Interview mit Harry Schaack (Schachzeitschrift KARL)

Vom Vereinsblatt zum internationalen Schachfeuilleton

Interview mit dem KARL-Herausgeber Harry Schaack

von Thomas Binder

Mit der Schach­zeit­schrift KARL fei­ert heu­er ei­nes der pro­fi­lier­tes­ten Schach-Print­me­di­en sein zehn­jäh­ri­ges Ju­bi­lä­um. Ur­sprüng­lich nur für den lo­ka­len Be­reich kon­zi­piert, mau­ser­te sich die­ses „Kul­tu­rel­le Schach­ma­ga­zin“ wäh­rend des ver­gan­ge­nen Dez­en­ni­ums un­ter der Ägi­de sei­nes Grün­ders, Her­aus­ge­bers und Chef­re­dak­teurs Har­ry Schaack zu ei­ner qua­li­täts­vol­len und viel­be­ach­te­ten Schach-Ga­zet­te weit über die BRD-Gren­zen hinaus.

KARL will nach ei­ge­nem Be­kun­den „in Be­rich­ten, Ana­ly­sen, Es­says und Por­träts ei­nen Blick wer­fen auf die kul­tu­rel­len, his­to­ri­schen und ge­sell­schaft­li­chen Aspek­te des Schachs“. We­ni­ger die mo­derns­ten Er­öff­nungs­va­ri­an­ten als viel­mehr die un­über­seh­bar viel­fäl­ti­gen „aus­ser­schach­li­chen“ Aspek­te des Kö­nig­li­chen Spiels ste­hen also im Fo­kus der vier­tel­jähr­lich er­schei­nen­den Zeit­schrift. „Glarean“-Mitarbeiter Tho­mas Bin­der hat dem KARL-Her­aus­ge­ber ei­ni­ge Fra­gen zur Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft sei­nes in­ter­es­san­ten Ma­ga­zins gestellt.

Schach_Zeitschrift KARL_Jubilaeumsheft_Interview_Glarean-MagazinGlarean Ma­ga­zin: Glück­wunsch Ih­nen und dem KARL-Team zum zehn­jäh­ri­gen Ju­bi­lä­um, Herr Schaack! Wie kam es sei­ner­zeit zur Grün­dung ei­ner Schach­zei­tung mit ei­nem solch kla­ren Pro­fil auf „Schach und Kultur“?

Har­ry Schaack: KARL war ur­sprüng­lich die Ver­eins­zei­tung mei­nes Klubs „Schach­freun­de Schöneck“, die ich seit den spä­ten Neun­zi­gern ver­ant­wort­lich be­treu­te. 2001 ent­schloss ich mich zu­sam­men mit Jo­han­nes Fi­scher und Ste­fan Löff­ler die Zeit­schrift un­ter glei­chem Na­men mit völ­lig neu­em Kon­zept bun­des­weit zu ver­trei­ben, die ers­ten Jah­re noch mit ei­nem Ver­eins­teil für Mit­glie­der. Nun er­schien KARL in ho­her Qua­li­tät mit Schwer­punkt-Kon­zept. Grün­de für die Aus­rich­tung un­se­res Hef­tes wa­ren zum ei­nen na­tür­lich un­ser ge­ne­rel­les In­ter­es­se an Kul­tur, zum an­de­ren war uns schon da­mals klar, dass im Zeit­al­ter des In­ter­nets ein Print­pro­dukt, das vor­ran­gig über Tur­nie­re be­rich­tet, stets der Ak­tua­li­tät hin­ter­her hechelt.
Die ers­te Aus­ga­be „Tem­po“ er­schien im Som­mer 2001. Nach drei Hef­ten schied Ste­fan Löff­ler aus, Jo­han­nes Fi­scher ist da­ge­gen bis heu­te eng mit KARL ver­bun­den und be­treut meh­re­re Ru­bri­ken. Zu­nächst gab es ei­ni­ge Skep­sis, ob das Schwer­punkt-Kon­zept dau­er­haft tra­gen wür­de. Doch wir hat­ten schon zu Be­ginn eine lan­ge Lis­te mög­li­cher The­men er­stellt, die nach nun­mehr 41 Aus­ga­ben noch nicht aus­ge­reizt ist. Da­her se­hen wir op­ti­mis­tisch in die Zukunft.

