Serien-Report über Schachzeitschriften (3): SCHWEIZERISCHE SCHACHZEITUNG

Das älteste deutschsprachige Schachmagazin

von Mario Ziegler

Wir le­ben im di­gi­ta­len Zeit­al­ter – auch das Schach und sei­ne mil­lio­nen­fa­chen Adep­ten. Per­sön­li­ches Han­dy und hei­mi­sche Com­pu­ter­soft­ware ge­ben längst den Takt an beim Kö­nig­li­chen Spiel. Da­ne­ben exis­tie­ren aber nach wie vor eine Rei­he tra­di­ti­ons­rei­cher Print-Me­di­en. Der neue Se­ri­en-Re­port im Glarean Ma­ga­zin über Schach­ma­ga­zi­ne stellt die wich­tigs­ten na­tio­na­len und eu­ro­päi­schen Ti­tel vor.
Heu­te: Die SCHWEIZERISCHE SCHACHZEITUNG.

Nicht in mei­nen schlimms­ten Träu­men hät­te ich mir je­mals vor­stel­len kön­nen, sol­che Schre­ckens-Schlag­zei­len über News auf der Web­site des Schwei­ze­ri­schen Schach­bun­des (SSB) plat­zie­ren zu müs­sen. Doch die Fol­gen des tü­cki­schen Co­ro­na-Vi­rus zei­tig­ten auch auf den Schach­s­port gra­vie­ren­de Auswirkungen.“

Mit die­sen Wor­ten be­ginnt der Chef­re­dak­teur der Schwei­zer Schach­zei­tung Dr. Mar­kus Angst sein Vor­wort der Aus­ga­be 3/2020. Das Co­ro­na-be­ding­te Er­star­ren des welt­wei­ten Spiel­be­triebs sind seit dem Aus­bruch der Pan­de­mie be­herr­schen­de The­men al­ler Schach­me­di­en. Seit dem Ab­bruch des Kan­di­da­ten­tur­niers in Je­ka­te­rin­burg Ende März herrsch­te zu­min­dest „off­line“ Flau­te im Schach, was sich na­tür­lich auf die Be­richt­erstat­tung al­ler Schach­zeit­schrif­ten aus­wirk­te. Ich neh­me in der fol­gen­den Be­spre­chung die „Schwei­zer Schach­zei­tung“ in den Blick und be­zie­he mich auf die Aus­ga­ben 1, 2 und 3 des Jah­res 2020, also das letz­te „nor­ma­le“ Heft vor dem Aus­bruch der Pan­de­mie und die bei­den fol­gen­den, in de­nen sich die Ein­schrän­kun­gen im­mer stär­ker widerspiegelten.

Chefredakteur seit 26 Jahren: Markus Angst

Markus Angst - Chefredakteur Schweizerische Schachzeitung 2020 - Rezension Glarean Magazin
Ak­tu­ell, kom­pe­tent, schach­be­geis­tert – und seit über 25 Jah­ren im Amt: Chef­re­dak­teur und SSB-Me­di­en­spre­cher Mar­kus Angst

Die „Schwei­zer Schach­zei­tung“ (SSZ), das of­fi­zi­el­le Or­gan des Schwei­ze­ri­schen Schach­bun­des, wur­de 1900 be­grün­det, wo­mit sie das äl­tes­te noch exis­tie­ren­de deutsch­spra­chi­ge Schach­ma­ga­zin ist. Sie er­scheint sechs­mal im Jahr in ei­ner Auf­la­ge von 6000 Ex­em­pla­ren und wird al­len ak­ti­ven Schwei­zer Schach­spie­lern und -spie­le­rin­nen zu­ge­stellt. Das For­mat ist A5, der Druck schwarz­weiss, der Um­fang etwa 50 Sei­ten (die Aus­ga­be 3/2020 um­fasst le­dig­lich 36 Sei­ten, was aber si­cher der skiz­zier­ten Co­ro­na-Flau­te ge­schul­det ist).
Als be­son­de­ren Ser­vice bie­tet die „Schwei­zer Schach­zei­tung“ alle Aus­ga­ben seit 2000 zum Down­load an, die je­weils ak­tu­el­le al­ler­dings mit ei­ner zeit­li­chen Di­stanz zur Print­aus­ga­be. Chef­re­dak­teur ist seit 1994 Mar­kus Angst, sei­nes Zei­chens Me­di­en­spre­cher des Schach­bun­des und Lei­ter der Schwei­zer Mann­schafts­meis­ter­schaft. In der Schach­welt wur­de er nicht zu­letzt durch sei­ne Tä­tig­keit als ei­ner der Schieds­rich­ter der Welt­meis­ter­schaft 2004 zwi­schen Kram­nik und Léko in Bris­sa­go bekannt.

