Schachzug der Woche (01): Rallabandi vs Schulz

Das Verblüffende im Verborgenen

von Walter Eigenmann

Auch (und gerade) im Schach fahn­den wir gerne nach dem Ein­zig­ar­ti­gen, dem Aus­nah­me­phä­no­men, dem sen­sa­tio­nel­len Spek­ta­kel – das ver­spricht Ner­ven­kit­zel gepaart mit ästhe­ti­schem Vergnügen.

Doch zuwei­len liegt das Ver­blüf­fende ver­bor­gen im Klei­nen, Unschein­ba­ren, Unauf­fäl­li­gen – gerade im Schach!

Praveen Rallabandi – Günter Schulz (ICCF 2019)
Weiß am Zuge

P.Rallabandi vs G.Schulz - Corr 2019 - Juego de ajedrez por correspondencia - Comentario Walter Eigenmann
FEN: r2qk1nr/pp1n1pp1/2pbp1p1/3p2P1/2PP3P/4P3/PP1N1P2/R1BQKB1R w KQkq

In die­ser Stel­lung, ent­stan­den in einer ICCF-Fern­schach-Par­tie 2019 zwi­schen dem Eng­län­der Pra­veen Ral­la­bandi und dem Deut­schen Gün­ter Schulz, ent­deckte (bzw. erforschte) der Weiße einen Zug, der ana­ly­tisch nach­weis­bar der nach­hal­tigste unter meh­re­ren attrak­ti­ven Optio­nen ist, den aber nicht mal die moderns­ten Schach­pro­gramme auf dem Radar haben.
Von Men­schen wer­den sol­che Züge, die weder Game Chan­ger sind noch auch nur die Figu­ren­kon­stel­la­tion posi­tio­nell sicht­lich ver­bes­sern, gerne über­se­hen. Und vom Com­pu­ter wer­den sie “über­se­hen”, weil die Stel­lun­gen extrem tie­fes Rech­nen ver­lan­gen (hier: ca. 50 Halb­züge), bis der resul­tie­rende Stel­lungs­vor­teil die Stel­lungs­be­ur­tei­lung final nach oben korrigiert.

Tipp: Der Anzie­hende bringt den Schwar­zen in eine Art “Zug­zwang” auf offe­nem Brett…

Wie ver­schaffte sich hier der eng­li­sche Kor­re­spon­denz­schach-Meis­ter ganz unschein­bar, aber nach­hal­tig eine blei­bende Initiative?

Hier fin­den Sie die Lösung: Schach­zug der Woche 01

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Schach auch über Tay­lor King­s­ton: Edgard Colle – Caissa’s Woun­ded Warrior

Außer­dem zum Thema Schachtak­tik: Das Schach-Alpha­bet: Buch­stabe A


English Translation

The Power Of Silence

is’nt so highly valued in our society – and cer­tainly not in chess! There, too, the uni­quely spec­ta­cu­lar, the sen­sa­tio­nal, the “loud” gives us a thrill and satis­fies our need for power and beauty.
But some­ti­mes the sur­pri­sin­gly ama­zing is to be found in the incon­spi­cuously small. A flower, for exam­ple, that breaks through road asphalt – or the so-cal­led “silent move” in a game of chess…

That’s what hap­pened in the cor­re­spon­dence chess game P. Ral­la­bandi vs. G. Schulz 2019, where this posi­tion was crea­ted (Dia­gram see above).

With which “silent move”, an incon­spi­cuous but very las­ting and demons­tra­bly best one, did the white player sur­prise his black oppo­nent here?

The solu­tion can be found here


 

2 Kommentare

  1. Nun ja. Für diese Stel­lung trifft das geschrie­bene jeden­falls nicht zu, Stock­fish 13 zeigt den “tief­grün­di­gen” Wun­der­zug schnell als bes­ten an. Und als “Wun­der­zug” erweist sich der Zug nicht, unge­naues schwar­zes Spiel in der Lösungs­be­spre­chung hilft natür­lich enorm für den wei­ßen Vor­teil (ich konnte in der e5-Vari­ante kei­nen nen­nens­wer­ten Vor­teil für Weiß nachweisen).

    • Bes­ten Dank für das Feedback.

      Trotz­dem:
      Bitte genau lesen!
      Von einem “Wun­der­zug” ist im Arti­kel nicht die Rede, son­dern von einer “unschein­ba­ren, aber nach­hal­ti­gen Initiative”.

      Und nein: Stock­fish 13 zeigt den Lösungs­zug 1.a3 nicht “schnell” an. Son­dern er braucht fast 25 Minu­ten, bevor er final den Zug als bes­ten in die­ser Stel­lung deklariert:

      r2qk1nr/pp1n1pp1/2pbp1p1/3p2P1/2PP3P/4P3/PP1N1P2/R1BQKB1R w KQkq – 0 1

      1.a3 Se7 2.Dc2 Sf5 3.Sf3 e5 4.dxe5 Sxe5 5.Sxe5 Lxe5 6.Ld2 d4 7.0-0-0 dxe3 8.Lb4 Dc8 9.Lh3… etc.
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.43) Tiefe: 39/60 00:03:17 2307MN, tb=515
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.43) Tiefe: 40/63 00:03:41 2579MN, tb=593

      1.Dc2 Se7 2.a3 Sf5 3.Sf3 e5 4.dxe5 Sxe5 5.Sxe5 Lxe5 6.Ld2 d4 7.0-0-0 dxe3 8.Lb4 Dc8 9.Lh3… etc.
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.51 ++) Tiefe: 41/63 00:04:05 2858MN, tb=1228
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.60 –) Tiefe: 42/70 00:05:43 3990MN, tb=1616

      1.a3 Se7 2.Dc2 Dc8 3.Sf3 dxc4 4.Dxc4 c5 5.dxc5 Dxc5 6.Dxc5 Sxc5 7.Lb5+ Kd8 8.Lc4 Tc8 9.b4… etc.
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.63) Tiefe: 42/70 00:06:13 4338MN, tb=1617
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.68 ++) Tiefe: 50/65 00:20:11 14033MN, tb=16416

      1.Dc2 Se7 2.a3 Dc8 3.Sf3 dxc4 4.Dxc4 c5 5.dxc5 Dxc5 6.Ld2 Dxc4 7.Lxc4 Tc8 8.Lb5 a6 9.Lxd7+ Kxd7 10.Lc3…etc.
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.51) Tiefe: 50/66 00:21:56 15247MN, tb=17467
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.51 ++) Tiefe: 51/64 00:23:24 16265MN, tb=17865

      1.a3 Se7 2.Dc2 Sf5 3.Sf3 e5 4.dxe5 Sxe5 5.Sxe5 Lxe5 6.Ld2 d4 7.0-0-0 dxe3 8.Lb4 Dc8 9.Lh3… etc.
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.38) Tiefe: 51/67 00:24:38 17118MN, tb=18308
      Weiß steht etwas bes­ser: +/= (0.55 –) Tiefe: 55/68 00:56:21 39319MN, tb=43418

      (Ryzen7 – 16 Threads – 2048 MB)

      Wie gesagt: Zwi­schen dem bes­ten Zug 1.a3 und dem zweit­bes­ten 1.Dc2 liegt sicher keine Welt – aber in moder­nen Par­tien mit moder­ner Hard­ware sum­mie­ren sich in einer Par­tie sol­che Win­zig­kei­ten oft zum gan­zen Punkt. Zumal (Gerade!) im Fern­schach (wo die Remis-Quote mitt­ler­weile jen­seits von Gut und Böse ist…)

      Gruss: W.E.

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