Jacques Stotzem: Places we have been (Audio-CD)

Melodisch frei entfaltete Gitarre

von Horst-Dieter Radke

Er muss nichts mehr be­wei­sen, denn in sei­ner nun­mehr fast vier­zig­jäh­ri­gen Kar­rie­re hat der bel­gi­sche Gi­tar­rist Jac­ques Stot­zem aus­rei­chend ge­zeigt, dass er nicht nur ein ver­sier­ter Steel­string-Gi­tar­rist ist, son­dern auch ein ganz pas­sa­bler Kom­po­nist und Ar­ran­geur. Stot­zem ge­hört nicht zu de­nen, die Pat­tern an­ein­an­der­rei­hen, son­dern baut sei­ne Kom­po­si­tio­nen lo­gisch und har­mo­nisch auf. Me­lo­dien wer­den nicht in ein Ak­kord­ge­rüst ge­klemmt, son­dern ent­fal­ten sich frei und nicht sel­ten von kon­tra­punk­ti­schen Bass­li­ni­en un­ter­malt. Sei­ne har­mo­ni­schen Struk­tu­ren sind dem Jazz nä­her als ein­fa­chen Folk- und Blues-Songs. Nun legt er mit „Places we have been“ ein wei­te­res Zeug­nis sei­ner Schaf­fens­kraft auf.

Ne­ben sei­nen ei­ge­nen Kom­po­si­tio­nen ar­ran­giert Stot­zem Songs aus Rock und Pop für die Akus­tik­gi­tar­re, von Jimi Hen­drix und Rory Gal­lag­her bei­spiels­wei­se. Letz­te­rem hat er so­gar eine ei­ge­ne CD ge­wid­met: To Rory (2015).

Ruhige musikalische Reise

Die ak­tu­el­le CD „Places we have been“ – die 18. in sei­nem Oeu­vre – ent­hält neun gröss­ten­teils ru­hi­ge Kom­po­si­tio­nen, die schon beim ers­ten Hö­ren für sich ein­neh­men. Doch erst beim wie­der­hol­ten Auf­le­gen ent­fal­ten sie ihre gan­ze Schön­heit. Stot­zem will mit die­sem Al­bum an die Sta­tio­nen sei­ner mu­si­ka­li­schen Rei­sen er­in­nern, denn er ist Gast auf den Kon­zert­büh­nen der gan­zen Welt. Wo die ein­zel­nen Sta­tio­nen lie­gen, er­fährt der Hö­rer nicht, denn die Ti­tel sind recht all­ge­mein ge­hal­ten und Re­mi­nis­zen­zen an be­stimm­te Re­gio­nen sind kaum zu erkennen.

An­zei­ge

Er spielt von Plät­zen, an de­nen „wir“ wa­ren (Places we have been), be­schreibt mu­si­ka­lisch er­leb­te Mo­men­te, die ewig an­dau­ern könn­ten (It could last fo­re­ver), er­zählt von Auf­bruch (Mor­gen geht’s wei­ter) und An­kom­men im Nir­gend­wo (Midd­le of nowhe­re), von ru­hi­gen Mo­men­ten (La tran­quill­té des jours simp­les) und nost­al­gi­schen Er­in­ne­run­gen an ei­nen Abend (Nost­al­gie d’un soir). Das ist so un­be­stimmt be­nannt, dass sich der Hö­rer nicht von frem­den Er­in­ne­run­gen ge­fan­gen neh­men las­sen muss, son­dern ei­ge­ne dar­an knüp­fen kann. Stot­zems mu­si­ka­li­sche Rei­se wird so auch zu ei­ner ei­ge­nen, selbst erlebten.

Nahtlos-kunstvolle Übergänge

Jac­ques Stot­zem (*1959)

Die Wer­bung spricht von der „Leich­tig­keit der Me­lo­die­li­ni­en“. Für mich hört sich das im­mer an wie die Wer­bung für Scho­ko­la­de, die „so leicht schmeckt“. Wor­te, die tat­säch­lich kei­nen Sinn er­ge­ben und nur ei­nen sub­jek­ti­ven Ein­druck beim Le­ser oder Hö­rer er­zeu­gen sol­len. Was aber klar wird beim Hö­ren, dass es eben tat­säch­lich Me­lo­dien sind, die Stot­zem als Grund­la­ge sei­ner Kom­po­si­tio­nen nimmt und auch deut­lich aus­ar­bei­tet, kei­ne lee­ren Har­mo­nien, kei­ne Ak­kord­clus­ter oder ein­fach nur kur­ze Riffs. Man kann mit­sum­men, wenn man will. Man könn­te mit­sin­gen, wenn man sich ei­nen Text dazu ein­fal­len lässt. Die Me­lo­dien sind nicht ein­fach ge­baut, aber durch­aus ein­gän­gig. Man hört die­se Me­lo­dien auch dann noch, wenn der Gi­tar­rist das Zupfen/Picking ver­lässt und per­kus­si­ve Schlag­tech­ni­ken an­wen­det. Er be­herrscht dies so kunst­voll, dass es fast nicht be­merkt wird, wenn er von der ei­nen zur an­de­ren Tech­nik wech­selt. Das geht so naht­los in­ein­an­der über, dass die Über­gän­ge als sol­che nicht auffallen.

