Fixpoetry: Drei Lesehefte 2010 mit neuer Lyrik

Mutige und kenntnisreiche Poesie-Trias

von Klaus Martens

Drei Le­se­hef­te mit neu­er Ly­rik lie­gen auf mei­nem Tisch, die im März 2010 bei Fix­Poet­ry er­schie­nen und mit Lust, Kennt­nis und Mut ge­schrie­ben sind: Die neu­es­te, sehr fri­sche Samm­lung des poe­tisch kei­nes­wegs alt ge­wor­de­nen Hans-Jür­gen Hei­se zu sei­nem 80. Ge­burts­tag (in „Brief­tau­ben im In­ter­net“); die ge­konn­ten und hoch po­lier­ten Va­ria­tio­nen auf Stil­bild­ner von  Ste­fan Ge­or­ge bis Frie­de­ri­ke May­rö­cker, von Vol­ker Braun bis Karl Kro­low aus dem ly­ri­schen Pan­the­on von Ro­bert Mo­nat (in „Himmel/Haut – Va­ria­tio­nen“); die Form­kunst, die be­wusst ein­ge­setz­te Tra­di­ti­on, die er­staun­li­che Stim­men­viel­falt von An­dré Schin­kel, des­sen Blick auf die „Rich­tig­keit der Din­ge“ über­rascht und über­zeugt (in „Ap­fel und Szepter“).

Verflechtung von Ferne und Nähe

Quartalshefte von "Fixpoetry" (Januar 2010) der Autoren Heise Monat, Schinkel
Quar­tals­hef­te von „Fix­poet­ry“ (Ja­nu­ar 2010) der Au­toren Hei­se Mo­nat, Schinkel

An­dré Schin­kel weiss in „Ap­fel und Szep­ter“ sei­nen neu­en Ge­dich­ten Fer­ne und Nähe, aus­län­di­sche Be­zü­ge und ein­hei­mi­sches De­tail­lie­ren an­re­gend zu ver­flech­ten. We­ni­ge von uns sind ohne (etwa) Pink Floyd und an­de­re Stim­mung und Lo­sung vor­ge­ben­de Grup­pen auf­ge­wach­sen. So fin­den sie auch ih­ren Weg in die­se schö­ne, neu­es­te deutsch­spra­chi­ge Ly­rik. Do­mi­nier­ten frü­her sol­che Ein­flüs­se, so sind sie heu­te ein­ge­ar­bei­tet. Ganz selbst­ver­ständ­lich spricht Schin­kel von der „Dream­li­ne Sang­erhau­sen-Sak­ka­ra“, fin­det die ägyp­ti­sche Ne­kro­po­le An­schluss ans Thü­rin­gi­sche, kehrt Ori­en­ta­li­sches in Wort­wahl und Duk­tus in die sich er­neu­ern­de mit­tel­deut­sche Dich­tungs­tra­di­ti­on zu­rück – lan­ge war nicht mehr (lie­be­voll) vom „duf­ten­den Leib“ die Rede oder von der „Be­stei­gung“ des Bro­cken im Harz. An­dré Schin­kel ris­kiert Al­tes fürs Neue. Das ge­fällt und macht Ap­pe­tit auf mehr.

Auf dem Klavier des letzten Jahrhunders gespielt

Ro­bert Mo­na­te gibt in „Himmel/Haut – Va­ria­tio­nen“ ei­nen Über­blick über sei­ne Vor­lie­ben – Vor­bil­der? –  und spielt ge­konnt auf dem (zu­meist) ka­no­ni­schen Kla­vier des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts. Doch weiss er die Kla­via­tur zu ver­län­gern und, jen­seits von Par­odie und Ad­ap­ti­on, in der Ma­nier der aus­ge­wähl­ten Au­toren mit dem zeit­ge­mäs­sen Wör­ter­buch zu ar­bei­ten – ele­gant, stil­si­cher, selbst-be­wusst: „Sie war­ten das Un­aus­sprech­ba­re ab / um noch ein­mal aufzustehn“.

Unverwechselbar mit überraschenden Sentenzen

Hans-Jür­gen Hei­ses Ge­dich­te be­dür­fen kei­nes be­son­de­ren Lo­bes. Sie sind er­kenn­bar ge­blie­ben als un­ver­wech­sel­bar ei­ge­ne. Ein Hei­se-Ge­dicht wird nicht sel­ten von ei­ner über­ra­schen­den Sen­tenz ge­tra­gen (Gott kennt nur / Le­bens­ab­schnitts­ge­fähr­ten), Hai­ku- oder Tanka-haf­te Bild­ver­kür­zun­gen (Der Schei­ben­wi­scher eine Wim­per / die dem Re­gen / schö­ne Au­gen macht). Der Le­ser sieht da­nach kla­rer. Dazu ver­hel­fen Um­keh­run­gen des Er­war­te­ten, un­er­war­te­te Ver­knüp­fun­gen, oxy­mo­roni­sche Ge­span­ne. Hei­se ist in „Brief­tau­ben im In­ter­net“ ein Meis­ter der Rhe­to­rik im Gelegenheitsgedicht.
Zu­sam­men ge­nom­men: die Fix­Poet­ry-Her­aus­ge­ber Ju­li­et­ta Fix und Frank Mi­laut­z­cki sind er­neut zu be­glück­wün­schen, wie die Au­toren ih­rer gu­ten Wahl. ♦

Drei Le­se­hef­te 1/2010: Ly­rik von Hans-Jür­gen Hei­se, Ro­bert Mo­nat und An­dré Schin­kel, Ly­rik-Por­tal Fix­poet­ry, ISBN 978-3-941296-15-2 / ISBN 978-3-941296-17-6 / ISBN 978-3-941296-16-9


Klaus MartensKlaus Mar­tens

Geb. 1944 in Kirchdorf/D, Stu­di­um der An­glis­tik und Ger­ma­nis­tik in Göt­tin­gen, Pro­mo­ti­on 1979, zwi­schen 1979 und 1989 Lehr­auf­trä­ge an den Uni­ver­si­tä­ten Göt­tin­gen, Müns­ter und Kas­sel, zahl­rei­che li­te­ra­tur­wis­sen­schat­li­che und über­set­ze­ri­sche Pu­bli­ka­tio­nen in Bü­chern und Zeit­schrif­ten, Mit­glied des PEN Deutsch­land, di­ver­se Ly­rik-Ver­öf­fent­li­chun­gen, lebt als emer. Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor in Saarbrücken/D

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch Ge­dich­te der Fix­poet­ry-Her­aus­ge­be­rin Ju­li­et­ta Fix: Ein Fest

… so­wie zum Stich­wort Ly­rik über den Ge­dich­te-Band von Ro­ger Mon­ner­at: Flü­gel zum Nichtfliegen

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