Franz Felix Züsli: Taksi! (Humoreske)

Taksi!

Franz Fe­lix Züsli

Ha, ha -; nein: nicht voll­ge­la­den wie ein über­lau­fen­des Whis­ky­schiff… nein; so ein biss­chen ge­füllt – ein klei­nes Schmugg­ler­boot, ja; an­ge­hei­tert, das ist rich­tig: stark an­ge­hei­tert ist heu­te Wal­ter Zwys­sig, ha… ich – An­ge­stell­ter, kauf­män­ni­scher: Gorps. ‚tschul­di­gung, Mi­ri­am: prost – mei­nen Rest im Glas zu dei­nem Ver­gnü­gen. Mi­ri­am… nein – kei­nen Schluck Whis­ky mehr: ich wechs­le die Flag­ge; bit­te ei­nen Ei­ner, ‚tschul­di­gung, ei­nen Zwei­er, na­tür­lich: Ro­ten, ja, fran­zö­si­schen, also: Beau­jo­lais, Mi­ri­am… ein klei­nes Fest­chen für Wal­ter Zwys­sig heu­te -. Ge­burts­tag? Du, Mi­ri­am? Nein, du… ich? Nein, über­haupt nicht Ge­burts­tag. Mi­ri­am. du…!Prosit! Zum Wohl! Mmhmm, Rot­wein auf Whis­ky. Freu­de am Frei­tag­abend… dan­ke, Mi­ri­am… das darf ich nur den­ken, Mi­ri­am, das kann ich dir nicht, nein, will ich dir, Gorps, ‚tschul­di­gung, Ge­sund­heit! nicht sa­gen: wenn du dich bückst, die­se Über­sicht, bit­te noch einmal -.
Miriam!
Wal­ter Zwys­sig stand an der „Falter“-Bar: sein Auge wan­der­te mit et­was er­wei­ter­ter Pu­pil­le über die Fla­schen­pracht: San­de­mamn mit schwar­zem Mann Dow’s Port Fer­net Bran­ca die Bil­der an der Wand Ap­pen­zel­ler six­ty-nine nein: die­se son­nen­brau­ne Hand, Mi­ri­am. Tip­pen an der Kas­se, klin­geln, für die Gar­de­ro­be wird nicht ge­haf­tet, aber ich möch­te den Kopf auf die The­ke le­gen, die­ses Drü­cken auf die Au­gen­li­der, Mi­ri­am trägt eine grü­ne Ja­cke… Wie­se, um aus­zu­ru­hen, und ihr Stern­zei­chen ist die Waa­ge, we­nigs­tens den El­len­bo­gen auf die The­ke le­gen, die­se an­ti­ken Mes­sing­grif­fe an den Schub­la­den ab­schrau­ben, ver­kau­fen, klin­geln, die Kas­se. Im Spie­gel dein schlan­ker Hals, Mi­ri­am! Pro­sit! Mi­ri­am, ich: ja, Beau­jo­lais… du…
So ein schma­ler Frei­tag­abend, ha, ha -. Zu­rück­hal­ten­des La­chen, be­reit zum Ge­läch­ter: Mi­ri­am lach­te über­rascht, er­schro­cken zu­rück – doch, Feu­er habe ich! Bit­te! dei­ne Au­gen­wim­pern… da lehnt ja noch ei­ner an der Bar: schüt­tet sich auch so ein biss­chen mit Schnaps voll? Hal­lo, Ka­me­rad – out! In, Mi­ri­am: mit dei­nem Lä­cheln al­lein sein… darf ich dir auch ein Glas an­bie­ten: nie­sen — Ge­sund­heit! -, an­bie­ten? Also. dann nicht: Prost Walter!
Wo­her der ge­kom­men ist? die Flü­gel­tü­re schwingt noch: ah, ein Ho­tel­gast – „Gu­ten Abend….“ Im halb­lee­ren Rot­wein­glas blitzt das Kron­leuch­terge­fun­kel: der Mensch neigt den Kopf in mei­ne Rich­tung, ab­wei­sen­de Ah­nung ei­nes Lä­chelns, und Mi­ri­am nimmt den Whis­ky an, den er ihr an­ge­bo­ten hat:
Miriam!

