Serien-Report über Schachzeitschriften (4): SCHACH-AKTIV

Chronist des österreichischen Schachlebens

von Mario Ziegler

Schach-Ak­tiv, das ös­ter­rei­chi­sche Schach-Ma­ga­zin, wur­de 1979 von den bei­den Wie­nern Al­fred Ein­öder und Lo­thar Kar­rer ge­grün­det, mit dem An­spruch der ös­ter­rei­chi­schen Schach­be­we­gung zu die­nen. Be­reits 1981 hat der Ös­ter­rei­chi­sche Schach­bund die Rol­le des Her­aus­ge­bers über­nom­men. Seit­her ist “Schach Ak­tiv” das of­fi­zi­el­le Or­gan des ÖSB und lie­fert eine na­he­zu lü­cken­lo­se Chro­nik über das Schach­ge­sche­hen in un­se­rem Land.”

Mit die­sen Wor­ten cha­rak­te­ri­siert der Ös­ter­rei­chi­sche Schach­bund das von ihm seit fast 40 Jah­ren pu­bli­zier­te, mo­nat­lich er­schei­nen­de Ma­ga­zin auf sei­ner Ver­bands­home­page. Stän­di­ge Mit­ar­bei­ter sind IM Ge­org Dan­ner, GM An­dre­as Dier­mair, FM Hart­mut Metz, IM Gert Schni­der, Dr. Mar­tin Stichl­ber­ger und FM Ana­tol Vi­touch. “Schach Ak­tiv” er­scheint im For­mat A5, der Um­fang be­trägt etwa 60 Sei­ten pro Aus­ga­be. Die Fo­to­gra­phien sind durch­gän­gig far­big gedruckt.
Grund­la­ge der fol­gen­den Be­spre­chung bil­den die bei­den Aus­ga­ben 5 und 6/2020, die stark von den Co­ro­na-be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen und der Ver­la­ge­rung des Schach­spiels ins In­ter­net ge­prägt sind, auch wenn in Heft 5 noch Rück­bli­cke auf die letz­ten Tur­nie­re vor der lan­gen Nah-Schach-Pau­se ge­ge­ben werden.

Corona-Ausweg: Online-Turniere

Schach Aktiv Heft 5-2020 - Cover - Rezension Schachmagazine Glarean MagazinGe­ra­de­zu pro­gram­ma­tisch lei­tet ein Schrei­ben des ÖSB-Prä­si­den­ten Chris­ti­an Hurs­ky mit der Dar­stel­lung der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on und der Plä­ne für die Zu­kunft das Heft 5 ein (“Ein Vi­rus he­belt auch den Schach­all­tag aus”). Im wei­te­ren Ver­lauf bei­der Aus­ga­ben spie­len On­line-Tur­nie­re aus dem In- und Aus­land eine ge­wal­ti­ge Rol­le: Die 1. Ös­ter­rei­chi­sche In­ter­net-Schach­meis­ter­schaft, der Mäd­chen- und Frau­en­län­der­kampf Ös­ter­reich-Deutsch­land-Schweiz, ein Frau­en-Schnell­schach-Match zwi­schen Team Ös­ter­reich und ei­ner Mann­schaft aus in­ter­na­tio­na­len Ti­tel­trä­ge­rin­nen, aber auch On­line-Tur­nie­re un­ter Be­tei­li­gung der Welt­spit­ze: Der FIDE Na­ti­ons Cup, das Ma­gnus-Carlsen-In­vi­ta­tio­nal oder das Steinitz-Memorial.
Da­zwi­schen fin­det sich in der Ru­brik “Ju­gend­schach” ein Be­richt von Gert Schni­der über Trai­nings- und Spiel­mög­lich­kei­ten im In­ter­net und ein län­ge­res In­ter­view mit dem Schach­jour­na­lis­ten und In­ter­na­tio­na­len Meis­ter Ge­or­gi­os Sou­lei­dis mit dem Un­ter­ti­tel “You­Tube statt Schrei­ben über die Gro­ßen” – es fällt nicht schwer, den Schwer­punkt die­ses In­ter­views zu erahnen!

Vom Jugendschach zum Rösselsprung

Mit den letzt­ge­nann­ten Bei­trä­gen sind be­reits zwei der sich wie­der­ho­len­den Ru­bri­ken an­ge­spro­chen: “Ju­gend­schach” wid­met sich ver­schie­de­nen Aspek­ten, die im Spiel der jun­gen Schach­freun­de und mit ih­nen eine Rol­le spie­len. In Heft 6 sind dies “Lus­ti­ge Schach­va­ri­an­ten”, also “Hor­de”, “Ra­cing Kings”, “Atom­schach” und “Fress­schach”. In In­ter­views kom­men be­kann­te Per­sön­lich­kei­ten der Schach­welt zu Wort: Ne­ben dem er­wähn­ten Ge­or­gi­os Sou­lei­dis sind dies in den zu be­spre­chen­den Aus­ga­ben GM Bas­ka­ran Ad­hi­ban und der Vor­arl­ber­ger Funk­tio­när Al­bert Baumberger.

