Computerschach: Fritz 18 (Chessbase) erschienen

Meist alt, teils neu

von Walter Eigenmann

Die Schach-Soft­ware Fritz der Ham­bur­ger Soft­ware-Firma Chess­base ist neu in ihrer 18. Ver­sion auf dem Markt. Inwie­fern bzw. in wel­chem Aus­maß unter­schei­det sich der jüngste Fritz vom Vor­gän­ger? Lohnt es, Fritz 18 für sich oder als Geschenk unter den Weih­nachts­baum zu legen?

Wenn ein kom­mer­zi­el­les Schach­pro­gramm über 30 Jahre hin­weg mitt­ler­weile 17 Updates hin­ter sich hat, wird es für die Ent­wick­ler immer schwie­ri­ger, wirk­lich inno­va­tiv zu blei­ben. Zumal “Fritz” in Ama­teur- und Profi-Krei­sen längst zum Syn­onym von Schach­soft­ware über­haupt avan­ciert ist. Fritz ist welt­weit quasi ein Selbst­läu­fer in Sachen Schach-Ober­flä­che, bei zahl­lo­sen Schach­spie­lern aller Leis­tungs­klas­sen kommt er prak­tisch im “Abon­ne­ment” auf die hei­mi­sche Fest­platte. Fritz “hat man einfach”…

Neue Analyse-Funktionen

Fritz 18 - Schachsoftware DVD - Chessbase - November 2021Denn nach wie vor (und trotz mitt­ler­weile inter­es­san­ter Alter­na­ti­ven auch aus dem Free­ware-Bereich) ist die Fülle der Optio­nen die­ses Gra­phi­cal User Inter­face (GUI) für das digi­tale Schach uner­reicht. Von sei­ner umfas­sen­den Anbin­dung in die Welt des Inter­nets noch gar nicht geredet.
Wer­fen wir also einen genauen Blick dar­auf, ob Chess­base wie­der ein paar echte Inno­va­tio­nen in ihr Aus­hän­ge­schild gepackt hat, oder ob die Ham­bur­ger um die bei­den Chef-Ent­wick­ler Mathias Feist und Mat­thias Wül­len­we­ber ein­fach mehr oder weni­ger ihren hohen Besitz­stand wahr­ten. Let­ze­res wäre nicht zum ers­ten Mal der Fall: Dem Druck der Käu­fer- und Anhän­ger­schaft nach Novi­tä­ten waren die Ham­bur­ger in den ver­gan­ge­nen 30 Jah­ren auch schon mal nicht ganz gewachsen.

Visuelle Bewertung

Ver­gleicht man (neben den selbst­ver­ständ­lich unter­schied­li­chen Start­bild­schir­men der Ver­sio­nen) – erst­mal die Ober­flä­chen von Fritz 17 und Fritz 18 , fällt sofort auf, dass – einem nichts auf­fällt. Denn Menü­struk­tur, Fea­tures-Ange­bot, Optio­nen – alles wie gehabt und im Hand­ling prak­tisch iden­tisch. Die ganz große 30-Jahr-Jubi­lä­ums­freude kommt also bei die­ser 18. Aus­gabe nicht auf.

Fritz 18 - Chessbase - Menüstruktur - Schachsoftware - Rezensionen - GLAREAN MAGAZIN
Bezüg­lich Menü-Struk­tur nichts Neues unter der GUI-Sonne: Fritz 17 & 18 sind identisch

Doch völ­lig auf Novi­tä­ten ver­zich­ten wollte man denn doch nicht, aller­dings muss man der Soft­ware stark unter die Haube krie­chen, um sie zu ent­de­cken. Betrach­ten wir zuerst den Bereich “Ana­lyse”.
Neu war­tet Fritz nun mit einer dif­fe­ren­zier­te­ren Visua­li­sie­rung der Stel­lungs­ein­schät­zung auf; hier sind drei Neue­run­gen erwähnenswert:

Fritz 18: Die Brettdarstellung und das Engine-Analysefenster erfuhren nützliche Differenzierungen
Fritz 18: Die Brett­dar­stel­lung und das Engine-Ana­ly­se­fens­ter erfuh­ren kleine Erweiterungen

