Cyrus Lakdawala: Winning Ugly in Chess (Schach)

Herausragende Schach-Kommentierung

von Thomas Binder

Wenn sich vor­treff­li­che Fä­hig­kei­ten so­wohl als Schach­trai­ner wie als Au­tor po­si­tiv er­gän­zen, ist das für den Le­ser der so ent­stan­de­nen Bü­cher ein Glücks­fall. Ein sol­cher Glücks­fall ist der ame­ri­ka­ni­sche Schach-IM Cy­rus Lak­da­wa­la für uns Schach­buch-Kon­su­men­ten. Als neu­es­tes Werk aus sei­ner Fe­der liegt nun „Win­ning ugly in ch­ess“ vor.
Der Un­ter­ti­tel „Play­ing bad­ly is no ex­cu­se for lo­sing“ und auch der Satz aus dem Klap­pen­text „The next time the wrong play­er wins, you will be that play­er!” we­cken da­bei al­ler­dings eine Er­war­tung, die man nicht zu wört­lich neh­men sollte.

Ressourcen in nachteiligen Stellungen

Cyrus Lakdawala - Winning ugly in Chess - New In Chess - Cover - Glarean MagazinEs geht hier na­tür­lich nicht um schmut­zi­ge Tricks. Wir ler­nen viel­mehr, dass auch in nach­tei­li­gen Stel­lun­gen oft noch Res­sour­cen schlum­mern, mit de­nen man dem Spiel eine un­er­war­te­te Wen­de ge­ben kann. Auch für die Ge­gen­sei­te gibt es hilf­rei­che Tipps, wie man den ver­dien­ten Sieg ab­si­chert und sich ge­gen un­lieb­sa­me Über­ra­schun­gen wappnet.
Lak­da­wa­la prä­sen­tiert uns 67 Par­tien von Klas­si­kern bis zum Jahr 2018 ein­schliess­lich ei­nes Aus­blicks in die Al­pha-Zero-Ära. Das Spek­trum der Spiel­stär­ke reicht von den Welt­meis­tern bis zu Lak­da­wa­las Schü­lern im Be­reich um Elo 2000. Da­bei ha­ben die Par­tien ge­mein, dass der Vor­teil oft mehr­fach hin und her wechselt.Der Kampf wird im­mer aus Sicht bei­der Par­tei­en be­leuch­tet – eben kei­ne aus­ge­such­ten Mus­ter­par­tien, son­dern Schach aus dem rich­ti­gen Leben.

Rekordpartie Nikolic-Arsovic 1989

Her­vor­he­ben möch­te ich die Re­kord­par­tie Ni­ko­lic-Ar­so­vic von 1989, mit 269 Zü­gen die längs­te Tur­nier­par­tie der Ge­schich­te. Sie wird ja oft nur als Ku­rio­si­tät ver­merkt, hier aber se­ri­ös ana­ly­siert. Al­ler­dings tut der Au­tor den Spie­lern Un­recht, wenn er ih­nen mehr­fach vor­wirft, die 50-Züge-Re­gel nicht in An­spruch ge­nom­men zu ha­ben. Die­se war ge­ra­de zu je­ner Zeit und für die­sen End­spiel­typ aus­ser Kraft gesetzt.
(Wir brin­gen nach­fol­gend die ge­sam­te Par­tie, ver­se­hen mit der au­to­ma­ti­schen Kom­men­tie­rung durch Stock­fi­sh, ei­nes der füh­ren­den ak­tu­el­len Schach­pro­gram­me; für jene die sich das Buch zu­le­gen, wäre es reiz­voll, Lakdawala’s Kom­men­ta­re mit je­nen des Com­pu­ters zu vergleichen):

67 Partien auf 330 Seiten

67 Par­tien auf ca. 330 Sei­ten – wir be­kom­men also je­weils aus­führ­li­che Kom­men­ta­re ge­bo­ten. Da­bei legt Lak­da­wa­la den Schwer­punkt auf Er­klä­run­gen in Text­form. Va­ri­an­ten un­ter­mau­ern le­dig­lich das Ge­sag­te, sind da­bei im­mer über­schau­bar und nach­voll­zieh­bar. Das zwei­spal­ti­ge Lay­out wirkt har­mo­nisch und er­leich­tert die Lektüre.