GM: Kön­nen Sie sich – als der „Ma­cher“ des KARL – un­se­ren Le­sern kurz vor­stel­len? Sie ha­ben ja im Schach si­cher auch aus­ser­halb der KARL-Re­dak­ti­on Ihre Spu­ren hinterlassen?

HS: Ich habe Ger­ma­nis­tik, Phi­lo­so­phie und Kunst­ge­schich­te stu­diert. Nach mei­nem Ab­schluss ar­bei­te­te ich ei­ni­ge Zeit als Gra­fi­ker in ei­ner Wer­be­agen­tur, was mir aber of­fen ge­stan­den nicht sehr zu­sag­te. Ich such­te eher eine Tä­tig­keit im kul­tu­rel­len Be­reich. Dann er­gab sich dank ei­ner An­stoss­fi­nan­zie­rung die Chan­ce, KARL zu ma­chen. Heu­te bin ich selbst­stän­dig und – ne­ben der KARL-Her­aus­ga­be – als Gra­fi­ker und Jour­na­list tä­tig. Zu­dem war ich für die Ch­ess Clas­sics drei Jah­re lang als Pres­se­spre­cher tätig.
Schach spie­le ich seit über 20 Jah­ren bei den be­reits er­wähn­ten „Schach­freun­den Schöneck“ in der Nähe von Frank­furt, wo ich lan­ge Zeit in der 2. Bun­des­li­ga ge­spielt habe. Ich bin FIDE-Meis­ter, spie­le aber in den letz­ten Jah­ren aus Zeit­man­gel nur noch sel­ten (was ich bedaure).

GM: Und der Name KARL?

HS: Bun­des­weit gibt es un­ser Heft seit 2001, doch ei­gent­lich gibt es KARL – wie be­reits er­wähnt – schon viel län­ger. Die Ge­burts­stun­de geht auf das Jahr 1984 zu­rück, als mein Schach-Klub sei­ne Mit­glie­der auf­for­der­te, ei­nen Na­men für die neu ge­grün­de­te Ver­eins­zei­tung zu fin­den. Die drit­te Aus­ga­be trug dann den bis heu­te er­hal­te­nen Na­men – üb­ri­gens lan­ge vor „Fritz“. „Karl“ ver­wies auf ein „ty­pi­sches“ Ver­eins­mit­glied, woll­te den „Bri­git­tes“ und „Em­mas“ ein männ­li­ches Pen­dant an die Sei­te stel­len und ist auch als Akro­nym zu ver­ste­hen, ab­ge­lei­tet aus Be­grif­fen, mit de­nen sich der pro­gres­si­ve Ver­ein iden­ti­fi­zier­te. So war an­fangs noch auf dem Co­ver zu le­sen: „Zeit­schrift für Kom­mu­ni­ka­ti­on, Ansichten/Amazonen, Rea­li­tä­ten und Lor­beer­krän­ze“. Der Name ohne di­rek­ten Schach­be­zug soll­te ein Hin­weis dar­auf sein, dass die Re­dak­ti­on kein „Durch­schnitts­blätt­chen“ ma­chen woll­te und „durch­aus auch für Nicht­schach­spie­ler“ in­ter­es­sant sein soll­te. Ein Cre­do, das bis heu­te Gül­tig­keit hat.

GM: Wir ha­ben in den letz­ten Jah­ren man­che Schach­zei­tun­gen kom­men, aber auch ge­hen se­hen. Vor al­lem jene, die sich auf die ak­tu­el­le Be­richt­erstat­tung kon­zen­trie­ren, konn­ten im Wett­streit mit den viel­fäl­ti­gen und ta­ges­ak­tu­el­len Quel­len im In­ter­net nicht mit­hal­ten. Wie se­hen Sie all­ge­mein den Markt für Schach­zei­tun­gen, und wo po­si­tio­niert sich Ihr Magazin?