Schach in drei Landessprachen

Interview in der Schweizerischen Schachzeitung 3-2020 mit dem Schweizer Grossmeister Yannick Pelletier - auf französisch
In­ter­view in der SSZ 3/2020 mit dem Schwei­zer Gross­meis­ter Yan­nick Pel­le­tier – auf französisch

Was so­fort auf­fällt ist die Mehr­spra­chig­keit: Ent­spre­chend den Amts­spra­chen der Schweiz sind die Ar­ti­kel ent­we­der in deut­scher, in fran­zö­si­scher oder in ita­lie­ni­scher Spra­che ver­fasst, ei­ni­ge wur­den über­setzt und par­al­lel in deut­scher und fran­zö­si­scher Fas­sung ab­ge­druckt. Ei­ni­ge fes­te Ru­bri­ken wie­der­ho­len sich in je­dem Heft: „Se­nio­ren­schach“, „Fern­schach“ (be­ar­bei­tet durch Oli­ver Kil­ler), „Pro­blem­schach“ (Mar­tin Hoff­mann) und „Stu­di­en“ (Ro­land Ott), so­wie eine meh­re­re Sei­ten um­fas­sen­de Er­geb­nis­über­sicht über na­tio­na­le Tur­nie­re. Wer nicht nur über Schach le­sen, son­dern auch sein Spiel ver­bes­sern möch­te, kann dies durch das Lö­sen der Kom­bi­na­tio­nen (je­weils 9 Auf­ga­ben aus ei­nem ak­tu­el­len Tur­nier) so­wie das Stu­di­um der Par­tien tun, die teil­wei­se kom­men­tiert sind. Am um­fas­sends­ten fällt die Ana­ly­se ei­ner kürz­lich ge­spiel­ten Welt­klas­se­par­tie aus, für wel­che der fran­zö­si­sche Gross­meis­ter Ro­main Édouard ver­ant­wort­lich zeich­net. Die­se Ana­ly­se ist der ein­zi­ge Teil der Hef­te ohne un­mit­tel­ba­ren „Schweiz-Be­zug“. An­sons­ten kon­zen­trie­ren sich die The­men auf den na­tio­na­len Spiel­be­trieb: Schwei­zer Tur­nie­re und Mann­schafts­wett­be­wer­be, die Na­tio­nal­mann­schaft, Por­traits und In­ter­views mit be­kann­ten Per­sön­lich­kei­ten des Schwei­zer Schachs.