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Ne­ben dem rei­nen Kom­men­tar sind in je­der Par­tie drei wei­te­re Stil­mit­tel zu fin­den, die den er­fah­re­nen Trai­ner er­ken­nen lassen:

  • Mo­ments of Con­tem­pla­ti­on: Hier wird die Stel­lung an kri­ti­schen Wen­de­punk­ten be­trach­tet, wer­den die Plä­ne bei­der Sei­ten vor­ge­stellt. Auch der Le­ser soll­te sich die­sen Mo­ment der Be­sin­nung nehmen.
  • Exer­ci­s­es: Hier wer­den wir di­rekt auf­ge­for­dert, uns für eine Fort­set­zung (nicht un­be­dingt nur den nächs­ten Zug, son­dern oft ei­nen wei­ter­füh­ren­den Plan) zu ent­schei­den. Klei­ner Kri­tik­punkt an die­ser Stel­le: Da die Par­tie­fort­set­zung un­mit­tel­bar in der No­ta­ti­on folgt und per Zei­chen­set­zung be­wer­tet wird, kann man kaum ver­mei­den, sie be­reits im Blick zu haben.
  • Prin­ci­ples: An pas­sen­den Stel­len ruft der Trai­ner die be­kann­ten Prin­zi­pi­en in Er­in­ne­rung, wie z.B. „Öff­ne das Spiel, wenn du Ent­wick­lungs­vor­sprung hast.“

Breites Leistungsspektrum

In Sum­me be­kom­men wir her­aus­ra­gend kom­men­tier­te und für Schach­spie­ler in ei­nem brei­ten Leis­tungs­spek­trum lehr­rei­che Par­tien. Vom fort­ge­schrit­te­nen Ver­eins­spie­ler (Ni­veau um 2000) bis zum am­bi­tio­nier­ten 1500er wird nie­mand das Buch ent­täuscht aus der Hand le­gen. Die fol­gen­de Le­se­pro­be ver­deut­licht die­se Einschätzung:

Cyrus Lakdawala - Winning ugly in Chess - New In Chess - Leseprobe - Glarean Magazin
Le­se­pro­be aus Cy­rus Lak­da­wa­la: Win­ning ugly in Chess

Einzigartiger Plauderton

FAZIT: Für die neue Schach-Mo­no­gra­phie von Cy­rus Lak­da­wa­la: Win­ning ugly in ch­ess darf man eine un­ein­ge­schränk­te Kauf­emp­feh­lung aus­spre­chen. Die Qua­li­tä­ten von Lak­da­wa­la so­wohl als Trai­ner als auch als Au­tor er­gän­zen sich her­vor­ra­gend. Und Lak­da­wa­las Kom­men­ta­re ge­hen weit über das rein Schach­li­che hin­aus. Im­mer wie­der nimmt er An­lei­hen im All­tag, in der Li­te­ra­tur oder beim Film. Die­ser Plau­der­ton sucht in der Schach­li­te­ra­tur sei­nes­glei­chen und ver­leiht die­sen 67 aus­führ­lich und lehr­reich kom­men­tier­ten Par­tien ei­nen zu­sätz­li­chen Reiz. Präch­ti­ge Schach-Unterhaltung!

Vom Trai­ner zum Au­tor Lak­da­wa­la: Er re­det mit uns in ei­nem Plau­der­ton, der in der Schach­li­te­ra­tur sei­nes­glei­chen sucht. Nicht al­les, was er schreibt ist „po­li­ti­cal cor­rect“ – so kommt auch ein gut Stück Per­sön­lich­keit her­über. Man wähnt in Lak­da­wa­la bald ei­nen gu­ten Freund, den man schon lan­ge kennt. Dass der Au­tor al­ler­dings bei ei­ner ei­ge­nen(!) Par­tie die dem Na­men nach of­fen­sicht­lich weib­li­che Geg­ne­rin kon­se­quent als „he“ adres­siert, ist ge­wiss nur ein Ver­se­hen. Das Phä­no­men, den Geg­ner im­mer mit „er“ zu be­schrei­ben, auch wenn es sich um eine Frau han­del­te, hat der Re­zen­sent auch selbst schon bei vie­len Schach­freun­den – selbst bei Kin­dern – bemerkt.
Lak­da­wa­las Kom­men­ta­re ge­hen weit über das rein Schach­li­che hin­aus. Im­mer wie­der nimmt er An­lei­hen im All­tag, in der Li­te­ra­tur oder beim Film. Dass da der mit­tel­eu­ro­päi­sche Le­ser an ei­ni­gen Stel­len die Be­zü­ge nicht ganz auf­lö­sen kann, ist dem Au­tor na­tür­lich nicht vorzuwerfen.