HS: Das In­ter­net ist der na­tür­li­che Feind al­ler Zeit­schrif­ten, die sich auf Ak­tua­li­tät kon­zen­trie­ren. Wenn man eine Nach­richt ei­nen Mo­nat spä­ter bringt als ir­gend­ei­ne Web­site, muss man dem Le­ser Zu­satz­leis­tun­gen bie­ten, Hin­ter­grund­in­fos, Vor­ort­be­rich­te, aber das ist nicht im­mer ein­fach. In Deutsch­land gab es bis vor kur­zem fast zehn re­gel­mäs­sig er­schei­nen­de Zeit­schrif­ten. Dass nicht alle über­le­ben wür­den, ist nicht ver­wun­der­lich, weil der Markt über­sät­tigt war.
Der Trend geht – auch wenn mir das nicht ge­fällt – im­mer mehr in Rich­tung di­gi­ta­ler Zei­tung. Das hat na­tür­lich ei­ni­ge Vor­tei­le für die User. Über ein IPad (oder ein ähn­li­ches Ge­rät) kann man von über­all auf der Welt be­quem auf sein Ar­chiv zu­grei­fen, ohne ki­lo­wei­se Pa­pier mit­zu­schlep­pen. Jün­ge­re Ge­ne­ra­tio­nen sind mit die­sen neu­en Me­di­en auf­ge­wach­sen, und das phy­si­sche Buch wird un­wei­ger­lich im­mer mehr an Bo­den ver­lie­ren. In die­sen neu­en Me­di­en lie­gen gros­se Chan­cen, und in die­sem Be­reich wird sich auch KARL in Zu­kunft po­si­tio­nie­ren müssen.

KARL will detaillierte Recherche mit ästhetischem Outfit verbinden
KARL will de­tail­lier­te Re­cher­che mit äs­the­ti­schem Out­fit verbinden

GM: Wie ent­wi­ckelt sich die Auf­la­ge der Zeit­schrift? Sind Sie op­ti­mis­tisch, die „kri­ti­sche Mas­se“ für ei­nen wirt­schaft­lich ver­tret­ba­ren Be­trieb des KARL hal­ten zu können?

HS: Un­se­re Auf­la­ge ist seit ei­ni­ger Zeit recht kon­stant. Die Abon­nen­ten­zahl steigt ste­tig leicht an, aber nicht mehr si­gni­fi­kant. Wirt­schaft­lich wich­tig ist für uns der Ver­kauf äl­te­rer Hef­te. Von Be­ginn an war dies ein Teil un­se­res Kon­zep­tes. Da die Bei­trä­ge zu Schwer­punk­ten nicht der Ak­tua­li­tät ge­schul­det sind, sind sie auch noch Jah­re spä­ter les­bar. Sie sind in die­ser Hin­sicht eher mit Fach­bü­chern als mit Zeit­schrif­ten vergleichbar.
Ich den­ke, dass un­se­re kul­tu­rel­le Fo­kus­sie­rung ein Pu­bli­kum an­spricht, das sich dem Buch bzw. dem Pa­pier ver­pflich­tet fühlt. Des­halb habe ich im Mo­ment kei­ne Sor­ge und bin zu­ver­sicht­lich, dass sich das Heft wei­ter­hin „trägt“. Zum an­de­ren stand für mich nie der fi­nan­zi­el­le Aspekt im Vor­der­grund. Es ist eher mei­ne Lei­den­schaft, die das Heft stützt. Denn ei­gent­lich ist mein Ho­no­rar an­ge­sichts des be­trie­be­nen Auf­wan­des nicht adäquat.

GM: KARL hat zu al­len The­men im­mer aus­ser­or­dent­lich kom­pe­ten­te Au­toren auf­zu­bie­ten. Si­cher ist das mitt­ler­wei­le ein Selbst­läu­fer, weil man sich ge­ehrt fühlt, für den KARL schrei­ben zu dür­fen, oder?

HS: Das ist nicht ganz rich­tig. In Deutsch­land ha­ben wir viel­leicht ei­nen ganz gu­ten Ruf und kön­nen auf ei­nen Au­toren­pool zu­rück­grei­fen. Doch wir ar­bei­ten auch mit vie­len nicht­deut­schen Au­toren zu­sam­men. KARL er­scheint in Deutsch und ist des­halb im Aus­land vor al­lem durch mei­ne Prä­senz be­kannt. Kon­tak­te ent­ste­hen nicht sel­ten durch mei­ne zahl­rei­chen Tur­nier­be­su­che im Aus­land. Zu­dem weiss man oft nicht, wie zu­ver­läs­sig ein Au­tor ist, wenn man das ers­te Mal mit ihm ar­bei­tet. Ein Wag­nis, das uns z.B. bei un­se­rem Fi­scher-Heft sehr in Ver­le­gen­heit ge­bracht hat. Ein deut­scher Au­tor, des­sen Na­men ich nicht nen­nen möch­te, sag­te uns kurz vor Re­dak­ti­ons­schluss ei­nen zen­tra­len Bei­trag ab. Aber aus die­sem De­sas­ter ha­ben wir gelernt.