Franz Züsli -Taksi - Humoreske - Glarean Magazin

Die­ser her­ge­lau­fe­ne Mensch; durch die Flü­gel­tü­re: „Rech­nung auf Zim­mer 32, bit­te“ -, Abend­an­zug mit Sie­gel­ring und sil­ber­nem Zi­ga­ret­ten­etui: „Bit­te!“ und Mi­ri­am nimmt die Zi­ga­ret­te an: „Pro­sit!“ – nein, die Glä­ser klir­ren beim An­stos­sen nicht, sie… klin­geln­der Wohl­laut: küs­sen­des Glas; tat­säch­lich, was fällt dem Abend­an­zug denn ein: er küsst Mi­ri­am die Hand – ihr Lä­cheln flat­tert hin und her, und wie klug er sich in ihre Ge­füh­le drängt: Gorps, ‚tschul­di­gung, noch ei­nen Zwei­er, ja, Beau­jo­lais, danke -.
Aus dem Abend­an­zug strömt mir Gleich­gül­tig­keit ent­ge­gen – da­für trinkt ihm Mi­ri­am zu, die­se Mu­sik… zum Verrückt…
Ich, Wal­ter Zwys­sig! nur ei­nen Whis­ky, ei­nen Zwei­er, ja, zwei Zwei­er und ab­ge­füllt wie eine ge­stopf­te Gans? Mein Kör­per schwankt um mich sel­ber – zwei Stück Rü­cken­mark? Nein, das Hirn rutscht nach hin­ten, wenn ich an die De­cke schaue: un­mög­lich; nur Wel­len im Kopf. Muss der Föhn sein, ja: der Föhn.
Bit­te Mi­ri­am: Feu­er! Dan­ke! Nicht bü­cken? Scha­de; vom Bü­cken lebt man – dem Abend­an­zug möch­te ich eine ge­füll­te Frit­teu­se in den Kra­gen lee­ren. Lin­ke Hand in der Ho­sen­ta­sche, hat er; zu­trin­ken, lei­ses Ge­flüs­ter mit Mi­ri­am, lä­cheln, dreht sich, nicht bü­cken, nur für klei­ne Leu­te: stre­cken, dei­ne Zunge:
Mi­ri­am! Du bist ein…
Bist du? bin ich? Ei­nen Zwei­er, nein, Drei­er – bin ich? Hin­aus mit Wal­ter Zwys­sig, sage ich: zah­len bit­te! Eins, zwei… viel. Mi­ri­am… Dan­ke! Mei­ne Zun­ge lis­pelt draus­sen ha­ben sie die Schir­me ge­öff­net hier hat es am Bo­den Zi­ga­ret­ten­asche klin­geln nicht die Kas­se das Te­le­fon am Klei­der­stän­der hängt ein Re­gen­man­tel ver­ges­sen nicht ab­ge­holt am der Bar Wal­ter Zwys­sig Trink­geld in­be­grif­fen. Weiss schon, Mi­ri­am. Ciaò.
Flü­gel­tü­re, auf: zu! Ich spü­re die küh­le re­gen­schwe­re Nacht­luft; fast wäre ich ge­stol­pert, die­se heis­se Stir­ne: Wal­ter hat ei­nen sit­zen, hat er wirk­lich? Föhn. Kurz­weil an der Bar; Frei­tag­abend. Der lin­ke Fuss krib­belt: ein­ge­schla­fen, Mi­ri­am… und im­mer, wenn man nach Hau­se fah­ren will, ste­hen die Trams in den De­pots. „Taxi!“ Und da­bei ist Mit­ter­nacht noch kei­ne hal­be Stun­de vorbei.
„Taxi!“
Die­se küh­le Nacht­luft; nein, wirk­lich: es reg­net, mei­ne Schu­he sind schon ganz nass; dies ist aber Schweiss, was mir in den Mund­win­kel rinnt: sal­zig und re­gen­nass.. auch reg­nen las­sen, wenn ich zu­hau­se bin. Ha -: zu­hau­se bin. Ruth schläft un­ru­hig, wenn ich nicht zu­hau­se bin. Ruth sagt: „Ich schla­fe im­mer un­ru­hig. wenn du nicht zu­hau­se bist!“
Und heute?
Mi­ri­am, was… Schläft im­mer un­ru­hig, wenn ich nicht… tat­säch­lich, schon Sams­tag; im­mer un­ru­hig wenn
„Tak­si!“ ♦


Franz Fe­lix Züsli

Geb. 1932 in Zü­rich, Schrift­set­zer-Leh­re, dann Ma­tu­ri­tät und rechts­his­to­ri­sches Stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Zü­rich, Pro­mo­ti­on, zahl­rei­che Ly­rik- und Pro­sa-Pu­bli­ka­tio­nen in Bü­chern, Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten, lebt in Witikon/CH

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