Unterhaltsam und lehrreich

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Das Buch liegt ge­gen­wär­tig nur im eng­li­schen Ori­gi­nal vor. Wer mit fremd­spra­chi­gen Schach­bü­chern oder In­ter­net-Quel­len ver­traut ist, wird kein Pro­blem da­mit ha­ben. Al­ler­dings braucht es für das rest­lo­se Ver­ste­hen des gan­zen Tex­tes – ein­schliess­lich al­ler ge­dank­li­chen Ab­schwei­fun­gen – doch et­was mehr Sprach­kom­pe­tenz, als bei eng­lisch­spra­chi­gen Schach­bü­chern sonst. Dem rein schach­li­chen Er­kennt­nis­ge­winn tut es je­doch kei­nen Ab­bruch, wenn man hier oder da sprach­lich ab­ge­hängt wird.
Nach dem Le­sen des Bu­ches fühlt sich der Re­zen­sent präch­tig un­ter­hal­ten und glaubt so­gar, dass er et­was ge­lernt hat. Wenn ich also das nächs­te Mal eine Schach­par­tie ge­win­ne, dann viel­leicht ge­ra­de des­halb, weil nicht „the wrong play­er wins“.
Lak­da­wa­la kün­dig­te jüngst in ei­nem In­ter­view der Zeit­schrift SCHACH wei­te­re Buch­pro­jek­te an. Span­nung und Vor­freu­de der Le­ser­schaft sind ihm gewiss. ♦

Cy­rus Lak­da­wa­la: Win­ning Ugly in Ch­ess, 336 Sei­ten, Ver­lag New In Ch­ess, ISBN 978-90-5691-828-6

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Schach-Trai­ning auch über Fran­co Za­ni­not­ti: Aus Feh­lern lernen

… so­wie zum The­ma Schach-Kom­men­ta­re über Sieg­bert Tar­rasch: Das Schachspiel

 


English Translation

Outstanding Chess Comments

by Tho­mas Binder

If ex­cel­lent skills com­ple­ment each other po­si­tively both as a ch­ess trai­ner and as an aut­hor, this is a stro­ke of luck for the rea­der of the books thus crea­ted. Such a stro­ke of luck is the Ame­ri­can ch­ess IM Cy­rus Lak­da­wa­la for us ch­ess book con­su­mers. The la­test work from his pen is „Win­ning ugly in chess“.
The sub­tit­le „Play­ing bad­ly is no ex­cu­se for lo­sing“ and the sen­tence from the blurb „The next time the wrong play­er wins, you will be that player!

Resources in disadvantageous positions

Of cour­se, this isn’t about dir­ty tricks. Ra­ther, we learn that even in di­s­ad­van­ta­ge­ous po­si­ti­ons, the­re are of­ten re­sour­ces that can be used to give the game an un­ex­pec­ted turn. The­re are also hel­pful tips for the other side on how to se­cu­re your de­ser­ved vic­to­ry and arm yours­elf against un­p­lea­sant surprises.
Lak­da­wa­la pres­ents 67 games of clas­sics th­rough 2018, in­clu­ding a glim­pse into the Al­pha Zero era. The ran­ge of the play­ing strength re­a­ches from the world cham­pi­ons to Lakdawala’s stu­dents in the area around Elo 2000. The games have in com­mon that the ad­van­ta­ge of­ten ch­an­ges back and forth se­ve­ral times. The fight is al­ways il­lu­mi­na­ted from the point of view of both par­ties – no sel­ec­ted sam­ple games, but ch­ess from real life.

Record game Nikolic-Arsovic 1989

I would like to high­light the re­cord game Ni­ko­lic-Ar­so­vic from 1989, with 269 mo­ves the lon­gest tour­na­ment game in histo­ry. It is of­ten only no­ted as a cu­rio­si­ty, but here it is ana­ly­sed se­rious­ly. Ho­we­ver, the aut­hor does the play­ers wrong by re­pea­ted­ly ac­cu­sing them of not ha­ving made use of the 50-move rule. This rule was sus­pen­ded at that time and for this type of endgame.
(We bring be­low the who­le game, pro­vi­ded with the au­to­ma­tic com­ment by Stock­fi­sh, one of the lea­ding cur­rent ch­ess pro­grams; for tho­se who buy the book, it would be ap­pe­al­ing to compa­re Lakdawala’s comm­ents with tho­se of the computer):

(See PGN game above)

67 games on 330 pages

67 games on ap­prox. 330 pa­ges – so we al­ways get de­tail­ed comm­ents. Lak­da­wa­la fo­cu­ses on ex­pl­ana­ti­ons in text form. Va­ri­ants only sup­port what has been said and are al­ways clear and com­pre­hen­si­ble. The two-co­lumn lay­out is har­mo­nious and makes re­a­ding easier.

