J. Konikowski und O. Heinzel: Holländisch – richtig gespielt

Varianten-Fülle auf Kosten der Kommentierung

von Mal­te Thodam

Der Dop­pel­schritt des schwar­zen f-Bau­ern als Ant­wort auf 1.d4 gilt seit lan­ger Zeit als um­strit­ten. Wäh­rend ei­ni­ge star­ke Gross­meis­ter den Zug in ih­rem  Re­per­toire ha­ben, oder ihn zu­min­dest frü­her ein­mal ge­spielt ha­ben (un­ter an­de­rem so­gar Kram­nik!), leh­nen an­de­re ihn ve­he­ment als feh­ler­haft ab. GM Jus­su­pow, der üb­ri­gens eben­so wie be­reits Welt­meis­ter Kram­nik in der Ver­gan­gen­heit dar­auf zu­rück­ge­grif­fen hat, be­merk­te über die Hol­län­di­sche Er­öff­nung ein­mal, dass f5-f7 wohl viel­fach der bes­te Zug wäre, wenn er denn den Re­geln nach mög­lich wäre…
Das ist si­cher et­was über­spitzt for­mu­liert, zeigt aber die Schwie­rig­keit der Dis­kus­si­on über die­se un­ge­wöhn­li­che Spiel­wei­se ein­deu­tig. Der GM Vla­di­mir Mal­a­ni­uk gilt heu­te als füh­ren­der Ex­per­te des Le­nin­gra­der Sys­tems, ge­nau wie der deut­sche Gross­meis­ter Ste­fan Kin­der­mann, des­sen Buch über die be­sag­te Er­öff­nung ei­nen sehr gu­ten Ruf geniesst.

Das komplette Holländisch-Repertoire angeboten

Konikowski: Holländisch - richtig gespieltAk­tu­ell ist nun im Joa­chim-Bey­er-Ver­lag ein neu­es Werk zur Hol­län­di­schen Er­öff­nung er­schie­nen. In „Hol­län­disch rich­tig ge­spielt“ wol­len FM Jer­zy Ko­ni­kow­ski und IM Olaf Hein­zel dem Le­ser ein kom­plet­tes Re­per­toire für Schwarz nach 1.d4 f5 an­bie­ten. Doch da­mit nicht ge­nug: Es steht dem Le­ser die Wahl zwi­schen dem Stone­wall und dem Le­nin­gra­der Sys­tem of­fen, bei­de für sich ge­nom­men schon ziem­lich anspruchsvoll.

Das al­les auf 149 Sei­ten un­ter­brin­gen zu wol­len, er­scheint ziem­lich am­bi­tio­niert – vor al­lem, wenn man die zahl­rei­chen Ne­ben­va­ri­an­ten be­denkt, die ge­ra­de auf Ebe­ne der Ver­eins­spie­ler nicht ge­ra­de un­ge­fähr­lich sind. In der Ein­füh­rung ver­spre­chen die Au­toren auch dar­auf kurz ein­zu­ge­hen, ohne ge­wis­se Vor­kennt­nis­se oder aber die nö­ti­ge Spiel­stär­ke sucht der­je­ni­ge, der sich mit der Hol­län­di­schen Ver­tei­di­gung ver­traut ma­chen möch­te, je­doch oft nach ge­naue­ren Er­klä­run­gen. Zum Bei­spiel er­hält das für ver­sier­te Hol­län­disch-Spie­ler zu­ge­ge­be­ner­mas­sen nicht ge­ra­de furcht­ein­flös­sen­de 2.g4 nur ei­ni­ge Va­ri­an­ten, die mit „un­klar“ oder „Schwarz steht leicht bes­ser“ en­den. Die Au­toren be­mer­ken dazu (auf S.11): „Sie wer­den fest­stel­len, dass Ih­nen we­ni­ger be­kann­te Ab­spie­le in der Tur­nier­pra­xis kei­ne Schwie­rig­kei­ten mehr be­rei­ten wer­den, wenn Ih­nen die Prin­zi­pi­en die­ser Er­öff­nung be­kannt sind.“ Das trifft na­tür­lich auf jede Er­öff­nung zu, aber den­noch drängt sich die Fra­ge auf, wie­so man hier nicht aus­führ­li­cher kom­men­tiert hat.

