Liska & Honzak: Bercheros & Uncertainty (CD)

Auf Linie gebracht: Bassisten als Bandleader

von Mi­cha­el Magercord

Ein Kom­po­nist für Film­mu­sik, der sei­ne Wur­zeln im Jazz ver­or­tet, ge­stand mir ein­mal, dass er, wenn er par­tout kei­nen Ein­fall für eine Me­lo­die-Li­nie be­kom­me, zu­nächst ent­spre­chend der fil­mi­schen Vor­ga­ben eine Bass-Li­nie ein­spielt, auf der sich dann al­les wei­te­re fin­den lässt.
Mu­sik, die be­weg­ten Bil­dern un­ter­legt wird, folgt ei­ner zu­vor fest­ge­leg­ten Dra­ma­tur­gie. Und ein we­nig wir­ken die bei­den vor­lie­gen­den Al­ben, in de­nen die Bas­sis­ten je­weils den Ton an­ge­ben, auch wie Film­mu­sik. Ob­wohl es kei­ne Plat­ten mit Film­mu­sik sind, son­dern eher das, was man ein­mal „Kon­zept­al­ben“ nann­te: eine drei­vier­tel Stun­de zu­sam­men­hän­gen­de Klang­ge­bil­de – das kann ent­we­der gross­ar­tig wer­den oder ganz be­son­ders re­pe­ti­tiv enden.

Gratwanderungen für Jazz-Bassisten

Bercheros - Odyssey - Glarean MagazinMit To­mas Lis­ka und Ja­ro­mir Hon­zak, ha­ben sich zwei ver­sier­te Jazz-Bas­sis­ten und ihre je­wei­li­gen For­ma­tio­nen in ih­ren neu­en Ein­spie­lun­gen – bei­de bei Su­pra­phon – auf ge­nau die­se Grat­wan­de­rung be­ge­ben. „Ber­che­ros Odys­see“ nennt To­mas Lis­ka, der jün­ge­re von bei­den, sei­ne Kom­po­si­ti­on, die der Ab­sol­vent des Ber­li­ner Jazz-In­sti­tuts zu­sam­men mit sei­nen Kom­mi­li­to­nen Fa­bia­na Striff­ler (Gei­ge), Si­mon Ma­rek (Cel­lo), Mar­kus Ehr­lich (Kla­ri­net­te) und Na­ta­lie Haus­mann (Te­nor­sa­xo­phon) un­ter dem Band­na­men Pen­te ein­ge­spielt hat. Das Al­bum folgt ganz und gar der Kon­zept­idee. Die sechs ein­zel­nen Pas­sa­gen heis­sen auch kon­se­quen­ter­wei­se „Parts“, die ein zu­sam­men­hän­gen­des Gan­zes bil­den sollen.
Lis­ka war zu­vor eher in der Welt­mu­sik und im Blue­grass un­ter­wegs. Mit dem Stu­di­um be­gann wohl die Rei­se durch phi­lo­so­phi­sche und äs­the­ti­sche Tie­fen sei­nes Fa­ches. Sei­ne CD ge­wor­de­ne Odys­sey mit ei­nem Ti­tel, der aus den Na­men sei­nes Stu­di­en­or­tes und dem des In­dia­ner­stam­mes der Che­ro­kee zu­sam­men­ge­setzt wur­de, kommt zu­nächst et­was in­tel­lek­tu­ell und ernst da­her, ver­liert sich ab und zu im Free Jazz, um dann doch im­mer wie­der kür­ze­re Auf­ent­hal­te an be­kann­ten Or­ten ein­zu­le­gen: wenn näm­lich die Gei­ge oder das Cel­lo folk­lo­ris­tisch er­tö­nen, die Kla­ri­net­te ei­nen Gos­pel an­deu­tet oder uns das Sa­xo­phon auf dem Bal­kan Sta­ti­on ma­chen lässt – und trotz­dem fin­det es zu ei­ner ly­ri­schen, un­prä­ten­tiö­sen Einheit.

