Carl Philipp Stamitz: Klarinetten-Quartette (CD)

Der Meister des Andante im Schatten Mozarts

von Mi­cha­el Magercord

Der Kom­po­nist Carl Phil­ipp Stamitz hat­te ein Mu­sikerle­ben ge­führt, wie es dem ro­man­ti­schen Bild ei­nes Künst­ler­le­bens ent­sprach. Er selbst war kein Ro­man­ti­ker, da­für leb­te er 50 Jah­re zu früh. Doch rast­los war er seit sei­nem 25. Le­bens­jahr durch die da­ma­li­ge Welt der Mu­sik ge­hetzt, von Pa­ris bis Dres­den, zu­nächst als Vio­li­nen- und Brat­schen­vir­tuo­se, dann als ver­sier­ter Kom­po­nist von hoch­mo­di­scher Mu­sik, die an den fürst­li­chen Hö­fen an­ge­sagt war. Acht­zig Sym­pho­nien sind so ent­stan­den, eine er­hoff­te An­stel­lung aber ver­schaff­te ihm das un­er­müd­li­che Wer­ken nicht. Nach zwan­zig Jah­ren Wan­der­le­ben hei­ra­te­te er, liess sich in Greiz, dem Hei­mat­ort sei­ner Frau nie­der, zeug­te vier Kin­der, die alle früh ver­star­ben, und schliess­lich starb er 56-jäh­rig 1801 in Jena, ver­armt. Drängt sich da nicht lang­sam ein Ver­gleich auf mit ei­nem an­de­ren Mu­si­ker sei­ner Zeit?

Stamitz - Klarinettenquartette - Audite - CoverMo­zart hat­te ein ähn­li­ches Schick­sal er­eilt, und eben­so wie bei dem Salz­bur­ger spie­gelt sich das rast­lo­se Le­ben kaum in sei­ner Mu­sik wie­der. Es heisst, dass so man­cher Laie die Sym­pho­nien der bei­den kaum von ein­an­der un­ter­schei­den könn­te, wä­ren nicht jene des et­was jün­ge­ren Mo­zarts im­mer noch so häu­fig zu hö­ren, wäh­rend die von Stamitz nur sel­ten auf­ge­führt wer­den. Bei­de wa­ren zu ih­rer Zeit ver­sier­te Mu­sik­ar­bei­ter, die aus der Auf­füh­rungs­pra­xis all die Tricks kann­ten, mit de­nen man Ein­druck schin­den konn­te, ohne dass sich der Aus­füh­ren­de da­bei die Fin­ger an sei­nen In­stru­ment bre­chen muss.

Als Sechzehnjähriger bereits Mitglied der Hofkapelle

Frühbegabung wie Mozart: Carl Philipp Stamitz
Früh­be­ga­bung wie Mo­zart: Carl Phil­ipp Stamitz

Wie Mo­zart, war auch Stamitz ein Früh­be­gab­ter. Als Sohn ei­nes böh­mi­schen Kom­po­nis­ten, wur­de er im Al­ter von sech­zehn Jah­ren be­reits Mit­glied der re­nom­mier­ten Hof­ka­pel­le im hei­mat­li­chen Mann­heim. In der nord­ba­di­schen Stadt war eine der wich­tigs­ten Schu­len der da­ma­li­gen Mu­sik­welt an­ge­sie­delt. Auch Mo­zart ist durch die­se Schu­le ge­gan­gen. Ihre Neue­run­gen ha­ben We­sent­li­ches ge­leis­tet bei dem Über­gang vom Ba­rock in die Klas­sik. Hier wur­de das ers­te Or­ches­ter in ei­ner In­stru­men­ten­be­sat­zung zu­sam­men­ge­stellt, die noch heu­te als der eu­ro­pä­isch-abend­län­di­sche Or­ches­ter­ap­pe­rat gilt. Und dazu ge­hör­te zum ers­ten Mal auch eine Klarinette.
Stamitz war der ers­te Kom­po­nist, der die­sem In­stru­ment eine So­lo­funk­ti­on zu bil­lig­te. Elf Kla­ri­net­ten-Kon­zer­te hat­te er kom­po­niert, und eben auch die in die­ser CD zu­sam­men­ge­stell­ten vier Quar­tet­te. Die­se Quar­tet­te ha­ben alle drei Sät­ze, schnell, lang­sam, schnell, wo­bei die ers­te Sät­ze in sich schon so­na­ten­ar­tig an­ge­legt sind, was ihre et­was se­ri­el­le Her­stel­lung un­ter­streicht. Sei­ne Zeit­ge­nos­sen lob­ten be­son­ders sei­ne hohe Kom­po­si­ti­ons­kunst beim An­dan­te, die sei­en “meis­ter­haft ge­ra­then – eine Fol­ge sei­nes ge­fühl­vol­len Her­zens”, schrieb etwa der Kri­ti­ker Chris­ti­an Fried­rich Da­ni­el Schubart.

