Roland Stark: Tod in zwei Tonarten (Krimi)

Kreisleriana-Mord“ im Rheingau

von Bernd Giehl

Bes­ser, ich geb’s gleich zu: Ja­wohl, Freun­de, ich bin be­fan­gen. Seit ich vor fast dreis­sig Jah­ren mein Vi­ka­ri­at – also die prak­ti­sche Aus­bil­dung zum Pfar­rer – in rhein­gaui­schen Wal­luf ge­macht habe, bin ich ein Fan die­ser Ge­gend. Und selbst auf die Ge­fahr hin, als Snob zu gel­ten, be­haup­te ich: Es gibt kei­ne schö­ne­re Land­schaft. Je­den­falls nicht in Deutsch­land. Es soll Leu­te ge­ben, die die Tos­ka­na für noch schö­ner hal­ten, aber von de­nen re­den wir jetzt nicht.

Roland Stark - Tod in zwei Toarten - Rheingau Krimi - Emons VerlagMich selbst hat das Le­ben mitt­ler­wei­le ins hes­si­sche Ried ver­schla­gen, aber an vie­len Sonn­ta­gen pil­ge­re ich im­mer noch durch die Wein­ber­ge zwi­schen Wal­luf und Rü­des­heim. So, das war’s jetzt aber auch mit den Be­kennt­nis­sen. Ob ich trotz­dem…? Ich den­ke schon. Dass ich die­se Land­schaft lie­be, heisst ja nicht, dass ich all mei­ne kri­ti­schen Fä­hig­kei­ten in der Schub­la­de las­se, wenn ich ei­nen Rhein­gau Kri­mi bespreche.

Die Leiche im Schloss-Teich

Der An­fang von Ro­land Starks „Tod in zwei Ton­ar­ten“ ist eher kon­ven­tio­nell. Wäh­rend ei­nes Kon­zerts des Rhein­gau­er Mu­sik­fes­ti­vals taucht ein To­ter auf. Und das ist durch­aus wört­lich zu neh­men. Plötz­lich treibt die Lei­che ei­nes Ju­gend­li­chen, Pa­trick Schön­hell, im Teich vor dem Was­ser­turm des Schlos­ses. Ge­nau ne­ben der See­büh­ne, auf der eben noch die „Last and Lost Blues Sur­vi­vors“ ge­sun­gen ha­ben. Die Lei­che ist schnell iden­ti­fi­ziert: Es han­delt sich um ei­nen Ju­gend­li­chen aus dem Wein­ort Wal­luf. Kom­mis­sar May­feld von der Wies­ba­de­ner Kri­mi­nal­po­li­zei, der im Nach­bar­ort Elt­ville und da­durch mit den Ört­lich­kei­ten bes­tens ver­traut ist, lei­tet die Er­mitt­lun­gen. Schnell fin­det er her­aus, dass Pa­trick Schön­hell, zu­sam­men mit an­de­ren Ju­gend­li­chen aus dem Rhein­gau im nor­ma­ler­wei­se für die Öf­fent­lich­keit un­zu­gäng­li­chen Was­ser­turm von Schloss Voll­rads eine Fete ge­fei­ert hat. Die Er­mitt­lun­gen kon­zen­trie­ren sich auf die Teil­neh­mer die­ser Fete und be­son­ders auf Jo­han­nes Flie­der, der sich aber so gut wie gar nicht an die Nacht er­in­nern kann, in der Schön­hell ums Le­ben kam, weil er an die­sem Tag dem Al­ko­hol zu sehr zu­ge­spro­chen hatte.

Interessante formale Handlungsgestaltung

Roland Stark - Glarean Magazin
Ro­land Stark

So weit, so ein­fach. Aber dann kommt Be­we­gung in die Sa­che, als Cla­ra Flie­der, die Mut­ter des Haupt­ver­däch­ti­gen, ih­ren Mann, ei­nen rei­chen Un­ter­neh­mens­be­ra­ter als ver­misst mel­det. Und auch for­mal ge­winnt der Ro­man, in­dem Pas­sa­gen in die Hand­lung ein­ge­fügt wer­den, in de­nen Cla­ra Flie­der, so­wie ihre Halb­schwes­ter, Ma­nue­la, ge­nannt Ele, zu Wort kom­men. Cla­ra ist eine eher kon­ven­tio­nel­le Frau, die al­les da­für tun möch­te, dass ihre hei­le Welt mit Ehe­mann, Sohn, Vil­la und Por­sche Ca­yenne vor den Wid­rig­kei­ten des Le­bens be­wahrt blei­ben. Ele da­ge­gen hat ein Ver­hält­nis mit ih­rem Schwa­ger, Cla­ras Mann, eben­so wie mit ih­rem Halb­bru­der Edu­ard. So­wohl Edu­ard als auch Ma­nue­la woh­nen auf dem Grund­stück der Flie­ders, und so ist na­tür­lich zu­min­dest Ma­nue­la ver­däch­tig, mit dem Mord an Pa­trick Schön­hell und dem Ver­schwin­den von Phil­lip Flie­der et­was zu tun zu haben.

