José Saramago: Die Reise des Elefanten (Roman)

Brillante Sottisen und Blasphemien

von Günter Nawe

Am 18. Juni 2010 ist der por­tu­gie­si­sche Au­tor und Li­te­ra­tur-No­bel­preis­trä­ger José Sa­ra­ma­go im Al­ter von 87 Jah­ren ge­stor­ben. Der über­zeug­te Kom­mu­nist und be­ken­nen­de Athe­ist, Au­tor so be­rühm­ter Bü­cher wie „Die Stadt der Blin­den“ und „Die Stadt der Se­hen­den“, hat uns jetzt, als eine Art Ver­mächt­nis, ei­nen klei­nen Ro­man, eher eine wun­der­ba­re No­vel­le hinterlassen.

Sa­ra­ma­go war ein äus­serst ele­gan­ter Spöt­ter, ein bril­lan­ter Iro­ni­ker und ein her­aus­ra­gen­der Er­zäh­ler. Al­les, was er an li­te­ra­ri­schen und in­tel­lek­tu­el­len Fä­hig­kei­ten be­sass, hat er noch ein­mal in „Die Rei­se des Ele­fan­ten“ ein­ge­bracht. Eine Ge­schich­te, die auf ei­ner his­to­ri­schen Be­ge­ben­heit ba­siert. Denn tat­säch­lich hat­te Mit­te des 16. Jahr­hun­derts Kö­nig Jo­hann von Por­tu­gal ei­nen an sei­nem Hofe le­ben­den Ele­fan­ten dem ös­ter­rei­chi­schen Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an zur Hoch­zeit ge­schenkt und auf die Rei­se durch Spa­ni­en, über das Mit­tel­meer, durch Ita­li­en und über die Al­pen nach Wien geschickt.

Menschliche Schwächen aufgezeigt

Der spa­ni­sche Schrift­stel­ler José Sa­ra­ma­go (1922-2010)

José Sa­ra­ma­go macht dar­aus eine gross­ar­ti­ge co­mé­die hu­maine. Denn ne­ben der aben­teu­er­li­chen Schil­de­rung die­ser Rei­se wer­den die Ei­tel­kei­ten und Schwä­chen der Men­schen, re­prä­sen­tiert durch das rie­si­ge Ge­fol­ge, das den Ele­fan­ten „stan­des­ge­mäss“ be­glei­tet oder ihm be­geg­net, auf­ge­zeigt – sei­en sie Kö­ni­ge, Mäch­ti­ge oder ein­fa­che Sol­da­ten. Oder Kirchenmänner.
An ih­nen und dem christ­li­chen Glau­ben so­wie sei­ner Über­lie­fe­rung wetzt Sa­ra­ma­go ge­nüss­lich sein li­te­ra­ri­sches „Mes­ser“ in Form von bril­lan­ten Sot­tis­sen und blas­phe­misch an­mu­ten­den Sen­ten­zen. So heisst es an ei­ner Stel­le: „Dar­in liegt je­doch der gros­se Irr­tum des Him­mels, da für ihn selbst nichts un­mög­lich ist, glaubt er, die an­geb­lich nach dem Vor­bild sei­nes all­mäch­ti­gen Be­woh­ners ge­schaf­fe­ne Men­schen ver­fü­gen über das­sel­be Prin­zip.“ Oder: „Fast sind wir ver­sucht wie die­ser an­de­re zu sa­gen, heu­te noch wirst du mit mir im Pa­ra­die­se sein.“ Das kann und wird nicht un­be­dingt je­dem ge­fal­len, aber hier geht es nicht um Glau­bens­be­kennt­nis­se, son­dern um Li­te­ra­tur. Kommt hin­zu: Die Ge­schich­te spielt in der Zeit der be­gin­nen­den Ge­gen­re­for­ma­ti­on. Lu­ther hat­te ge­ra­de den Stein in den et­was trü­ben Teich rö­misch-ka­tho­li­schen Ab­so­lut­heits­an­spruchs ge­wor­fen, for­mier­te sich mit In­qui­si­ti­on und dem Kon­zil von Tri­ent hef­ti­ger Widerstand.

Doppelte Bedeutungen voller Witz

Die wah­re Ge­schich­te ei­nes in­di­schen Ele­fan­ten auf der Rei­se von Lis­sa­bon nach Wien – li­te­ra­risch her­vor­ra­gend „in Sze­ne“ ge­setzt“ vom por­tu­gie­si­schen Li­te­ra­tur-No­bel­preis­trä­ger José Sa­ra­ma­go. Noch ein­mal hat der Alt-Kom­mu­nist und be­ken­nen­de Athe­ist sein gan­zes Kön­nen ge­zeigt: als bril­lan­ter Er­zäh­ler, als ele­gan­ter Spöt­ter und Ironiker.

Haupt­per­son der höchst ver­gnüg­li­chen Ge­schich­te, vom Au­tor ganz leicht und lo­cker er­zählt, ist der Ele­fan­ten­füh­rer Subh­ro, der als Ma­hut da­für sor­gen soll, dass das Tier mit dem Na­men Sa­lo­mon letzt­lich sein Ziel un­be­scha­det er­reicht. So sorgt er für die Be­dürf­nis­se des Tie­res auf der schwe­ren Rei­se, als da sind Un­men­gen von Fut­ter und Was­ser; für die „Ent­sor­gung“ eben­so gros­ser Men­gen von Ex­kre­men­ten – kurz: für das Wohl und Wehe des ihm an­ver­trau­ten Tie­res. Aus­ser­dem bringt Subh­ro, ein ge­bür­ti­ger In­der, ein Un­der­dog und ein klu­ger Mann, den es nach Por­tu­gal ver­schla­gen hat, sei­nem Ele­fan­ten auf Be­fehl bei, vor ei­ner Kir­che eine Knie­beu­ge zu ma­chen. Iro­ni­scher geht es nicht. Iro­nie ist es auch und letzt­lich Spott, wenn die Recht­gläu­bi­gen den Ele­fan­ten in „So­li­man“ und Subh­ro in „Fritz“ um­tau­fen. Der Dick­häu­ter je­den­falls nimmt’s ge­las­sen und sein Herr, Ma­hut Subh­ro, be­ob­ach­tet re­flek­tie­rend aus luf­ti­ger Höhe, vom Ele­fan­ten­rü­cken das aber­wit­zi­ge Treiben.
Das al­les hat dop­pel­te Be­deu­tung und steckt vol­ler Witz. Der Le­ser fin­det in die­sem Ro­man Ge­schich­te und Ge­schich­ten – und wird dank der Kunst des Au­tors herr­lich unterhalten. ♦

José Sa­ra­ma­go, Die Rei­se des Ele­fan­ten, Ro­man, 236 Sei­ten, Hoff­mann und Cam­pe Ver­lag, ISBN 978-3-455-40279-7

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin  auch über den Ro­man von Elif Shafak: Ehre

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