Inhaltlich aufs Nationale fokussiert

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Mir ge­fällt die­ses Kon­zept: Wo vie­le an­de­re Pu­bli­ka­tio­nen ei­nen Über­blick über das in­ter­na­tio­na­le Ge­sche­hen an­stre­ben, fo­kus­siert sich die SSZ be­wusst auf das na­tio­na­le Schach­le­ben. Zwar kann der Le­ser sich auf die­se Wei­se nicht über die jüngs­ten Glanz­ta­ten der Carlsen, Ca­ru­a­na und Va­chier-La­gra­ve in­for­mie­ren, aber statt die­ser In­for­ma­tio­nen, die ja ver­gleichs­wei­se leicht im In­ter­net zu­gäng­lich sind, er­hält er Be­rich­te über Tur­nie­re, die we­ni­ger im Fo­kus der Be­richt­erstat­tung ste­hen, ihm aber viel­leicht nä­her lie­gen (nicht nur geo­gra­phisch, son­dern auch was die Teil­neh­mer an­geht). Da­durch be­gibt sich die SSZ von vor­ne­her­ein we­ni­ger in Kon­kur­renz mit Schach­sei­ten im In­ter­net als an­de­re Ma­ga­zi­ne. Ich könn­te mir vor­stel­len, dass solch ein Kon­zept durch­aus auch für die deut­sche Schach­sze­ne trag­fä­hig wäre. In der ers­ten und zwei­ten Aus­ga­be des Jah­res, wo noch die „nor­ma­len“ The­men im Vor­der­grund stan­den, wur­de etwa über das Zür­cher Weih­nachts-Open 2019, das Schach­fes­ti­val Ba­sel oder das Ac­cen­tus Young Mas­ters in Bad Ra­gaz so­wie ver­schie­de­ne Mann­schafts­wett­be­wer­be berichtet.

Portraits, Berichte, Interviews

Interview-Partner der SSZ 3/2020 und aktuell der Schweiz erfolgreichster Grossmeister: Noel Studer
In­ter­view-Part­ner der SSZ 3/2020 und ak­tu­ell der Schweiz er­folg­reichs­ter Gross­meis­ter: Noel Stu­der

Auch hier tritt die Schwei­zer Per­spek­ti­ve in den Vor­der­grund: Beim Be­richt über das Zür­cher Weih­nachts­open wird ein Schlag­licht auf das 12jährige Nach­wuchs­ta­lent Do­ri­an Aslla­ni ge­wor­fen (1/2020, S. 4), im Zu­sam­men­hang mit dem Ac­cen­tus Young Mas­ters, ei­nem Ver­gleich zwi­schen ei­ner Mann­schaft aus jun­gen Schwei­zer Meis­tern und ei­ner Welt­aus­wahl, wird we­ni­ger auf das Tur­nier selbst ein­ge­gan­gen (es wird noch nicht ein­mal die Mann­schafts­auf­stel­lung der Welt­aus­wahl ge­nannt), son­dern der Fo­kus auf die Leis­tun­gen des er­folg­reichs­ten Schwei­zers, GM Noël Stu­der, ge­legt. Wie zu er­war­ten wer­den auch in Por­traits und Be­rich­ten Per­so­nen und In­sti­tu­tio­nen aus der Schweiz vor­ge­stellt: der Schach­klub Pay­erne (1/2020, S. 14-15), der Prä­si­dent der Schieds­rich­ter­kom­mis­si­on Jo­sef Ne­me­cek (1/2020, S. 22-29), WIM Ca­mil­le De Se­roux (2/2020, S. 12-15), ver­schie­de­ne In­itia­ti­ven zu Schach-Fe­ri­en­camps in der Schweiz (2/2020, S. 34-35). Wie ge­sagt: Man kann un­ter­schied­li­cher Mei­nung über die­ses Kon­zept sein, mir ist es sympathisch.

Eine Fülle von Informationen

Wer­den in Heft 2/2020 die ers­ten Fol­gen der Co­ro­na-Pan­de­mie the­ma­ti­siert (eine Un­ter­bre­chung der Schwei­zer Li­gen, die Ab­sa­ge des Mitro­pa­cups, der für An­fang Mai in Da­vos ge­plant war), so steht Heft 3/2020 voll im Zei­chen des Vi­rus und der mit ihm ver­bun­de­nen Ein­schrän­kun­gen. In ei­nem Ar­ti­kel be­han­delt Oli­ver Mar­ti, Ge­schäfts­füh­rer des Schwei­ze­ri­schen Schach­bun­des, die His­to­rie des On­line-Schachs. Die Gross­meis­ter Noël Stu­der und Yan­nick Pel­le­tier ma­chen sich in In­ter­views eben­so zur Co­ro­na-Kri­se und der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on Ge­dan­ken wie der Prä­si­dent des Schach­bun­des Pe­ter Wyss so­wie der Prä­si­dent der Schwei­zer Schach Se­nio­ren An­ton Brugger.

