Musik-Wissenschaft: Verborgene Audio-Kommunikation

Unhörbare Informationen – versteckt in Musik

von Walter Eigenmann

Je­der kennt das Info-Band im Au­to­ra­dio, wenn Mu­sik ge­spielt wird; es ent­hält div. An­ga­ben zum Ti­tel oder In­ter­pre­ten des betr. Songs. Zwei For­scher an der ETH Zü­rich, näm­lich die Dok­to­ran­den Ma­nu­el Ei­chel­ber­ger und Si­mon Tan­ner gin­gen nun noch ei­nen Schritt wei­ter: In Ex­pe­ri­men­ten ge­lang es ih­nen, Da­ten di­rekt in der Mu­sik sel­ber zu spei­chern: Ver­bor­ge­ne Au­dio-Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ein prak­ti­sches Bei­spiel für die An­wen­dung: Hin­ter­grund­mu­sik könn­te z.B. die Zu­gangs­da­ten für das lo­ka­le Wi-Fi-Netz­werk ent­hal­ten, die das ein­ge­bau­te Mi­kro­fon ei­nes Mo­bil­te­le­fons emp­fan­gen kann. “Das wäre in ei­nem Ho­tel­zim­mer prak­tisch”, sagt Tan­ner, “da die Gäs­te Zu­gang zum Ho­tel-Wi-Fi er­hal­ten wür­den, ohne ein Pass­wort auf ih­rem Ge­rät ein­ge­ben zu müssen.”

Schallwellen - Frequenzbereich - Musik-Töne - Glarean MagazinUm sol­che Da­ten zu spei­chern, neh­men die bei­den Wis­sen­schaft­ler und ihr Kol­le­ge, der Mas­ter-Stu­dent Ga­bri­el Voi­rol, mi­ni­ma­le Än­de­run­gen an der Mu­sik vor. Im Ge­gen­satz zu den Ver­su­chen an­de­rer Wis­sen­schaft­ler in den letz­ten Jah­ren be­haup­ten die drei For­scher, dass ihr neu­er An­satz hö­he­re Da­ten­über­tra­gungs­ra­ten ohne hör­ba­re Aus­wir­kun­gen auf die Mu­sik er­mög­licht. “Un­ser Ziel war es, den Hör­ge­nuss nicht zu be­ein­träch­ti­gen”, sagt Eichelberger.

Tests, die die For­scher durch­ge­führt ha­ben, zei­gen dass ihre Tech­nik un­ter idea­len Be­din­gun­gen bis zu 400 Bit pro Se­kun­de über­tra­gen kann, ohne dass der durch­schnitt­li­che Hö­rer den Un­ter­schied zwi­schen der Quell­mu­sik und der mo­di­fi­zier­ten Ver­si­on be­merkt. Da un­ter rea­lis­ti­schen Be­din­gun­gen eine ge­wis­se Red­un­danz er­for­der­lich ist, um die Über­tra­gungs­qua­li­tät zu ge­währ­leis­ten, wird die Über­tra­gungs­ra­te eher etwa 200 Bit – oder etwa 25 Buch­sta­ben – pro Se­kun­de be­tra­gen. “Theo­re­tisch wäre es mög­lich, Da­ten viel schnel­ler zu über­tra­gen. Aber je hö­her die Über­tra­gungs­ra­te, des­to eher wer­den die Da­ten als stö­ren­der Ton wahr­nehm­bar oder die Da­ten­qua­li­tät lei­det”, er­gänzt Tanner.

Verborgene Informationen in Pop-Songs

Die drei For­scher in den La­bors für Com­pu­ter­tech­nik und Netz­wer­ke der ETH Zü­rich ver­wen­den sol­che in­for­ma­ti­ven “do­mi­nan­ten” No­ten in ei­nem Mu­sik­stück und über­la­gern sie mit je­weils zwei leicht tie­fe­ren und zwei leicht hö­he­ren No­ten, die lei­ser sind als die do­mi­nan­te Note. Sie nut­zen auch die Ober­tö­ne (eine oder meh­re­re Ok­ta­ven hö­her) der stärks­ten Note, wo­bei sie hier eben­falls et­was tie­fe­re und hö­he­re Töne ein­set­zen – zu­sätz­li­che Hin­wei­se, die Da­ten tra­gen können.

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Wäh­rend nun ein Smart­phone die­se Da­ten über sein ein­ge­bau­tes Mi­kro­fon emp­fan­gen und ana­ly­sie­ren kann, nimmt das mensch­li­che Ohr die­se zu­sätz­li­chen Hin­wei­se nicht wahr: “Wenn wir ei­nen lau­ten Ton hö­ren, be­mer­ken wir kei­ne lei­se­ren Töne mit ei­ner et­was hö­he­ren oder nied­ri­ge­ren Fre­quenz”, sagt Ei­chel­ber­ger. “Das be­deu­tet, dass wir die do­mi­nan­ten, lau­ten Töne in ei­nem Mu­sik­stück be­nut­zen kön­nen, um den akus­ti­schen Da­ten­trans­fer zu ver­ber­gen.” Dar­aus folgt, dass die bes­te Mu­sik für die­se Art der Da­ten­über­tra­gung vie­le do­mi­nan­te No­ten hat – zum Bei­spiel Pop­songs. Lei­se Mu­sik ist we­ni­ger geeignet.

Vom Lautsprecher zum Mikrofon

Das Über­tra­gungs­prin­zip die­ser Tech­nik un­ter­schei­det sich grund­le­gend vom be­kann­ten RDS-Sys­tem beim Au­to­ra­dio, das zur Über­tra­gung des Na­mens des Ra­dio­sen­ders und der De­tails der ab­spie­len­den Mu­sik ver­wen­det wird. “Mit RDS wer­den die Da­ten über UKW-Ra­dio­wel­len über­tra­gen. Mit an­de­ren Wor­ten, die Da­ten wer­den vom FM-Sen­der an das Ra­dio­ge­rät ge­sen­det”, er­klärt Tan­ner. Dem­ge­gen­über sei das neue Ver­fah­ren eine mas­si­ve Wei­ter­ent­wick­lung: “Was wir tun, ist, die Da­ten in die Mu­sik selbst ein­zu­bet­ten – Da­ten vom Laut­spre­cher zum Mi­kro­fon zu übertragen.”

Für den Hö­rer un­be­merk­ba­re In­for­ma­tio­nen, ver­steckt in den Mu­sik­stü­cken sel­ber? Im Fal­le des W-Fi-Pass­wor­tes des Ho­tels viel­leicht ganz nütz­lich – aber die Tech­nik lies­se sich wei­ter den­ken, bis hin zu ge­heim­dienst­li­chen An­wen­dun­gen. Dann könn­ten die Kon­sen­quen­zen sol­cher For­schung plötz­lich eine ganz an­de­re Sei­te der Kunst­form Mu­sik offenbaren… ♦

(Quel­le: In­ter­na­tio­na­le Kon­fe­renz für Akus­tik, Spra­che und Si­gnal­ver­ar­bei­tung – Brighton/England, Mai 2019)

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Mu­sik-Psy­cho­lo­gie auch über
Mu­sik in der Grup­pe: Mu­si­ka­li­scher Aus­druck und Bewegungspräzision

… so­wie über
Chris­toph Drös­ser: Hast du Töne?

 

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