Arianne Caoili - Glarean Magazin
The­ma in “Schach-Ak­tiv”: Der tra­gi­sche Un­fall­tod von Ari­an­ne Cao­i­li (1986-2020), der aus­tra­li­schen Spit­zen­spie­le­rin und Ehe­frau von Gross­meis­ter Le­von Aronian

Eine sehr in­ter­es­san­te Ru­brik stellt “Der Rös­sel­sprung” des viel­sei­ti­gen Wie­ner Au­tors Ana­tol Vi­touch dar, der als Mit­be­grün­der der Künst­ler­ver­ei­ni­gung “Die Grup­pe” in ver­schie­de­nen li­te­ra­ri­schen Gen­res pu­bli­ziert hat. Hier wer­den The­men an­ge­spro­chen, die jen­seits der üb­li­chen Schach­be­richt­erstat­tung lie­gen: In 5/2020 ist dies – un­ter dem Ti­tel “Das fra­gi­le Glück” – ein sehr trau­ri­ger Sach­ver­halt, näm­lich der Tod der aus­tra­li­schen WIM Ari­an­ne Cao­i­li, Ehe­frau von Le­von Aro­ni­an, mit nur 33 Jah­ren in Fol­ge ei­nes Verkehrsunfalls.

Schach und Fussball

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In 6/2020 (“Schach, Fuß­ball und die Ewig­keit”) geht es um das deut­lich er­freu­li­che­re The­ma der neu­er­dings durch Ch­ess­Ba­se “live” über­tra­ge­nen his­to­ri­schen Par­tien aus be­rühm­ten Tur­nie­ren der Schach­ge­schich­te. Die­se in­ter­es­san­te Idee kam wäh­rend des Co­ro­na-be­ding­ten Sto­ckens des ak­tu­el­len Spiel­be­triebs auf und wur­de von vie­len schach­his­to­risch In­ter­es­sier­ten sehr po­si­tiv auf­ge­nom­men, so auch von Vi­touch, der fol­gen­den be­mer­kens­wer­ten Ver­gleich zieht: “Fuß­ball ist, wie viel­leicht Sport an sich, rei­ne Ge­gen­wart, und nur als sol­che er­leb- und ge­nieß­bar; sich ein Fuß­ball­spiel nicht live an­zu­se­hen, hat des­halb ei­gent­lich ein­zig und al­lein dann Sinn, wenn man das Er­geb­nis noch nicht kennt. Schach da­ge­gen ge­hört wie die Kunst der Ewig­keit und nicht dem Au­gen­blick. Zwar wird Schach als Sport be­trie­ben, und für die­je­ni­gen, die sich un­ter Zeit­druck mit­ten in ei­ner wich­ti­gen Par­tie be­fin­den, ist es in die­sem Mo­ment nichts als Sport. Aber das We­sen des Schach­spiels ist, wie das des Kunst­werks, der Welt entrückt.”

Weder Elos noch Computer: Progressivschach

Noch eine wei­te­re Ru­brik ist mir be­son­ders auf­ge­fal­len. In “Stichls Stol­per­stei­ne” ent­führt uns der Au­tor Mar­tin Stichl­ber­ger, des­sen Home­page üb­ri­gens eben­falls zum Schmö­kern ein­lädt, in die Welt des Pro­gres­siv­schachs und stellt dem Le­ser Auf­ga­ben, “wo we­der Elos noch Com­pu­ter nüt­zen”, wie der Un­ter­ti­tel sei­ner Ko­lum­ne lautet.

Schach-Humorist Martin Stichlberger - Probeseite Schach-Aktiv Oesterreich - Glarean Magazin
Le­se­pro­be von “Stichls Stol­per­stei­ne des Hu­mo­ris­ten und au­tors Mar­tin Stichlberger

Ne­ben die­sen au­ßer­ge­wöhn­li­chen Be­stand­tei­len weist “Schach Ak­tiv” na­tür­lich auch In­hal­te auf, ohne die ein Schach­ma­ga­zin kaum aus­kommt: Be­rich­te über ak­tu­el­le Schach­ereig­nis­se samt um­fang­rei­chen Par­tie­ana­ly­sen durch ös­ter­rei­chi­sche Spit­zen­spie­ler (in den an­ge­zeig­ten Aus­ga­ben sind dies ne­ben den be­reits ge­nann­ten On­line-Tur­nie­ren die be­en­de­te Sai­son der ös­ter­rei­chi­schen Li­gen, das Kan­di­da­ten­tur­nier in Je­ka­te­rin­burg und das Ac­cen­tus Young Mas­ters in Bad Ra­gaz), Kom­bi­na­tio­nen zum Sel­ber­lö­sen, die Trai­nings­ru­brik “End­spiel­bau­stei­ne” mit den The­men “Zwei ge­gen ei­nen” im Bau­ern­end­spiel und “Läu­fer-Sprin­ger”, “In­ter­na­tio­na­le News”, Schach­pro­ble­me, Fern­schach, Re­zen­sio­nen und ein Turnierkalender.
Im Teil “Aus den Bun­des­län­dern” wird das Ma­ga­zin sei­nem An­spruch ge­recht, mög­lichst um­fas­send über das Schach­le­ben in Ös­ter­reich zu be­rich­ten. Hier wer­den Tur­nie­re und Li­ga­be­trieb aus den ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern zu­sam­men­ge­fasst, was in etwa den re­gio­na­len Be­rich­ten aus den deut­schen Bun­des­län­dern in der “Ro­cha­de Eu­ro­pa” entspricht.