Problemschach in der Schweizerischen Schachzeitung 3-2020 - Glarean Magazin
Tra­di­ti­ons­reich und viel­be­ach­tet seit Jahr­zehn­ten: Die Pro­blem­schach-Spal­te der Schwei­ze­ri­schen Schachzeitung

Wenn man ein Fa­zit zie­hen möch­te: Die „Schwei­zer Schach­zei­tung“ be­inhal­tet, im Ver­gleich zu an­de­ren Ma­ga­zi­nen, we­ni­ger ei­gent­li­ches Schach­ma­te­ri­al, also Ana­ly­sen, Kom­bi­na­tio­nen usw., auch wenn sie mit GM Édouard und GM Nico Geor­gi­a­dis hoch­ran­gi­ge Kom­men­ta­to­ren auf­bie­ten kann. Da­für ver­sieht die SSZ den Le­ser mit ei­ner Fül­le von In­for­ma­tio­nen: Ne­ben Be­rich­ten und In­ter­views auch Tur­nier­re­sul­ta­ten und Sta­tis­ti­ken, also Ma­te­ria­li­en, die ge­ra­de nicht so leicht im In­ter­net zu be­kom­men sind. Da­mit geht die SSZ ei­nen deut­lich an­de­ren Weg als vie­le an­de­re Pu­bli­ka­tio­nen: Mit ei­nem kla­ren Schweiz-Fo­kus wird der Kreis der po­ten­ti­el­len Le­ser von vorn­her­ein be­schränkt, die­se wer­den aber um­fas­send über die­ses ein­ge­grenz­te The­ma informiert.

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Schlies­sen möch­te ich dann doch mit ei­nem prak­ti­schen End­spiel-Zi­tat aus der Fern­schach-Ru­brik der SSZ-Aus­ga­be 2/2020  – ein wun­der­schö­nes Bei­spiel für die Be­deu­tung der Ak­ti­vi­tät in der letz­ten Partiephase:

(Maus­klick auf ei­nen Zug oder eine Va­ri­an­te öff­net das Ana­ly­se­fens­ter inkl. PGN-Download)

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Schach­zeit­schrif­ten auch den Re­port über die deut­sche ROCHADE

… so­wie zum The­ma Bril­lan­te Schach­zü­ge: The En­gi­ne Cra­ckers – Neue Knack­nüs­se für Schach­pro­gram­me (Com­pu­ter­schach)

5 Kommentare

  1. Ap­plaus für die­sen hoch­in­ter­es­san­ten Bericht!
    Aber eine An­mer­kung hät­te ich: Da steht, dass die Zeit­schrift „al­len ak­ti­ven Schwei­zer Schach­spie­lern und -spie­le­rin­nen“ zu­ge­stellt wird. Müss­te es nicht „or­ga­ni­sier­ten“ statt „ak­ti­ven“ heis­sen? Ich bin auch ein äl­te­rer „Ak­ti­ver“, aber war noch nie in ei­nem Klub, spie­le nur pri­vat jede Wo­che ein paar Par­tien. Und er­hal­te kei­ne Zeitschrift 😉
    Nur eine Randbemerkung.
    Asons­ten, sehr schö­ner Ar­ti­kel. Über­haupt, die gan­ze Se­rie ist toll. Bin ge­spannt auf die nächs­ten Besprechungen!!
    Dan­ke und Grüs­se aus Ba­sel: S. Bieri

  2. Dank und Gra­tu­la­ti­on an M. Zieg­ler für die­se ge­lun­ge­ne Re­view! Das „klei­ne“ Schweiz­erländ­le hat die äl­tes­te Schach­zei­tung der Welt, wer hät­te das ge­dacht!! 🙂 Wei­ter so, ihr „Her­ren zu Bern“ :-))
    PS: Hat man sich bei der SSZ nie über­legt, das Heft far­big her­aus zu ge­ben? Zu teuer?
    Laurenz

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