GM: Auf Ih­rer Home­page lis­ten Sie ca. 160 „Mit­ar­bei­ter“ auf (dar­un­ter auch ei­ni­ge lei­der be­reits ver­stor­be­ne). Wie ist die­se Lis­te zu verstehen?

HS: Die Lis­te ist eine Ge­samt­dar­stel­lung all un­se­rer Mit­ar­bei­ter seit un­se­rer ers­ten bun­des­wei­ten Aus­ga­be. Die gros­se Men­ge ist auch ein Spie­gel­bild un­se­res Heft-Kon­zep­tes, das im­mer wie­der nach neu­en Ex­per­ten verlangt.

GM: Möch­ten Sie ei­ni­ge Au­toren her­vor­he­ben, mit de­nen Sie be­son­ders in­ten­siv und pro­duk­tiv zusammenarbeiten?

HS: Seit 2004 ar­bei­te ich im schach­his­to­ri­schen Be­reich sehr in­ten­siv mit Dr. Mi­cha­el Ne­ge­le zu­sam­men, der mich auch in dan­kens­wer­ter Wei­se im­mer wie­der mit sei­ner Samm­lung un­ter­stützt. Er ist ver­mut­lich un­ser fleis­sigs­ter Au­tor. Eng ar­bei­te ich auch mit Prof. Dr. Ernst Stro­uhal und Mi­cha­el Ehn zu­sam­men, die ne­ben ih­rer KARL-Ko­lum­ne zahl­rei­che wei­te­re Ar­ti­kel bei­gesteu­ert ha­ben. In letz­ter Zeit ist Gross­meis­ter Mihail Ma­rin öf­ter mit län­ge­ren schach­spe­zi­fi­schen Bei­trä­gen ver­tre­ten. Jo­han­nes Fi­scher ist frei­lich als Mann der ers­ten Stun­de von Be­ginn an im Boot. Er be­treut u.a. un­se­re Rei­he „Por­träts“ und hat das Bild der Zeit­schrift über die Jah­re er­heb­lich mit­ge­prägt. Schliess­lich sind na­tür­lich un­se­re lang­jäh­ri­gen Ko­lum­nis­ten Prof. Dr. Chris­ti­an Hes­se und Wolf­ram Run­kel zu nennen.

GM: Wie lan­ge ar­bei­ten Sie an ei­ner KARL-Num­mer von der The­men­idee bis zu dem Tag, da es bei mir im Brief­kas­ten liegt? Wer aus­ser den Au­toren ist dar­an noch beteiligt?

HS: Das ist schwer zu sa­gen, weil dies stark the­men­ab­hän­gig ist. Die Idee ent­steht meist schon vie­le Mo­na­te vor­her. Dann fra­ge ich früh­zei­tig Au­toren und In­ter­view­part­ner an, doch nicht alle kön­nen oder wol­len tat­säch­lich ei­nen Ar­ti­kel schrei­ben, d.h. ich muss das The­men­kon­zept peu à peu an­pas­sen. Mein ei­ge­ner Auf­wand rich­tet sich da­nach, wie vie­le Ar­ti­kel ich selbst schrei­be, und wie vie­le Rei­sen ich da­für un­ter­neh­men muss. Bei ei­nem Schwer­punkt wie der WM in Bonn 2008 war ich z.B. der ein­zi­ge Jour­na­list, der die ge­sam­te Spiel­zeit vor Ort war. In­so­fern kos­tet teil­wei­se al­lei­ne die Re­cher­che enorm viel Zeit.
Die heis­se Schluss­pha­se bis zur Fer­tig­stel­lung ei­nes Hef­tes be­trägt etwa drei bis vier Wo­chen. Für die gra­phi­sche Um­set­zung des Hef­tes und die Aus­wahl der Bei­trä­ge bin ich al­lei­ne ver­ant­wort­lich, wenn­gleich ich mich z.B. mit Jo­han­nes Fi­scher oft be­spre­che und auch sei­ne Ideen ein­flies­sen. Aus­ser­dem gibt es noch zwei, drei Korrekturleser.