Schach mit Alpha-Zero & Co.

David Silver - Entwickler von Alpha-Zero - Deep Mind - Künstliche Schach-Intelligenz - Glarean Magazin
The­ma in “Schach-Ak­tiv”: Da­vid Sil­ver, Chef-Ent­wick­ler der AI-Schach­soft­ware Al­pha-Zero von Deep Mind (Goog­le)

Zu­letzt sei­en Ar­ti­kel ge­nannt, die aus ak­tu­el­lem An­lass ver­fasst wur­den. Der Hype um Al­pha­Ze­ro scheint in den letz­ten Wo­chen et­was ab­zu­flau­en, den­noch recht­fer­tigt die­ses viel­leicht stärks­te Schach­pro­gramm der Welt na­tür­lich je­der­zeit eine tie­fer­ge­hen­de Be­schäf­ti­gung. Im Ar­ti­kel “Wie Al­pha­Ze­ro spielt” wid­met sich Va­le­ri Beim die­ser Soft­ware, ana­ly­siert um­fäng­lich eine Par­tie ge­gen Stock­fi­sh 8 und kommt zu dem Ergebnis:
“Al­pha­Ze­ro zeig­te mit sei­nen Sie­gen, die vor­wie­gend durch ex­trem en­er­ge­ti­sche Of­fen­siv­ak­tio­nen ein­ge­spielt wur­den, der Schach­welt über­zeu­gend, dass der An­teil der Dy­na­mik im Schach als hö­her an­ge­se­hen wer­den kann als bis vor kur­zem. Und die Schach­welt nahm die­se Kern­bot­schaft ger­ne an.”
Ein wei­te­res Tref­fen zwi­schen den er­wähn­ten Pro­gram­men wird im Ar­ti­kel “Hol­län­di­sche Phan­ta­sie” ana­ly­siert, wo die Le­nin­gra­der Va­ri­an­te zur Dis­kus­si­on stand (da­her die Überschrift).
Ein ganz an­de­res Er­eig­nis, das die Schach­welt aber sei­ner­zeit eben­so be­weg­te wie heu­te die Er­fol­ge von Al­pha­Ze­ro, war der Ti­tel­ge­winn des jun­gen “Schach­zau­be­rers” Mi­chail Tal vor 60 Jah­ren. Ein gleich­na­mi­ger Ar­ti­kel in “Schach Ak­tiv” wid­met sich die­sem Er­eig­nis und geht zu­gleich auf Tals “Hass­lie­be” zur Fran­zö­si­schen Ver­tei­di­gung ein.

Material auf hohem Niveau

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Zu­sam­men­ge­fasst: “Schach Ak­tiv” bie­tet ne­ben all den In­hal­ten, die man bei ei­ner zeit­ge­mäs­sen Schach­zeit­schrift er­war­ten kann, ei­ni­ges Über­ra­schen­des. Die Ru­bri­ken “Ju­gend­schach” mit den be­spro­che­nen Schach­va­ri­an­ten, “Stichls Stol­per­stei­ne” und “Der Rös­sel­sprung” bli­cken über den Tel­ler­rand ei­ner Be­richt­erstat­tung über ak­tu­el­le Schach­ereig­nis­se hin­aus. Man kann sol­che Ex­kur­se mö­gen oder auch nicht, aber es führt den Le­ser in je­dem Fall zu Aspek­ten des Schachs, die ori­gi­nell sind und zum Nach­den­ken anregen.
Für den Freund an­spruchs­vol­ler Ana­ly­sen bie­tet “Schach Ak­tiv” et­li­ches Ma­te­ri­al auf ho­hem Ni­veau. Be­son­ders ge­fal­len ha­ben mir in die­sem Zu­sam­men­hang die aus­führ­li­chen Kom­men­ta­re der ös­ter­rei­chi­schen Num­mer Eins GM Mar­kus Ragger.
Da ins­ge­samt ein brei­tes Spek­trum an In­hal­ten ge­bo­ten wird, wer­den vie­le Le­ser mit un­ter­schied­li­chen In­ter­es­sen be­dient. Dass da­bei im Ein­zel­fall auch The­men vor­kom­men, für die man sich we­ni­ger in­ter­es­siert, ist un­aus­weich­lich und an­ge­sichts des sehr ab­wechs­lungs­rei­chen In­halts gut zu verschmerzen. ♦

Zeit­schrift Schach Ak­tiv (Ver­bands­or­gan des Ös­ter­rei­chi­schen Schach­bun­des), er­scheint monatlich

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