Bes­i­de the pure com­men­ta­ry the­re are th­ree fur­ther sty­li­stic de­vices in each game, which let the ex­pe­ri­en­ced trai­ner recognize:

Mo­ments of Con­tem­pla­ti­on: Here the po­si­ti­on at cri­ti­cal tur­ning points is ex­ami­ned and the plans of both si­des are pre­sen­ted. The rea­der should also take this mo­ment of reflection.
Exer­ci­s­es: Here we are di­rect­ly as­ked to de­ci­de for a con­ti­nua­tion (not ne­ces­s­a­ri­ly only the next move, but of­ten a fur­ther plan). A small point of cri­ti­cism at this point: Sin­ce the con­ti­nua­tion of the game fol­lows im­me­dia­te­ly in the no­ta­ti­on and is eva­lua­ted by punc­tua­ti­on, one can hard­ly avo­id ha­ving it al­re­a­dy in view.
Prin­ci­ples: In ap­pro­pria­te places, the trai­ner re­calls the fa­mi­li­ar prin­ci­ples, such as „Open the game if you have a head start in development“.

Wide range of services

All in all, we get out­stan­din­gly com­men­ted and in­s­truc­ti­ve games for ch­ess play­ers in a wide per­for­mance spec­trum. From the ad­van­ced club play­er (le­vel around 2000) to the am­bi­tious 1500 play­er no­bo­dy will put the book di­s­ap­poin­ted out of hand. The fol­lo­wing sam­ple il­lus­tra­tes this assessment:

Unique chat tone

From trai­ner to aut­hor Lak­da­wa­la: He talks to us in a chat­ty tone that has no equal in ch­ess li­te­ra­tu­re. Not ever­y­thing he wri­tes is „po­li­ti­cal­ly cor­rect“ – this is how a good pie­ce of per­so­na­li­ty co­mes across. In Lak­da­wa­la you soon think of a good fri­end you’ve known for a long time. But the fact that the aut­hor con­sis­t­ent­ly ad­dres­ses his ob­vious­ly fe­ma­le op­po­nent as „he“ in his own (!) game is cer­tain­ly only an over­sight. The phe­no­me­non of al­ways de­scrib­ing the op­po­nent with „he“, even if it was a wo­man, has al­re­a­dy been no­ti­ced by the re­view­er hims­elf with many ch­ess fri­ends – even with children.
Lakdawala’s comm­ents go far bey­ond the pure ch­ess. Again and again he bor­rows from ever­y­day life, li­te­ra­tu­re or film. The fact that the Cen­tral Eu­ro­pean rea­der can­not com­ple­te­ly dis­sol­ve the re­fe­ren­ces in some places is of cour­se not to be re­proa­ched to the author.

Entertaining and instructive

The book is curr­ent­ly only available in the Eng­lish ori­gi­nal. Who is fa­mi­li­ar with for­eign ch­ess books or In­ter­net sources will have no pro­blem with it. Ho­we­ver, for the com­ple­te un­der­stan­ding of the who­le text – in­clu­ding all men­tal dig­res­si­ons – a litt­le more lan­guage com­pe­tence is nee­ded than with Eng­lish ch­ess books other­wi­se. The pu­rely ch­ess know­ledge gain, ho­we­ver, is not af­fec­ted by be­ing lost here and the­re linguistically.
Af­ter re­a­ding the book the re­view­er feels sple­ndid­ly en­ter­tai­ned and even be­lie­ves that he has lear­ned so­me­thing. So the next time I win a game of ch­ess, may­be it’s pre­cis­e­ly be­cau­se „the wrong play­er wins“.
Lak­da­wa­la re­cent­ly an­noun­ced fur­ther book pro­jects in an in­ter­view with the ma­ga­zi­ne SCHACH. He is sure of the ex­ci­te­ment and an­ti­ci­pa­ti­on of the readership. ♦

Cy­rus Lak­da­wa­la: Win­ning Ugly in Ch­ess, 336 pa­ges, Ver­lag New In Ch­ess, ISBN 978-90-5691-828-6

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