GM: Ich habe im­mer die­je­ni­gen Aus­ga­ben als be­son­ders in­ter­es­sant emp­fun­den, in de­nen Sie ein The­ma um­fas­send und aus sehr ver­schie­de­nen Blick­win­keln be­trach­ten. Stell­ver­tre­tend sei­en Aus­ga­ben wie „Schach und Po­li­tik“, „Ri­va­len“, „Zu­fall“, „Schach und Mu­sik“ oder „Schön­heit“ ge­nannt. In letz­ter Zeit ver­schiebt sich Ihr Schwer­punkt et­was zu Hef­ten über eine ein­zel­ne Re­gi­on oder ein Tra­di­ti­ons­tur­nier. Zu­fall oder be­wuss­te Themenverschiebung?

„Schach & Mu­sik“ war eben­so schon KARL-Schwer­punkt wie „Schach & Po­li­tik“ oder „Schach & Frauen“

HS: Eine The­men­ver­schie­bung kann ich nicht er­ken­nen. Die bei­den Hef­te, die sich mit ei­ner Re­gi­on be­schäf­tig­ten, la­gen nur da­durch di­rekt hin­ter­ein­an­der, weil der Schach­bund NRW sein Ju­bi­lä­um fei­er­te, das Heft 4/2010 über die Nie­der­lan­de aber schon über ein Jahr im Vor­aus ge­plant war. Auch in der Ver­gan­gen­heit ge­hör­ten Hef­te über Re­gio­nen, Städ­te und Tur­nie­re zu un­se­rer The­men­pa­let­te. Wenn wir die Mög­lich­keit ha­ben, uns an ak­tu­el­le Er­eig­nis­se wie Ju­bi­lä­en oder Aus­stel­lun­gen an­zu­hän­gen, ma­chen wir das. So ist un­ser letz­tes Heft über die Ch­ess Clas­sic des­halb ent­stan­den, weil die­ses nicht nur für Deutsch­land wich­ti­ge Tra­di­ti­ons­tur­nier plötz­lich zu Ende ging und ich als ehe­ma­li­ger Pres­se­spre­cher mit dem Event ver­bun­den war. Und da muss man schon ein­mal kurz­fris­ti­ge The­men­än­de­run­gen vornehmen.

GM: Wie weit in die Zu­kunft reicht denn Ihr ak­tu­el­ler The­men­ka­ta­log? Kön­nen Sie uns mit ein paar Stich­wor­ten neu­gie­rig machen?

HS: Wir pla­nen meist vier Hef­te im Vor­aus. Für das Heft 1/2012 habe ich z.B. be­reits ei­ni­ges in die Wege ge­lei­tet und auch schon In­ter­views ge­führt. Bis zum Heft 2/2012 gibt es be­reits kon­kre­te Ab­spra­chen. Ti­tel möch­te ich nicht nen­nen, denn es wäre un­güns­tig, wenn an­de­re Zeit­schrif­ten die glei­chen The­men auf­grei­fen wür­den. So war ur­sprüng­lich für das Heft 3/2011 ein Kort­schnoi-Schwer­punkt vor­ge­se­hen. Doch weil ihm auch die Zeit­schrift SCHACH fast ein gan­zes Heft ge­wid­met hat, ha­ben wir da­von ab­ge­se­hen und uns statt­des­sen für sei­nen An­ti­po­den Kar­pow ent­schie­den, der eben­falls ei­nen run­den Ge­burts­tag hat.

GM: Un­ter den ak­tu­ell in der Schach­sze­ne dis­ku­tier­ten Pro­ble­men ste­hen (lei­der) die Be­trugs­mög­lich­kei­ten mit elek­tro­ni­schen Hilfs­mit­teln im Blick­punkt. Aus mei­ner Sicht wäre dies ein idea­les Feld für KARL, das The­ma mit al­len Aspek­ten (ge­schicht­lich, tech­nisch, recht­lich, Fol­gen und Lö­sungs­an­sät­ze usw.) aus­zu­leuch­ten. Sind Sie in der Spur?