Genial im Schatten der Zeit verbleibend

Ein­ge­spielt sind die­se Quar­tet­te ge­wohnt sou­ve­rän von dem ame­ri­ka­ni­schen Kla­ri­net­tis­ten Athur Cam­pell und sei­nen Leh­rer-Kol­le­gen von der Grand Val­ley Sta­te Uni­ver­si­ty in Mi­chi­gan. Es ist be­reits sei­ne drit­te Ein­spie­lung im deut­schen La­bel Au­di­te. Es zeich­net ei­nen Ken­ner und Kön­ner sei­nes In­stru­men­tes aus, auch mit den Leer­stel­len, die ein Kom­po­nist wie Stamitz dem Ge­stal­tungs­wil­len des In­stru­men­ta­lis­ten im­mer liess, et­was an­fan­gen zu kön­nen. So­mit wird selbst die doch et­was re­pe­ti­ti­ve Mu­sik­form schliess­lich mit ei­ner sehr per­sön­li­chen Note versehen.

Für Klarinettenfreunde ist diese Einspielung der Klarinettenquartette von Carl Philipp Stamitz ein Muss, für Freunde des Rokoko ebenso. Für alle anderen Musikliebhaber sind sie ein weiteres Zeugnis dafür, dass jenes Zeitalter vielleicht doch nur eine musikalische Übergangsperiode war zwischen dem Bachschen Barockzauber und der wuchtigen Klassik, eine für das Ohr allerdings besonders gefällige.
Für Kla­ri­net­ten­freun­de ist die­se Ein­spie­lung der Kla­ri­net­ten­quar­tet­te von Carl Phil­ipp Stamitz ein Muss, für Freun­de des Ro­ko­ko eben­so. Für alle an­de­ren Mu­sik­lieb­ha­ber sind sie ein wei­te­res Zeug­nis da­für, dass je­nes Zeit­al­ter viel­leicht doch nur eine mu­si­ka­li­sche Über­gangs­pe­ri­ode war zwi­schen dem Bach­schen Ba­rock­zau­ber und der wuch­ti­gen Klas­sik, eine für das Ohr al­ler­dings be­son­ders gefällige.

Das ist al­ler­dings auch nö­tig, um die­ser Mu­sik noch heu­te et­was be­son­de­res ab­zu­ge­win­nen. Ja, wäre da nicht Mo­zart, dann hät­ten wohl die Wer­ke von Stamitz das Zeug ge­habt, noch heu­te die Rol­le der si­che­ren Kon­zert­saal­fül­ler zu über­neh­men. So aber wer­den sie doch eher sel­ten ge­spielt oder ein­ge­spielt. Stamitz also er­füllt bis auf den heu­ti­gen Tag auf sei­ne Wei­se das Bild des ro­man­ti­schen Künst­lers: Ge­ni­al, aber auch im­mer ein we­nig im Schat­ten sei­ner und kom­men­der Zei­ten verbleibend. ♦

Carl Phil­ipp Stamitz: Kla­ri­net­ten Quar­tet­te / Quar­tets for Cla­ri­net (Ar­thur Cam­pell – Kla­ri­net­te / Gre­go­ry May­tan – Gei­ge / Paul Swan­tek – Brat­sche / Pa­blo Ma­have-Ve­glia – Cel­lo), AUDITE – Au­dio SACD, 66 Minuten

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Mu­sik für Kla­ri­net­te auch über
Franz Schu­bert & Jörg Wid­mann: Ok­tet­te (CD)

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)