Indizien-Lieferantin in Rheingau-Mordfall: Robert Schumanns Klavier-Phantasie op. 16
In­di­zi­en-Lie­fe­ran­tin im Rhein­gau-Mord­fall: Ro­bert Schu­manns Kla­vier-Phan­ta­sie op. 16 „Kreis­le­ria­na“ (1. Takt)

Über­haupt drängt sich, je wei­ter man liest, des­to stär­ker der Ver­dacht auf, dass mit die­ser Fa­mi­lie et­was ganz und gar nicht stimmt, und dass der Mör­der ganz be­stimmt nicht der Gärt­ner war, den es hier al­ler­dings auch nicht gibt. Nur nach aus­sen ist Phil­lip Flie­der der kor­rek­te Un­ter­neh­mens­be­ra­ter und ver­läss­li­che Fa­mi­li­en­mensch, der sei­ne Ra­dier­gum­mis in Reih und Glied legt und sei­ne Hüte ka­ta­lo­gi­siert. Bei nä­he­rem Ein­blick, den wir über Kom­mis­sar May­feld be­kom­men, stellt sich her­aus, dass Phil­lip Flie­der ein Freund sa­do­ma­so­chis­ti­scher Spie­le ist und ganz ne­ben­bei auch noch ei­nen Win­zer durch fal­sche Be­ra­tung in den Ruin ge­trie­ben hat. Ge­nug Grün­de also, den Mann mit den zwei Ge­sich­tern ver­schwin­den zu lassen.
Aber was hat das wie­der­um mit dem Tod von Pa­trick Schön­hell zu tun? Der Kom­mis­sar ver­folgt eine Men­ge Spu­ren, die sich aber am Ende al­le­samt als falsch er­wei­sen. Die Lö­sung ist über­ra­schend und ziem­lich unkonventionell.

Handlungsort voll alten Adels und neuen Reichtums

Ro­land Stark ar­bei­tet in sei­nem „rich­ti­gen Le­ben“ als Psy­cho­the­ra­peut im Rhein­gau und ver­steht so­mit eine Men­ge von der mensch­li­chen (oder viel­leicht sage ich bes­ser: von der bür­ger­li­chen) Psy­che, die na­tür­lich im wohl­ha­ben­den Rhein­gau, wo es im­mer noch eine Men­ge al­ten Adels und neu­en Reich­tums gibt, eine nicht un­er­heb­li­che Rol­le spielt. Auch die Land­schaft mit ih­ren Or­ten kann er gut be­schrei­ben, und als Lieb­ha­ber des Rhein­gaus er­tappt man sich im­mer wie­der bei der Fra­ge, wel­ches Vor­bild er zum Bei­spiel für die Vil­la Gru­ber, das Wohn­haus der Fa­mi­lie Flie­der, wohl ge­nom­men ha­ben könn­te. (Für In­si­der: ent­we­der das Ho­tel „Zum Schwa­nen“ oder eine der ein­zel­nen Vil­len zwi­schen Wal­luf und Eltville).

Roland Stark ist mit "Tod in zwei Tonarten" ein schöner und interessanter Kriminalroman gelungen, in dem viele Themen gekonnt miteinander verknüpft werden. Man muss nicht unbedingt ein Fan des Rheingaus sein, um dieses Buch mit Genuss zu lesen.
Ro­land Stark ist mit „Tod in zwei Ton­ar­ten“ ein schö­ner und in­ter­es­san­ter Kri­mi­nal­ro­man ge­lun­gen, in dem vie­le The­men ge­konnt mit­ein­an­der ver­knüpft wer­den. Man muss nicht un­be­dingt ein Fan des Rhein­gaus sein, um die­ses Buch mit Ge­nuss zu lesen.

Aber Stark ver­steht auch et­was von Mu­sik, und die spielt eine wich­ti­ge Rol­le in die­sem Ro­man. Vor al­lem die „Kreis­le­ria­na“ von Ro­bert Schu­mann, ein schwie­ri­ges Kla­vier­stück, das man – laut Stark – nur als ex­zel­len­ter Pia­nist spie­len kann, taucht im Ro­man im­mer wie­der auf und spielt am Ende auch eine über­ra­schen­de Rol­le bei der Lö­sung des ver­zwick­ten Falls. Nun höre ich zwar selbst gern klas­si­sche Mu­sik, (auch Ro­bert Schu­mann), aber die­ses Stück habe ich erst durch den Au­tor kennengelernt.
Ro­land Stark ist ein schö­ner und in­ter­es­san­ter Kri­mi­nal­ro­man ge­lun­gen, in dem vie­le The­men ge­konnt mit­ein­an­der ver­knüpft wer­den. Man muss nicht un­be­dingt ein Fan des Rhein­gaus sein, um die­ses Buch mit Ge­nuss zu lesen. ♦

Ro­land Stark: Tod in zwei Ton­ar­ten, Rhein­gau Kri­mi, 300 Sei­ten, Emons Ver­lag, ISBN 978-3897057272

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… so­wie über den Po­lit-Kri­mi von Tho­mas Bränd­le: Das Ge­heim­nis von Montreux

Ein Kommentar

  1. Seit mei­nem ers­ten Ur­laub im Rhein­gau 2005 – da­mals im „Schwan“ – bin ich be­ken­nen­der Fan die­ses Land­strichs. heu­er wa­ren nun die Kri­mis von Ro­land Stark un­se­re Be­glei­ter. Es stimmt: Man sucht die Vor­bil­der, freut sich über ku­li­na­ri­sche Tipps, ge­nießt die psy­cho­lo­gi­schen Fi­nes­sen und be­kommt Lust auf ein Mehr. Ein­fach gelungen!

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