Das erste Themen-Heft:
Das ers­te The­men-Heft: „Tem­po!“

HS: Sie ha­ben voll­kom­men recht, Be­trug ist ein reiz­vol­les The­ma und im Mo­ment auch lei­der ein ak­tu­el­les Pro­blem. Ich hat­te Ge­le­gen­heit, mich in Bonn bei der Deut­schen Meis­ter­schaft als Au­gen­zeu­ge di­rekt vor Ort über den „Fall Nats­idis“ zu in­for­mie­ren und mit Teil­neh­mern dar­über zu spre­chen. Der tech­ni­sche Fort­schritt hat Mög­lich­kei­ten ge­schaf­fen, die Ma­ni­pu­la­ti­on im­mer leich­ter ma­chen. Ge­lingt es in Zu­kunft nicht, dies zu un­ter­bin­den, wird das Schach stark leiden.
„Be­trug“ war ei­nes der The­men, die wir zu Be­ginn auf un­se­rer Ideen­lis­te für KARL-Schwer­punk­te no­tiert hat­ten – das war 2001. Na­tür­lich habe ich in An­be­tracht der ak­tu­el­len Er­eig­nis­se über die­ses The­ma nach­ge­dacht. Da wir aber ei­ni­ge Hef­te im Vor­aus pla­nen, müs­sen sich die Le­ser noch ein we­nig ge­dul­den. Doch ich bin si­cher, dass uns das The­ma noch eine gan­ze Wei­le be­glei­ten wird.

GM: Im Ver­gleich zum hoch­wer­ti­gen An­spruch Ih­rer Zeit­schrift fällt das be­glei­ten­de In­ter­net-An­ge­bot eher nüch­tern und spar­ta­nisch aus. Da­mit sind Sie in der Schach­zei­tungs-Bran­che al­ler­dings kei­nes­wegs al­lein. Reicht die Kraft nicht für eine um­fas­sen­de On­line-Prä­senz oder spielt da auch die Angst mit, sich qua­si eine Kon­kur­renz im ei­ge­nen Haus zu schaffen?

HS: Un­se­re In­ter­net-Sei­te be­darf drin­gend ei­ner Über­ar­bei­tung, das ist rich­tig. Die­ses Pro­blem ha­ben wir lei­der all­zu lan­ge hin­aus­ge­scho­ben. Im Mo­ment sind wir da­bei, die Sei­te kom­plett neu zu ge­stal­ten. Dies dau­ert al­ler­dings noch ei­ni­ge Zeit, weil mitt­ler­wei­le doch schon ein enor­mer „Con­tent“ vor­han­den ist. Wir bie­ten auf un­se­rer Home­page zu je­dem un­se­rer Hef­te gleich meh­re­re Le­se­pro­ben. Mitt­ler­wei­le sind in un­se­rer „Ko­lum­ne“, wo ver­schie­de­ne Au­toren ak­tu­el­le Pu­bli­ka­tio­nen re­zen­sie­ren, über hun­dert Bei­trä­ge zu finden.
Wir hof­fen, in na­her Zu­kunft eine an­spre­chen­de Web­site prä­sen­tie­ren zu kön­nen. Angst vor Kon­kur­renz im ei­ge­nen Haus ha­ben wir da­ge­gen nicht. Un­se­re dort ver­öf­fent­lich­ten Bei­trä­ge die­nen un­se­rer Ei­gen­wer­bung. Eine täg­li­che Be­richt­erstat­tung über ak­tu­el­le Er­eig­nis­se stre­ben wir da­ge­gen nicht an.

GM: Was sind aus Ih­rer Sicht die High­lights von zehn Jah­ren KARL-Ge­schich­te? Den­ken Sie an ein be­son­ders ge­lun­ge­nes Heft, ei­nen sehr in­ter­es­san­ten – viel­leicht auch kon­tro­ver­sen – Artikel?

