Arno Stocker: Der Klavierflüsterer (Biographie)

Von Caruso „auf die Beine geholt“

von Günter Nawe

Es kommt nicht all­zu häu­fig vor, dass man den Ti­teln auf Buch-Co­vern trau­en kann. Dies­mal aber stimmt der Un­ter­ti­tel: „Die wah­re Ge­schich­te ei­nes un­wahr­schein­li­chen Le­bens“. Er­lebt und auf­ge­schrie­ben hat sie Arno Sto­cker, „der Kla­vier­flüs­te­rer“, der in die­sem Buch un­ter an­de­rem er­zählt, „wie mich Ca­ru­so auf die Bei­ne holte“.

Er, ge­bo­ren 1956, der sin­gen woll­te wie Ca­ru­so und spie­len wie Ho­ro­witz, kam mit ei­ner spas­ti­schen Läh­mung auf die Welt. Mit ge­schä­dig­tem Ge­hirn und ver­renk­ten Glie­dern so­wie fast blind ist von ei­ner gros­sen Kar­rie­re nicht ein­mal zu träu­men. So be­durf­te es ei­ner­seits ei­ni­ger be­son­de­rer Zu­fäl­le als auch ei­nes be­son­ders aus­ge­präg­ten Wil­lens, um die­ses Le­ben zu meistern.

Arno Stocker - Der Klavier-Flüsterer - Die wahre Geschichte eines unwahrscheinlichen Lebens

Es ist nicht zu­letzt die Mu­sik, ge­nau­er ge­sagt eine Plat­te von Ca­ru­so, durch die Arno spre­chen lernt, in­dem er – fas­zi­niert von der Stim­me des Sän­gers – die Ari­en „nach­ahmt“. Et­was spä­ter und ver­mit­telt durch den Gross­va­ter wird es Ma­ria Cal­las sein, der er nicht nur per­sön­lich be­geg­net, er wird gar ihr Meis­ter­schü­ler. Sie weist ihm den Weg zur Mu­sik – und da­mit zu ei­nem selbst­be­stimm­ten Leben.

Langer und beschwerlicher Weg zur Musik

Von die­sem Le­ben er­zählt Arno Sto­cker. Und das in ei­ner un­nach­ahm­li­chen Ma­nier; we­der lar­moy­ant noch über­heb­lich, son­dern di­rekt und schnör­kel­los. Er er­zählt von den Hö­hen und Tie­fen, von Er­fol­gen und Rück­schlä­gen. Selbst­zwei­fel plag­ten ihn, und Wi­der­stän­de – nicht zu­letzt we­gen sei­ner Be­hin­de­rung – gab es ge­nug, die oft un­ter Auf­bie­tung al­ler Kräf­te über­wun­den wer­den mussten.
Lang und be­schwer­lich war der Weg zur Mu­sik, zum „Kla­vier­flüs­te­rer“, zu ei­nem Mann, der mit Ho­ro­witz und an­de­ren Grös­sen der Mu­sik­ge­schich­te ar­bei­te­te, sich als Re­stau­ra­tor ei­nen Na­men mach­te und selbst ei­nen neu­ar­ti­gen Kon­zert­flü­gel kon­stru­ier­te, und der wie kein an­de­rer viel von Mu­sik und al­les von Kla­vie­ren und Flü­geln ver­stand. Auf die­sem Weg ver­such­te er sich zwi­schen­zeit­lich in an­de­ren Be­ru­fen (ein­fach um zu über­le­ben), er ge­rät in die Schul­den­fal­le und ins Ge­fäng­nis, ver­dien­te Un­sum­men und ver­lor sie wie­der. Zwi­schen­durch hat er bei Eri­ka Köth Ge­sang stu­diert. Er war bei den Opern­fest­spie­len in Mün­chen en­ga­giert und ver­kauf­te und re­stau­rier­te Kla­vie­re in Amerika.

Das Leben der Faszination „Musik“ untergeordert

Sprach- und Lebenshelfer: Jahrhundert-Tenor Enrico Caruso (1873-1921)
Sprach- und Le­bens­hel­fer: Jahr­hun­dert-Te­nor En­ri­co Ca­ru­so (1873-1921)

Per­sön­li­ches Glück war ihm kaum be­schie­den. Meh­re­re Ehen zer­bra­chen. Sess­haft wur­de er kaum. Nicht nur we­gen sei­nes Be­ru­fes, der ihn im­mer wie­der an an­de­re Orte zwang, be­weg­te sich sein Le­ben geo­gra­fisch zwi­schen den Wel­ten. All das aber wa­ren nur „Be­gleit­um­stän­de“ ei­nes Le­bens, das ganz der Fas­zi­na­ti­on „Mu­sik“ un­ter­ge­ord­net war.
Am Ende hat Sto­cker, zu­rück in Mün­chen und in­spi­riert von Fi­scher-Die­skaus In­ter­pre­ta­ti­on der vier letz­ten Lie­der von Brahms, auch den Weg zu Gott ge­fun­den. Von nun an bil­den „Lie­be, Glau­be, Hoff­nung… die An­ker in mei­nem Le­ben. Die Lie­be zur Mu­sik, der Glau­be an das Gute. Die Hoff­nung, noch viel Zeit zu ha­ben, das, was mir Gu­tes pas­siert ist, an Men­schen wei­ter­zu­ge­ben und sie zu er­mu­ti­gen, an ih­ren Zie­len fest­zu­hal­ten“. Letz­te­res wird mit die­sem Buch si­cher ge­ge­ben sein.

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Die Le­bens­er­zäh­lung „Der Kla­vier­flüs­te­rer“ ist die fas­zi­nie­ren­de Ge­schich­te des Arno Sto­cker, der mit ge­schä­dig­tem Ge­hirn, mit ver­renk­ten Glie­dern und fast blind auf die Welt ge­kom­men ist. Ein Buch über die Macht der Mu­sik – und eine gross­ar­ti­ge Vi­si­on, die Sto­cker ge­gen alle Ver­nunft zum welt­be­kann­ten „Kla­vier­flüs­te­rer“ wer­den lassen.

So er­zählt die­se gross­ar­ti­ge Le­bens­ge­schich­te von der Macht der Mu­sik. Und von der Macht ei­ner Vi­si­on, der zu fol­gen alle Wid­rig­kei­ten und Wi­der­stän­de über­ste­hen lässt. So ist auch Arno Stockers Bio­gra­phie am Ende eine wun­der­ba­re Er­folgs­ge­schich­te, eben die „wah­re Ge­schich­te ei­nes un­wahr­schein­li­chen Le­bens“: span­nend und faszinierend. ♦

Arno Sto­cker: Der Kla­vier­flüs­te­rer – Die wah­re Ge­schich­te ei­nes un­wahr­schein­li­chen Le­bens, 317 Sei­ten, Kailash Ver­lag (Ran­dom­house), ISBN 978-3-424-63027-5

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma „Mu­si­ker-Bio­gra­phien“ auch über Pe­ter Gül­ke: Ro­bert Schumann

Aus­ser­dem zum The­ma Kla­vier-Mu­sik über Kha­tia Bu­nia­tish­vi­li: La­by­rinth (Kla­vier solo)

 

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