inmitten / abgewandt
Bild-Meditation über “Landschaft mit Laternen” von Paul Delvaux
Ines Oppitz

müdigkeit auf den lidern wie schnee fällt und wind sich senkt in die felle / schwer die lider die erinnerung licht / jetzt die erinnerung gelichtet der abend in die helle genommen die dahinziehenden wände / umschliessung wie in nach unten weit geöffneten armen / in diesem schutz tritt sie / im ausgegossenen licht / wachsamen laternenspalier / zierlich auf abstand distanz wie gemessen / tritt sie ins bild / ein wenig verkürzt der saum das schwarze gewand ein wenig im nirgendwo über dem bildrand / nur ein schritt könnte sagen woher / zurück nur ein schritt ohne nachrücken des bildes / ein schritt oder zwei oder und… tritt sie ins bild fehlendes saumstück / der saum das pflaster umschwebend dunkel die schwere das kleid die schleppe schmal hin zur mitte des leibes zart aufsteigendes spiel um die schultern / alabaster der nacken / geknotet das monddurchsponnene haar / die gestalt aufrecht undeutbar / licht über den wänden wie tag / trapeze / astgewirk an den stämmen der pappeln / aufwärts als wäre der himmel zu tragen / tiefschwarz der himmel seelenkleid schwarz die blicke der wände ins innere eines gehöfts / breit fliesst der weg / strömt abwärts unmerklich in streng quadratisch abgezirkelten steinen schwärzlich gefügt / strömt abwärts der weg auf seinem rücken das licht das abnimmt hinaus in das tal / am unteren bildrand steht sie tritt in das bild rücklings eine andere wirklichkeit / abgewandt / erhöht steht sie in der szene des bilds der dämmrigen landschaft zu / der fahlen wiese dem milchigen see der blassen kahlheit der berge / stille ist / ruhe / knistert leise das licht / fängt sie frieden ein in der brust / mit übereinander liegenden händen ist es wie immer ersehnt im einklang des abends im versiegenden schläfrigen tag / ruhe ist… oder erschreckend / schrecken abwehrende geste …
falbweiss zur mitte des bildes hin zwei gestalten nahe am wasser / der schritt ohne hast / im gleichmass der schritt das gehen gravitätisch hintereinander / zwischen ihnen die bahre hoch gebauscht darauf gellend weiss das schreiende tuch… ♦
Geboren in Wels/A, Ausbildung zur Lehrerin in Linz, anschliessend sechs Jahre Schuldienst an Volks- und Hauptschulen; Studium der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft und Philosophie, Ausbildung zur diplomierten Literaturpädagogin; Verschiedene Buchpublikationen, zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien, Literatur- und Kulturzeitschriften; lebt als freiberufliche Literaturpädagogin in Wels