HS: Ein ganz be­son­de­res High­light ist zwei­fel­los bis heu­te das Ke­res-Heft (KARL 2/2004). Da­bei wur­den wir – Jo­han­nes Fi­scher und ich – vom Est­ni­schen Frem­den­ver­kehrs­amt un­glaub­lich un­ter­stützt. Die be­sorg­ten uns nicht nur den Flug, son­dern auch eine mehr­tä­gi­ge Est­land-Rund­rei­se in Be­glei­tung. Wir hat­ten da­durch Kon­takt zu al­len wich­ti­gen Ge­sprächs­part­nern, u.a. auch mit der Fa­mi­lie von Ke­res. Das war wun­der­voll und ist auch dem En­ga­ge­ment von Jo­han­nes Fi­scher zu ver­dan­ken, der im Vor­feld zahl­rei­che In­sti­tu­tio­nen an­frag­te. Zu­dem ha­ben alle von uns an­ge­streb­ten Ar­ti­kel und In­ter­views ge­klappt, dar­un­ter die mit Spas­ski und Smyslow.
Auf­grund die­ses Hef­tes lud man mich 2006 an­läss­lich des 90. Ge­burts­ta­ges des est­ni­schen Na­tio­nal­hel­den zur gros­sen Ke­res-Fei­er nach Tal­linn ein. Ein un­ver­gess­li­ches Er­leb­nis, denn alle gros­sen Spie­ler der Ära Ke­res wa­ren ver­sam­melt: Kar­pow, Kort­schnoi, Spas­ski, Awer­bach, Tai­ma­now, Gli­go­ric, Un­zi­cker, Schmid, Olaf­s­son, u.v.m. Die Ein­la­dung ent­hielt auch Emp­fän­ge beim Prä­si­den­ten und ein Mit­tag­essen mit dem Pre­mier­mi­nis­ter. Das war gross­ar­tig. Ein an­de­res schö­nes Er­leb­nis war die Zu­sam­men­ar­beit mit der Fa­mi­lie Un­zi­cker für KARL 2/2007. Mit sei­ner Frau und den bei­den Söh­nen traf ich mich mehr­fach in Mün­chen zu mehr­stün­di­gen In­ter­views, die letzt­lich zu ei­ner sehr per­sön­li­chen Bio­gra­phie führten.
Auch zahl­rei­che Ate­lier­be­su­che bei di­ver­sen Künst­lern, die sich mit Schach be­schäf­tig­ten, sind mir in gu­ter Er­in­ne­rung ge­blie­ben. Un­ter den vie­len Aus­ga­ben sind mir schach­his­to­risch vor al­lem die Las­ker- und Nim­zowitsch-Aus­ga­ben (KARL 1/2008 + 4/2006) so­wie die Hef­te über den DSB und über Wien (1/2002 + 2/2009) in Er­in­ne­rung ge­blie­ben. Aber ich mag auch das Mu­sik-Heft (KARL 4/2007), wo ich u.a. mit Port­isch spre­chen konn­te, der in sei­ner Kar­rie­re nur ganz sel­ten In­ter­views ge­ge­ben hat. Gleich zwei ku­rio­se Ar­ti­kel gibt es im Zu­falls-Heft (KARL 2/2006): Ei­nen von Stro­uhal über „Schach&Religion“ und ei­nen von Don­nin­ger über „Zufall&Computer“. Das ori­gi­nells­te Ti­tel­bild ist ver­mut­lich je­nes des Tak­tik-Hef­tes – ein Ku­gel­fisch, den ich ei­ner An­re­gung mei­ner Le­bens­ge­fähr­tin ver­dan­ke. Schliess­lich ha­ben wir im ak­tu­el­len Heft (KARL 2/2011) mit un­se­rem Preis­rät­sel, dass es mei­nes Wis­sens so im Schach­be­reich noch nie gab, ei­nen gros­sen Er­folg ge­lan­det, denn die Rück­mel­dung un­se­rer Le­ser ist so gross wie nie.

GM: Herr Schaack, bes­ten Dank für Ihre Aus­füh­run­gen und wei­ter­hin viel Er­folg mit KARL! ♦

Le­se­pro­be 1 – Chril­ly Don­nin­ger: Computerschach

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch über KARL: Die gan­ze Kul­tur der 64 Schach-Felder

aus­ser­dem zum The­ma: Der Se­ri­en-Re­port über Schach­zeit­schrif­ten (3): SCHWEIZERISCHE SCHACHZEITUNG

Ein Kommentar

  1. Schö­ner Bei­trag, Herr Bin­der, und in­ter­es­san­te Ant­wor­ten von Har­ry Schaack. Man merkt ihm das Schach­feu­er an, das ihn in so schwie­ri­gen Zei­ten für Prints trotz­dem noch an­treibt. Wei­ter so Herr Schaack! Ihr Heft ist eine Be­rei­che­rung für die Schach-Mag-Sze­ne in Deutsch­land!! Viel Er­folg auch für die nächs­ten 10wünscht
    Kosta

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