Musik-Psychologie: Chorgesang und kognitive Fähigkeiten

Chorsingen fördert emotionale und intellektuelle Kompetenzen

von Walter Eigenmann

Die po­si­ti­ven neu­ro­lo­gi­schen Ef­fek­te des Mu­si­zie­rens mit ei­nem In­stru­ment sind in der Ko­gni­ti­ons­wis­sen­schaft um­fang­reich un­ter­sucht und breit be­legt: Ak­ti­ves In­stru­men­tal­spiel kann die ko­gni­ti­ve Fle­xi­bi­li­tät ver­bes­sern, d.h. die Fä­hig­keit, den Fo­kus zwi­schen ver­schie­de­nen Denk­pro­zes­sen zu re­gu­lie­ren und zu wechseln.
Die ko­gni­ti­ven Vor­tei­le des Chor­sin­gens hin­ge­gen wur­den bis­her von der For­schung ver­nach­läs­sigt. Dies än­dert sich nun mit ei­ner Stu­die der Uni­ver­si­tät von Hel­sin­ki, die kürz­lich in der Zeit­schrift PLOS ONE ver­öf­fent­licht wur­de. Sie gibt kla­re Hin­wei­se dar­auf, dass der Chor­ge­sang ähn­li­che Vor­tei­le wie das Spie­len ei­nes In­stru­ments mit sich bringt.

Die Er­geb­nis­se der For­scher um die fin­ni­sche Psy­cho­lo­gin und The­ra­peu­tin Emmi Pen­ti­käi­nen zei­gen, dass ge­ra­de äl­te­re Sänger/innen eine bes­se­re ver­ba­le Fle­xi­bi­li­tät hat­ten als jene Teil­neh­mer der Kon­troll­grup­pe, die das Chor­sin­gen nicht als Hob­by hat­ten. Da­bei gilt als er­wie­sen, dass ver­ba­le Fle­xi­bi­li­tät auch eine bes­se­re ko­gni­ti­ve Fle­xi­bi­li­tät widerspiegelt.

Chorgesang - Singen im Verein - Dirigent mit Sängerinnen und Sängern - Chorkonzert auf der Bühne - Glarean MagazinDa­mit un­ter­stüt­zen die neu­en Er­kennt­nis­se aus Hel­sin­ki die entspr. frü­he­ren Er­geb­nis­se: „Chor­ge­sang hat ver­gleich­bar po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die ko­gni­ti­ven Funk­tio­nen zu­mal äl­te­rer Men­schen wie das In­stru­men­tal-Spiel. Und un­se­re entspr. Be­fun­de er­wei­tern un­ser Ver­ständ­nis dar­über, wie ver­schie­de­ne Ak­ti­vi­tä­ten auch im spä­te­ren Le­ben die Ko­gni­ti­on be­ein­flus­sen kön­nen“, meint Pentikäinen.

Stärkeres Sozialgefühl dank Chorsingen

Die Stu­die un­ter­such­te wei­ter den mög­li­chen Nut­zen des Chor­sin­gens für das emo­tio­na­le so­wie das so­zia­le Wohl­be­fin­den äl­te­rer Men­schen. Da­bei zeig­te die Aus­wer­tung entspr. Fra­ge­bö­gen, dass die­je­ni­gen, die über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum (mehr als 10 Jah­re) in ei­nem Chor ge­sun­gen hat­ten, ein grö­ße­res so­zia­les Zu­sam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl emp­fan­den als jene mit we­ni­ger oder über­haupt kei­ner Er­fah­rung im Chorsingen.

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In­ter­es­sant in die­sem Zu­sam­men­hang: Jene Stu­di­en­teil­neh­mer, die vor we­ni­ger als 10 Jah­ren mit dem Chor­sin­gen be­gon­nen hat­ten, wa­ren ins­ge­samt zu­frie­de­ner mit ih­rem Ge­sund­heits­zu­stand als die­je­ni­gen mit län­ge­rer Ge­sangs­er­fah­rung oder die­je­ni­gen, die nicht in ei­nem Chor san­gen. Pen­ti­käi­nen dazu: „Es ist mög­lich, dass die Men­schen, die spä­ter im Le­ben ei­nem Chor bei­getre­ten sind, da­durch die Mo­ti­va­ti­on ge­fun­den ha­ben, ihre Ge­sund­heit durch ei­nen ak­ti­ven und ge­sun­den Le­bens­stil zu er­hal­ten. An­de­rer­seits könn­ten sich die Be­zie­hun­gen und so­zia­len Netz­wer­ke, die durch die Chor­zu­ge­hö­rig­keit bei den­je­ni­gen, die län­ger da­bei wa­ren, als fes­ter Be­stand­teil ih­res Le­bens eta­bliert ha­ben; da­her auch das ver­stärk­te Ge­fühl der so­zia­len Zusammengehörigkeit.“

Chorgesang erfordert komplexe Informationsverarbeitung

Ein Gespann, das die Wissenschaft immer wieder beschäftigt: Die Musik und das Gehirn
Ein Ge­spann, das die Wis­sen­schaft im­mer wie­der be­schäf­tigt: Die Mu­sik und das Gehirn

Das Al­tern bringt Ver­än­de­run­gen der ko­gni­ti­ven Funk­tio­nen so­wie der phy­si­schen und so­zia­len Um­ge­bung des Ein­zel­nen mit sich, die sich alle auf sein Wohl­be­fin­den aus­wir­ken. Und da die Be­völ­ke­rung im­mer äl­ter wird, wird es im­mer wich­ti­ger, Wege zur Ver­bes­se­rung des Wohl­be­fin­dens und der Le­bens­qua­li­tät äl­te­rer Er­wach­se­ner zu fin­den. Laut Pen­ti­käi­nen bie­tet nun ge­ra­de der Chor­ge­sang eine gute Mög­lich­keit, das Wohl­be­fin­den äl­te­rer Men­schen zu un­ter­stüt­zen, da es fle­xi­ble exe­ku­ti­ve Funk­tio­nen und die Re­gu­lie­rung der Auf­merk­sam­keit erfordert:

Chor­sin­gen ist in der Pra­xis ein­fach und mit ge­rin­gem Auf­wand zu be­trei­ben. Es ist eine Ak­ti­vi­tät, die eine viel­sei­ti­ge In­for­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung er­for­dert, da sie die Ver­ar­bei­tung ver­schie­de­ner sen­so­ri­scher Rei­ze, die Mo­to­rik im Zu­sam­men­hang mit der Stimm­pro­duk­ti­on und -kon­trol­le, die sprach­li­che Leis­tung, das Er­ler­nen und Ein­prä­gen von Me­lo­dien und Tex­ten so­wie die Emo­tio­nen, die durch die ge­sun­ge­nen Stü­cke ge­weckt wer­den, kom­bi­niert“, hal­ten die For­scher fest. ♦

Le­sen Sie zum The­ma Mu­sik-Psy­cho­lo­gie auch über: Mu­sik und Ge­füh­le (Neu­ro­wis­sen­schaft­li­che Studie)

… so­wie zum The­ma Mu­sik und Al­ter: Hand­buch der Seniorenchor-Leitung


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