A) Fritz 18 bewer­tet die Figu­ren­stel­lung nun mit­tels Farb­skala: Rote Kenn­zeich­nung bedeu­tet “schlecht”, gelb ist “mäßig”, und grün meint “gut”. Die “Flam­men” im Bewer­tungs­fens­ter visua­li­sie­ren die Stel­lung ins­ge­samt, z.B. als “nor­mal”, “scharf” oder “das Brett brennt”.
B) Der Engine-Out­put weist nun ergän­zende Hin­weise hin­sicht­lich z.B. Dro­hun­gen auf (rote Varianten-Zeilen).
C) Fährt die Maus über die Nota­tion eines Zuges inner­halb der Analyse-Variante(n), wird der betr. Zug auf dem Brett visua­li­siert; ein m.E. beson­ders nütz­li­ches Feature.

Fritz für den praktizierenden Schachspieler

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Wären nur diese paar Ana­lyse-Novi­tä­ten im neuen Fritz, könnte man die Ver­sion getrost als “Neuer Schlauch für alten Wein”, also als über­flüs­sig ad acta legen. Doch Chess­base scheint sich in der Fokus­sie­rung sei­nes Ana­lyse-Flagg­schif­fes wie­der auf den real prak­ti­zie­ren­den Schach­freund beson­nen zu haben unter dem Motto: Hin zu einem Fritz als Spar­ring-Part­ner des Ver­eins­spie­lers. Das Inter­face nimmt jetzt den sel­ber spie­len­den Anwen­der bei der Hand und lässt ihn gegen und mit Fritz deut­lich inter­es­san­tere und lehr­rei­chere Par­tien als vor­her absolvieren.

Geführt – berührt

… nennt sich die wich­tigste Neue­rung von Fritz 18. Der User wählt ein ihm ent­spre­chen­des Niveau der Geg­ner­schaft aus, und Fritz spielt auf eben die­sem Niveau mit Hilfe von Künst­li­cher Intel­li­genz mög­lichst “mensch­li­che” Züge, die auch zweit­klas­sig oder gar feh­ler­haft sein kön­nen. Der Her­stel­ler sel­ber umschreibt eupho­risch diese neue Funk­tion folgendermaßen:

Fritz 18 - Chessbase - Einfache Partie - Fritz als Vereinsspieler - Schachsoftware - Rezensionen - GLAREAN MAGAZIN
Intel­li­gen­tes Ama­teur-Ver­hal­ten mit­hilfe von Künst­li­cher Intel­li­genz: Fritz als Vereinsspieler

Fritz 18 steu­ert sein Spiel­ver­hal­ten intel­li­gent und führt Sie mit Hilfe sub­ti­ler Tipps durch die Par­tie. Sobald Fritz unter Druck gerät, bevor­zugt er als Ver­tei­di­ger Vari­an­ten, die für Sie als Angrei­fer gute Chan­cen auf Opfer oder andere Tak­tik ber­gen. Damit gelin­gen oft spek­ta­ku­läre Angriffs­siege. Gegen Fritz 18 wer­den Sie scharfe Gewinn­par­tien spie­len, die es in 40 Jah­ren Schach­pro­gram­mie­rung so nicht gege­ben hat. Ent­we­der waren die Pro­gramme zu stark oder sie las­sen keine Opfer­va­ri­an­ten zu, son­dern geben selbst Mate­rial, um Matt abzu­wen­den. […] Gene­rell spielt Fritz im Modus ‘Geführt – Berührt’ auf Level ‘Club­spie­ler’ zwar gebremst, doch durch­aus stark. Die Par­tien sol­len nicht zu ein­fach sein. Den­noch kann man sehr häu­fig gewin­nen. Dazu gibt es die erheb­lich ver­bes­ser­ten sub­ti­len Tipps. Den wesent­li­chen Anteil der Par­tie gestal­ten Sie selbst, doch bei Gegen­wind holen Sie sich Hilfe.”