Meditative Dichte ohne Instrumenten-Akrobatik

Honzak - Uncertainty - Glarean Magazin
Hon­zak: „Un­cer­tain­ty“

Et­was tra­di­tio­nel­ler er­scheint aufs ers­te Hö­ren das Al­bum des ver­sier­ten Alt­jaz­zers Ja­ro­mir Hon­zak zu sein. Auch er hat­te einst stu­diert, nur liegt das schon bald 30 Jah­re zu­rück. Zehn Jah­re zu­vor hat­te er sei­nen Mi­li­tär­dienst in ei­ner Ar­mee­band in Prag ab­sol­viert, und da­nach be­gann sei­ne Lauf­bahn in der Jazz­sze­ne der Stadt. Sein Stu­di­en­ort war dann Bos­ton. Nach dem USA-Auf­ent­halt be­gann sei­ne in­ter­na­tio­na­le Kar­rie­re als Bas­sist, Band­lea­der – und Komponist.
„Un­cer­tain­ty“ heisst die Zu­sam­men­stel­lung von acht ei­ge­nen Ti­teln, die er mit den we­sent­lich jün­ge­ren E-Gi­tar­ris­ten Da­vid Doruz­ka, Pia­nis­ten Vit Kristan, dem fran­zö­si­schen Sa­xo­pho­nis­ten An­to­nin-Tri Hoang und schwe­di­schen Schlag­zeu­ger Jon Fält ein­ge­spielt hat. Je­des Stück steht für sich, hat eine an­de­re in­stru­men­ta­le Zu­sam­men­set­zung. Und ist das ers­te Stück mit dem de­kla­ma­to­ri­schen Ti­tel „Smell of ch­an­ge“ noch flot­ter E-Gi­tar­ren-Jazz, so ist im zwei­ten der Wan­del da und im drit­ten schliess­lich voll­zo­gen: hin zu ei­ner me­di­ta­ti­ven und ly­ri­schen Dich­te, die sich weit­ge­hend der In­stru­men­ten-Akro­ba­tik ent­hält, und die man durch­aus als Aus­flug in die „Un­ge­wiss­heit“ er­le­ben kann.

FAZIT: In ih­ren jüngs­ten Auf­nah­men fol­gen Alt­jaz­zer Ja­ro­mir Hon­zak („Un­cer­tain­ty“) und Neu­jaz­zer To­mas Lis­ka („Ber­che­ros Odys­sey“) wei­ter­hin den Vor­ga­ben der Bass-Li­ni­en. Dass die­se Wah­rung ei­ner gu­ten Mu­sik-Tra­di­ti­on dem Trei­ben der doch so frei­heits­lie­ben­den Im­pro­vi­sa­ti­ons-Mu­si­ker erst die Form gibt, in der sich dann ihre sprü­hen­den Ideen oder – im Ge­gen­teil – ihre Hin­ga­be in tie­fe Ge­fühls­wel­ten er­gies­sen kön­nen, be­wei­sen ein­mal mehr die­se bei­den ly­ri­schen, ja me­di­ta­ti­ven Alben.

Bei­de Al­ben ha­ben – bei al­len Un­ter­schie­den – schliess­lich doch ei­nes ge­mein­sam: Es sind ihre kla­ren bass-li­nes, die ihre mu­si­ka­li­sche Fan­ta­sien auf Li­nie hal­ten. Sie erst ma­chen aus der Grat­wan­de­rung zwi­schen Klän­gen und At­mo­sphä­ren, aus den Stück­chen und den Tei­len ein zu­sam­men­hän­gen­des Gan­zes. Viel­leicht ist dies ja auch das höchs­te an der ho­hen Kunst des Bass-Spiels. Und soll­te den bei­den Bas­sis­ten dar­um ge­gan­gen sein: mis­si­on accompli. ♦

To­mas Lis­ka & Pen­te: Ber­che­ros-Odys­sey, Au­dio-CD, Su­pra­phon / Ja­ro­mir Hon­zak & Band: Un­cer­tain­ty, Au­dio-CD, Supraphon

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch die CD-Re­zen­si­on von Co­ra­zón-Quar­tett: Was­ser, Licht & Zeit
… so­wie zum The­ma Jazz auch über Elec­tro­nic Cham­ber Mu­sic (CD & Vinyl)

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