An­fangs­tak­te des Ti­tel­stücks der CD „Places we have been“ des Gi­tar­ris­ten, Ar­ran­geurs und Kom­po­nis­ten Jac­ques Stotzem

Fa­zit: „Places we have been“ von Jac­ques Stot­zem ist nicht nur den Af­fi­ci­o­na­dos der Steel­string-Gi­tar­re zu emp­feh­len, son­dern al­len, die gern ru­hi­ge, an­spruchs­vol­le Mu­sik hö­ren. Man hört sie sich nicht so schnell leid – wenn über­haupt -, und fin­det im­mer wie­der et­was in die­sen klei­nen „Mi­nia­tu­ren“ zu ent­de­cken. Die­ser ru­hi­ge Mu­si­ker gibt et­was von sei­ner Un­auf­ge­regt­heit auch an sei­ne Hö­rer wei­ter – selbst dann, wenn die Mo­men­te der Span­nung und Ent­span­nung häu­fig wech­seln. Kaufempfehlung. ♦

Jac­ques Stot­zem, Gi­tar­re: Places we have been (Au­dio-CD), Acou­stic Mu­sic Records

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Gi­tar­ren-Mu­sik auch über Ja­kob Bangso: Con­nect – Elec­tro­nic Works for Gui­tar (Au­dio-CD)

… so­wie über das neue Har­mo­nik-Kom­pe­di­um des Gi­tar­ris­ten Ma­thi­as Löff­ler: Rock & Jazz Harmony


English translation

Melodically free unfolded guitar

by Horst-Die­ter Radke

He doesn’t have to pro­ve any­thing any­mo­re, be­cau­se in his al­most for­ty-year care­er the Bel­gi­an gui­ta­rist Jac­ques Stot­zem has suf­fi­ci­ent­ly shown that he is not only an ex­pe­ri­en­ced steel­string gui­ta­rist, but also a quite pas­sa­ble com­po­ser and ar­ran­ger. Stot­zem does not be­long to tho­se who string pat­terns tog­e­ther, but builds his com­po­si­ti­ons lo­gi­cal­ly and har­mo­nious­ly. Me­lo­dies are not clam­ped into a chord struc­tu­re, but un­fold free­ly and of­ten ac­com­pa­nied by con­trap­un­tal bass li­nes. His har­mo­nic struc­tures are clo­ser to jazz than simp­le folk and blues songs.

Bes­i­des his own com­po­si­ti­ons Stot­zem ar­ran­ges songs from rock and pop for the acou­stic gui­tar, by Jimi Hen­drix and Rory Gal­lag­her for ex­am­p­le. He even de­di­ca­ted a CD to the lat­ter: To Rory (2015).

Quiet musical journey

The cur­rent CD „Places we have been“ – the 18th in his oeu­vre – con­ta­ins nine most­ly quiet com­po­si­ti­ons, which al­re­a­dy cap­tu­re the listener’s at­ten­ti­on on first hea­ring. But only when they are re­pea­ted do they un­fold their full be­au­ty. With this al­bum Stot­zem wants to re­call the stages of his mu­si­cal jour­neys, be­cau­se he is a guest on con­cert stages all over the world. The lis­te­ner doesn’t know whe­re the in­di­vi­du­al sta­ti­ons are, be­cau­se the titles are quite ge­ne­ral and re­mi­nis­cen­ces of cer­tain re­gi­ons are hard­ly recognizable.

He plays from places whe­re „we“ were (Places we have been), de­scri­bes mu­si­cal­ly ex­pe­ri­en­ced mo­ments that could last fo­re­ver (It could last fo­re­ver), tells of de­par­tu­re (Mor­gen geht’s wei­ter) and ar­ri­val in nowhe­re (Midd­le of nowhe­re), of quiet mo­ments (La tran­quill­té des jours simp­les) and nost­al­gic me­mo­ries of an evening (Nost­al­gie d’un soir). This is so va­gue­ly na­med that the lis­te­ner does not have to let hims­elf be cap­ti­va­ted by for­eign me­mo­ries, but can tie his own to them. Stotzem’s mu­si­cal jour­ney thus also be­co­mes his own, self-ex­pe­ri­en­ced one.

Seamless, artistic transitions

The ad­ver­ti­sing speaks of the „light­ness of the me­lo­dy li­nes“. For me, it al­ways sounds like ad­ver­ti­sing cho­co­la­te that „tas­tes so light“. Words that re­al­ly don’t make sen­se and are only meant to make a sub­jec­ti­ve im­pres­si­on on the rea­der or lis­te­ner. But what be­co­mes clear when lis­tening to them is that they are ac­tual­ly me­lo­dies that Stot­zem ta­kes as the ba­sis of his com­po­si­ti­ons and also cle­ar­ly ela­bo­ra­tes, no emp­ty har­mo­nies, no chord clus­ters or just short riffs. You can hum along if you want. You could sing along if you come up with a text. The me­lo­dies are not simp­le, but cat­chy. You can still hear the­se me­lo­dies even when the gui­ta­rist lea­ves plucking/picking and uses per­cus­sive per­cus­sion tech­ni­ques. He mas­ters this so artful­ly that it is al­most un­no­ti­ced when he ch­an­ges from one tech­ni­que to the other. This mer­ges so seam­less­ly that the tran­si­ti­ons as such are not noticeable.

Con­clu­si­on: „Places we have been“ by Jac­ques Stot­zem is not only to be re­com­men­ded to the Af­fi­ci­o­na­dos of the Steel­string gui­tar, but also to ever­yo­ne who li­kes to lis­ten to quiet, so­phisti­ca­ted mu­sic. You don’t get ti­red of them so quick­ly – if at all – and you al­ways find so­me­thing to dis­co­ver in the­se litt­le „mi­nia­tures“. This quiet mu­si­ci­an also pas­ses on some of his un­ex­ci­te­ment to his lis­ten­ers – even when the mo­ments of ten­si­on and re­la­xa­ti­on ch­an­ge fre­quent­ly. Buy recommendation. ♦

Jac­ques Stot­zem, Gui­tar: Places we have been (Au­dio-CD), Acou­stic Mu­sic Records

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