Diese “sub­ti­len Tipps” kom­men dann in Form von Hin­wei­sen daher wie: “Greife eine Leicht­fi­gur an”, “Besetze ein star­kes Feld”, “Drohe Matt”, “Gewinne Mate­rial”, “Biete einen Abtausch an”.

Kaufen oder nicht kaufen?

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Fazit: Die dezi­dierte Hin­wen­dung des neuen Fritz zum spie­len­den, nicht nur ana­ly­sie­ren­den Anwen­der ist grund­sätz­lich zu begrü­ßen. Es ist m.E. der ein­zige wirk­lich viel­ver­spre­chende Weg eines neuen, moder­nen Schach-Inter­faces. Die rei­nen (und durch­aus bewähr­ten) Ana­lyse-Funk­tio­nen blei­ben ja erhal­ten, und in Sachen Par­tien-Ver­wal­tung gibt’s wei­tere spe­zia­li­sierte Soft­ware (von Chess­base sel­ber über die Free­ware Scid bis hin zu ande­ren kom­mer­zi­el­len Ange­bo­ten wie z.B. Chess Assistant).

Einer der geistigen Väter von Fritz 18: Der Physiker, Programmierer und Chessbase-Gründer Matthias Wüllenweber (geb. 1961)
Einer der geis­ti­gen Väter von Fritz 18: Der Phy­si­ker, Pro­gram­mie­rer und Chess­base-Grün­der Mat­thias Wül­len­we­ber (geb. 1961)

Die Frage, ob man als Schach­spie­ler den neuen Fritz kau­fen soll, hängt (wie immer und dies­mal ganz beson­ders) von den Prä­fe­ren­zen des Users ab. Wer nicht sel­ber (oder allen­falls online) mit­tels Soft­ware Schach spie­len, son­dern vor­wie­gend ana­ly­sie­ren will, der braucht Fritz 18 nicht (sofern er bereits eine der Vor­gän­ger-Ver­sio­nen hat). Denn der Ana­lyse-Sek­tor des Pro­gramms ist trotz der oben erwähn­ten gra­fi­schen Novi­tä­ten zuwe­nig inno­va­tiv, und dies­be­züg­lich beschleicht einen all­mäh­lich der Ein­druck, als wären Chess­base hier die Ideen aus­ge­gan­gen. Kommt hinzu, dass auch die neue Fritz-Engine zwar neu pro­gram­miert wurde (dies­mal von Frank Schnei­der), aber hin­sicht­lich Spiel­stärke kei­nen nen­nens­wer­ten Fort­schritt gegen­über Fritz17 erzielt. (Dass selbst­ver­ständ­lich auch die neue Fritz-Engine jeden der Top-Groß­meis­ter der Welt in einem Match in Grund und Boden spielte, braucht nicht näher aus­ge­führt zu wer­den). Wer eine abso­lute State-of-the-art-Engine in der Par­tien-Ana­lyse ein­bin­den will, greift zum Free­ware-Pro­gramm Stock­fish.

Anders sieht es aus für jene Anwen­der, die einen inter­es­san­ten, infor­ma­ti­ven und lehr­rei­chen Spar­ring-Part­ner fürs eigene Schach­trai­ning suchen. Hier hat Fritz 18 seine wirk­li­chen neuen Ver­dienste, und da lohnt sich durch­aus ein Kauf. Für knapp 60 Euro kriegt der User ein Inter­face, das den “selbst­stän­di­gen pri­va­ten Schach­un­ter­richt” auf ein neues Niveau hebt. ♦

Chess­base: Fritz 18 – Schach­soft­ware, DVD & Download

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Schach­soft­ware auch über Vasily Smys­lov – Mas­ter Class Band 14 (Schach-DVD)

… sowie zum Thema Com­pu­ter­schach: The Engine Crackers


7 Kommentare

  1. Genau, Die Benut­zer­ober­flä­che ist ein­fach nicht über­sicht­lich. Mei­ner Mei­nung nach ein­fach gra­fisch schlecht. Mit einer neuen oder ver­bes­ser­ten Ober­flä­che könn­ten sich wahr­schein­lich wie­der viele Fans neu begeistern.

