst und ge­prüft wer­den, ist es ei­gent­lich kein gro­ßer Mehr­auf­wand, sie on­line ver­füg­bar zu ma­chen und mit­tels QR-Codes den di­rek­ten Link her­zu­stel­len. Kein gro­ßer Mehr­auf­wand – aber ein rie­si­ger Gewinn.
Ins­ge­samt eine sehr ver­dienst­vol­le No­vi­tät des Olms Schach­ver­la­ges. Das soll­te zum Stan­dard werden! ♦

Kars­ten Mül­ler & Rai­ner Knaak: 222 Er­öff­nungs­fal­len nach 1.e4 und 1.d4, 164 & 148 Sei­ten, Olms Ver­lag ISBN 978-3-283-01042-3 & 978-3-283-01043-0

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Schacher­öff­nun­gen auch über Rai­ner Schlen­ker: Rand­sprin­ger – Qui­xo­ti­sche Schacheröffnungen


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