Julian Voloj & Sören Mosdal: Basquiat (Graphic Novel)

Wer bin ich – Ich bin wer“

von Isabelle Klein

Er­ra­tisch, li­ne­ar, frag­men­ta­risch, geis­ter- und dä­mo­nen­froh: Mit „Bas­qui­at“ ist dem Duo Ju­li­an Vo­loj (Tex­te) & Sö­ren Mos­dal (Zeich­nun­gen) eine weit­ge­hend ein­drück­li­che Gra­phic No­vel ge­lun­gen, die pas­send zum Le­ben von Jean-Mi­chel Bas­qui­at star­ke Schlag­lich­ter, Zer­run­gen und Ver­wir­run­gen auf­greift, um so dem Le­ser die­sen kul­ti­schen, viel zu früh an Dro­gen ver­stor­be­nen schwar­zen Pop-Künst­ler na­he­zu­brin­gen. Dies zu ei­nem Zeit­punkt, da die Ras­sis­mus-De­bat­te bri­san­ter und trau­ri­ger denn je ist…

Basquiat - Julian Voloj & Sören Mosdal - Graphic Novel - Carlsen VerlagZu­nächst lässt sich die Ge­schich­te sehr ver­ständ­lich an, ge­schickt auf­ge­baut durch Vor­weg­nah­me des En­des. Auf ei­ner rea­len Ebe­ne wird re­tro­spek­tiv das Le­ben des jun­gen Bas­qui­at in den wich­tigs­ten Sta­tio­nen ab­ge­klap­pert. Dass der in­ne­re Blick durch das Äus­se­re nicht ge­trübt wird, da­für sorgt der in­ne­re Mo­no­log mit Bas­qui­ats le­bens­lan­gen Dä­mo­nen, vi­su­ell dar­ge­stellt durch wohl ei­nes sei­ner prä­gnan­tes­ten Bilder.

Anstrengende Bruchstücke

Jean-Michel Basquiat - Kunst und Literatur - Graphic Novel - Rezensionen Glarean Magazin
Bas­qui­at-Kunst hat in­zwi­schen Millionen-Wert

Doch was zu­nächst gut funk­tio­niert und den Le­ser zu fes­seln ver­mag, wird durch die­se bruch­stück­haf­te Kürze/Versatzhaftigkeit schnell an­stren­gend. Wenn eine Frau der an­de­ren die Klin­ke in die Hand gibt und man rät­selt, ob die Blon­de hin­ter dem Tre­sen, mit der er nun zu­sam­men­zie­hen will, jene ist, die sein Kind nicht will…
Ab­hil­fe schafft zwar das Glos­sar, das der No­vel zum Schluss an­ge­hängt ist! Doch manch­mal ist we­ni­ger mehr, und viel hin­ten hilft nicht un­be­dingt viel vor­ne, sa­lopp gesagt!
In­so­fern ist die Lek­tü­re zwar kurz­wei­lig, aber an­stren­gend. Zu­gleich hält sich der Mehr­wert, wenn man z.B. eine tie­fer­grei­fen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Schaf­fen, dem Kunst­ver­ständ­nis Bas­qui­ats oder auch mit der Pop­kul­tur er­war­tet, in Gren­zen. Psy­cho­lo­gisch zwar durch­aus aus­ge­feilt und er­zäh­le­risch ge­schickt kon­stru­iert, zeigt der Auf­bau ab der Mit­te Schwächen.

Big Apple in den 1980ern

Jean-Michel Basquiat (1960-1988)
Jean-Mi­chel Bas­qui­at (1960-1988)

Zeich­ne­risch – zu­min­dest für je­man­den, der Wert auf kla­re Li­ni­en­füh­rung und zeich­ne­ri­sches De­tail legt und da­bei um­fas­sen­de­re Gra­phic No­vels be­vor­zugt – ist „Bas­qui­at“ eher schwie­rig zu be­ur­tei­len. Si­cher­lich passt das Knal­li­ge, auch das Düs­te­re, die Farb­ge­bung ins­ge­samt gut zum Big Ap­ple der 1980er, zum Le­bens­ge­fühl der Pop­kul­tur. Und bringt zu­dem Bas­qui­ats le­bens­lan­ge Zer­ris­sen­heit, sei­ne Su­che nach sich selbst, an­ge­fan­gen mit sei­nem dys­funk­tio­na­len El­tern­haus, tref­fend auf den Punkt.
Trotz­dem ist der Stil Sö­ren Mos­dals recht re­du­ziert und auf die Dau­er von 131 Sei­ten zu frat­zen­haft. Gra­phisch wäre mehr mehr ge­we­sen, aber über Ge­schmack lässt sich be­kann­ter­mas­sen treff­lich strei­ten. Zu ru­di­men­tär und ata­vis­tisch, ist man ver­sucht, es auf zwei Ad­jek­ti­ve herunterzubrechen.

Ein Leben auf der Überholspur

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Den­noch hin­ter­lässt Vo­lo­js Ge­schich­te um Bas­qui­ats wech­sel­haf­tes Le­ben auf der Über­hol­spur, nicht zu­letzt durch Mos­dals er­ra­ti­sche Dar­stel­lung, ei­nen ge­wis­sen Nach­hall, der so­wohl bei Bas­qui­at-Ken­nern als auch bei sol­chen, die es even­tu­ell wer­den wol­len, ei­nen blei­ben­den Ein­druck. Viel Herz­blut steckt in die­sem Werk, wie auch das Nach­wort son­nen­klar be­stä­tigt. Und wie die „Black Li­ves Matter“-Bewegung und die ak­tu­el­len Ge­scheh­nis­se in den USA seit dem Som­mer die­ses Jah­res zei­gen: An der Rea­li­tät afro­ame­ri­ka­ni­scher Men­schen hat sich seit dem sinn­lo­sen Tod Mi­cha­el Ste­warts in­fol­ge po­li­zei­li­cher Bru­ta­li­tät, die (na­tür­lich) auch Ein­gang in Bas­qui­ats Oeu­vre ge­fun­den hat, we­nig geändert.

Bas­qui­ats kur­zes, aber in­ten­si­ves Le­ben in eine klein­for­ma­ti­ge, „nur“ 136 Sei­ten lan­ge Gra­phic No­vel zu ban­nen war si­cher­lich eine Her­aus­for­de­rung, die al­ler­dings Tex­ter Ju­li­an Vo­loj – ver­bun­den mit ei­nem star­ken In­ter­es­se an dem Künst­ler – gut ge­meis­tert hat. Al­les, was er im Nach­wort schil­dert, zeigt sich in den No­ti­zen, die wäh­rend mei­ner Lek­tü­re ent­stan­den sind. In­so­fern: Ge­lun­ge­ner Co­mic – mit der Ein­schrän­kung, dass sich eine sol­che Lek­tü­re auch ohne dau­er­haf­tes Blät­tern im Glos­sar (zu­min­dest für den in­ter­es­sier­ten Lai­en, der viel­leicht nicht viel über Bas­qui­at weiss) be­wäl­ti­gen las­sen sollte. ♦

Ju­li­an Vo­loj, Sö­ren Mos­dal: Bas­qui­at – Gra­phic No­vel, Carlsen Ver­lag, 136 Sei­ten, ISBN  978-355176046

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Gra­phic No­vel auch über Ber­thet & Rau­le: Dein Tod – Mein Kunstwerk

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