    • Die Rezen­sion behaup­tet kei­nes­wegs, dass die CB-Ober­flä­che “unüber­sicht­lich” oder gar “gra­fisch schlecht” sei. Im Gegen­teil, Die F18-GUI ist die m.E. schönste und funk­tio­nalste aller aktu­ell ver­füg­ba­ren Inter­faces. Weder Shred­der noch Bank­sia oder Scid oder Aqua­rium rei­chen an Fritz bzw. CB heran. Ver­bes­se­rungs­wür­dig ist sie aber natür­lich trotz­dem – und im Arti­kel wer­den ja auch echte Inno­va­tio­nen ange­mahnt. Man sieht dies­be­züg­lich mit Inter­esse dem neuen F-19 ent­ge­gen (evtl. Novem­ber 2022 ?) …. W.E.

  2. ich muss der mei­nung des rezen­sen­ten wider­spre­chen. F18 ist die beste GUI ever, die CB bis jetzt raus­ge­pracht hat. gerade wenn man ana­ly­siert, sind die neuen visua­li­sie­run­gen durch­aus nütz­lich. ok ich spiele untere kreis­klasse, für einen stär­ke­rer spie­ler mag das weni­ger inter­es­sant sein. aber ich bin mega zufrie­den mit F18, kann es nur emp­feh­len! grüsse Klaus

  3. Neu, neu, neu! Inno­va­tion, Inno­va­tion, Inno­va­tion! Mein Gott, Leute, geht öfter zum Fri­seur und lasst euch ne neue Fri­sur ver­pas­sen, dann habt ihr genug Inno­va­tion, wenn euch lang­wei­lig ist.

    Ist sowieso ein Witz, 80 € (nicht 60 €, was aber auch schon über­teu­ert wäre) aus­zu­ge­ben, um gegen eine gedros­selte Engine spie­len zu dür­fen. Braucht man nicht.

    Fritz 10 und Fritz 11 waren die letz­ten Frit­zes, die ich gekauft hatte. Ein neue­rer kommt mir auch nicht mehr auf den Tisch, nicht, was über 50 € hin­aus geht!

    Ich bin Fan der uralten Benut­zer­ober­flä­che von Fritz, ein­fach fan­tas­tisch! Res­sour­cen­freund­lich und alt­ba­cken. Ich liebe diese alte Benut­zer­ober­flä­che! Seit Ein­füh­rung der neuen Benut­zer­ober­flä­che, ist Fritz für mich nur noch ent­täu­schend. Ich kann mich mit die­ser Benut­zer­ober­flä­che auch nicht anfreunden.

  4. danke, leute, für diese objekte review. ich habe mir fritz18 auch zuge­legt, und muss auch sagen, die paar zusätz­li­chen farb­lämp­chen im ana­ly­se­brett machen zuwe­nig mehr­wert her gegen­über der letz­ten fritz 17 ver­sion, für 80 euro bei chess­base erwarte ich mehr als ein biss­chen kos­me­tik. ok, die­ses geführt-berührt habe ich noch nicht aus­pro­biert, ich nutze fritzi meist nur fürs die ana­lyse. bin auch etwas ent­täuscht. trotz­dem finde ich arena noch schlech­ter als gui, auch bank­sia kann noch nicht befrie­di­gen. hoffe sehr, dass der nächste fritz wie­der inno­va­ti­ver ist.

  5. Eine Schach­en­gine, die jeden Men­schen bezwin­gen kann ist mir durch­aus “gut” genug, da ich selbst öfters gegen Fritz spiele und keine Engi­ne­wett­kämpfe durch­führe. Ich finde das Gesamt­pa­ket für den “Selbst­spie­ler” abso­lut gelungen.

  6. Ich bin mit Arena 3.5.1 seit Jah­ren sehr zufrie­den, und würde nie­mals 60 Euro­nen für Fritz
    aus­ge­ben. Wich­ti­ger ist doch eine gute Schach engine.

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