Interessant, umstritten, chancenreich: Die Holländische Partie 1.d2-d4 f7-f5
In­ter­es­sant, um­strit­ten, chan­cen­reich: Die Hol­län­di­sche Par­tie 1.d2-d4 f7-f5

Die­ser Stil zieht sich durch das gan­ze Buch. Es gibt vie­le Va­ri­an­ten, die mit „Schwarz steht bes­ser“, „mit zwei­schnei­di­gem Spiel“ oder ähn­li­chen Be­wer­tun­gen en­den. Die ge­naue­ren De­tails muss sich der Le­ser je­doch selbst er­ar­bei­ten, bzw. er muss stark ge­nug sein, um mit die­sen knap­pen Ein­schät­zun­gen ge­nug an­fan­gen zu kön­nen. Ge­ra­de we­ni­ger er­fah­re­ne Spie­ler wün­schen sich aber er­fah­rungs­ge­mäss oft lie­ber ei­ni­ge ver­ba­le Zusatzerklärungen.

Varianten-Gestrüpp überwuchert die Kommentare

Es ist prin­zi­pi­ell in Ord­nung, wenn ein Buch wie das vor­lie­gen­de auf­ge­baut ist, nur muss man sich im Kla­ren dar­über sein, dass dies har­te Ar­beit be­deu­tet, wenn die zahl­rei­chen Va­ri­an­ten die Kom­men­ta­re ein­deu­tig über­wie­gen. Dies ist nicht un­be­dingt nach je­der­manns Ge­schmack. Die Par­tien sind et­was aus­führ­li­cher kom­men­tiert als der Rest des Bu­ches, doch war­um stammt die ak­tu­ells­te Par­tie aus dem Jah­re 2006? Hät­te man hier nicht neue­res Ma­te­ri­al be­nut­zen kön­nen, zu­mal et­li­che wirk­lich alte Spie­le das Gros des dar­ge­bo­te­nen Par­tie­ma­te­ri­als aus­ma­chen? Auch die Zu­sam­men­fas­sun­gen der Ka­pi­tel könn­ten teil­wei­se et­was um­fang­rei­cher sein. Schluss­fol­ge­run­gen wie: „Vor die­ser weis­sen Auf­stel­lung braucht sich Schwarz nicht zu fürch­ten. Er kann das Spiel ein­fach aus­glei­chen“ (S.105) wir­ken manch­mal ein we­nig zu knapp.

Fazit-Balken Glarean Magazin
Teil­wei­se geht die Fül­le der Va­ri­an­ten und Ne­ben-Ab­spie­le klar auf Kos­ten der (all­ge­mei­nen) Kom­men­ta­re – schlecht für den „nor­ma­len“ Ver­eins-Spie­ler. Für den Elo-star­ken Tur­nier-Spie­ler kann sich der Band hin­ge­gen als durch­aus hilf­rei­che Un­ter­stüt­zung der häus­li­chen Vor­ar­beit erweisen.

Im­mer­hin wird aber hier und da auf wich­ti­ge Punk­te auf­merk­sam ge­macht, die man al­ler­dings in der Re­gel an­hand der Va­ri­an­ten wie­der selbst er­ar­bei­ten muss, da sie nicht im­mer wei­ter aus­ge­führt wer­den. Schliess­lich ist es et­was scha­de, dass die Fül­le an Va­ri­an­ten auf Kos­ten der Kom­men­ta­re geht, um auf den ca. 150 Sei­ten das ein­gangs er­wähn­te Vor­ha­ben um­set­zen zu kön­nen. Denn durch das Ge­fühl, auf man­chen Sei­ten in den Va­ri­an­ten re­gel­recht zu er­trin­ken, wird man­cher gute und rich­ti­ge Kom­men­tar in den Hin­ter­grund ge­drängt. Ein paar Sei­ten mehr für ver­ba­le Er­klä­run­gen hät­ten dem Buch si­cher nicht ge­scha­det, zu­dem hät­ten sie die Les­bar­keit si­cher­lich verbessert.
Den gröss­ten Nut­zen aus die­ser – druck­tech­nisch und lay­oute­risch sehr ge­die­gen prä­sen­tier­ten – Mo­no­gra­phie wird also der er­fah­re­ne, kräf­tig mit Elo-Punk­ten aus­ge­stat­te­te Tur­nier­spie­ler zie­hen, den we­ni­ger die all­ge­mei­nen (hol­län­di­schen) Stel­lungs­kri­te­ri­en denn die kon­kre­ten Ab­spie­le in­ter­es­sie­ren. Für ihn kann sich der Band als durch­aus hilf­rei­che Un­ter­stüt­zung der häus­li­chen Tur­nier-Vor­ar­beit erweisen. ♦

J.Konikowski / O. Hein­zel, Hol­län­disch – rich­tig ge­spielt, Joa­chim Bey­er Ver­lag, 144 Sei­ten, ISBN 978-3888054990

Inhalt (Auszug)

Inhalt von "Holländisch - richtig gespielt" (Joachim Beyer Verlag)
In­halt von „Hol­län­disch – rich­tig ge­spielt“ (Joa­chim Bey­er Verlag)

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