Piper : Liebesbriefe berühmter Frauen (Anthologie)

Benjamin, Sie haben mein Leben verzehrt!“

von Karin Afshar

Mein Lie­ber,
es trifft sich gut, dass du weit fort bist. Nein, ver­steh mich nicht falsch! – Ich ver­mis­se dich und dei­ne Ge­gen­wart, dei­ne brum­mi­gen Ma­cken, un­ser Ge­schimp­fe über die Po­li­tik, dei­ne Für­sorg­lich­keit. Ich ver­mis­se uns.
Aber es trifft sich gut, dass du fort bist, denn nach lan­ger Zeit habe ich wie­der ein Buch in die Hand ge­nom­men. Du hast dir im­mer ge­wünscht, ich möge mich in die Le­se­ecke set­zen, jetzt sit­ze ich hier. Wenn ich dir den Ti­tel sage, wirst du auf­stöh­nen. Er lau­tet „Lie­bes­brie­fe be­rühm­ter Frau­en“. Es ist ein ech­tes Frauenbuch.
Es trifft sich gut, dass du fort bist, denn es hat mich nun dazu ge­bracht, dir nach lan­ger Zeit wie­der ei­nen Brief zu schrei­ben. Weisst du noch, all die Brie­fe? Lie­gen sie noch un­ten im Schrank?
In die­sem Buch hier sind 50 Lie­bes­brie­fe ab­ge­druckt, Na­men be­kommst du wei­ter un­ten. Zu den Brie­fen ha­ben die Her­aus­ge­ber je­weils kla­re und mensch­li­che Tex­te ge­schrie­ben, da­mit die Le­se­rin er­mes­sen kann, wel­chen Stel­len­wert der Brief und der Adres­sier­te im wei­te­ren Ver­lauf ih­res Le­bens hat­te. Denn nicht alle Be­zie­hun­gen, von de­nen hier ge­schrie­ben wird, blie­ben glück­lich. Man­che en­de­ten sehr bald, an­de­re be­en­de­te der Tod.

Frauen und Männer lieben unterschiedlich

Liebesbriefe berühmter Frauen

Aus nicht we­ni­gen Brie­fen ist Ver­liebt­heit und fast schon Be­ses­sen­heit zu er­le­sen, in an­de­ren die Vor­ah­nung, dass die Lie­be ge­fähr­det ist, in noch an­de­ren ist aus Ver­liebt­heit die tie­fe Ge­wiss­heit der Lie­be ge­wor­den – und Ma­rie Cu­rie hat ihre Brie­fe an ih­ren töd­lich ver­un­glück­ten Mann ge­schrie­ben, um sei­nen Tod zu be­grei­fen. Da kön­nen ei­nem Schau­er über den Rü­cken lau­fen.  – Lach nicht. Ich darf so schrei­ben, ich bin eine Frau.
Was mich auch ge­fes­selt hat, war die Ent­de­ckung, dass Frau­en aus vor­her­ge­hen­den Jahr­hun­der­ten ihre Emp­fin­dun­gen und Sehn­süch­te eben­so gut, viel­leicht so­gar bes­ser zu äus­sern wuss­ten als manch eine der Eman­zen heu­te. Cla­ra Wieck fin­det mit 19 Jah­ren sehr be­stim­men­de Wor­te; das hat mich be­ein­druckt. Chris­tia­ne Vul­pi­us, die an Goe­the schreibt, schreibt so, wie ihr der Schna­bel ge­wach­sen ist. Ganz ne­ben­bei ent­de­cken die Brie­fe na­tür­lich auch den Angesprochenen!
Im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert lei­de ich mit Edith Piaf und Ca­mil­le Clau­del. Du hast mich doch erst vor ei­ni­gen Ta­gen auf den wohl be­rühm­tes­ten Ro­man­an­fang der Li­te­ra­tur ver­wie­sen: „Alle glück­li­chen Fa­mi­li­en glei­chen ein­an­der, jede un­glück­li­che Fa­mi­lie ist auf ihre ei­ge­ne Wei­se un­glück­lich.“ – So kann man es wohl auch für die Lie­be sagen.
Ich wer­de der Fra­ge, ob Frau­en und Män­ner un­ter­schied­lich lie­ben, noch ein­mal nach­ge­hen müs­sen, und dann wer­den wir dar­über strei­ten! Ich mei­ne näm­lich un­be­dingt ja!

Liebevoll aufgearbeitetes Buch

Liebesbriefe berühmter Frauen: Clara Wieck, Edith Piaf, Marie Curie, Marilyne Monroe
Lie­bes­brie­fe be­rühm­ter Frau­en: Cla­ra Wieck, Edith Piaf, Ma­rie Cu­rie, Ma­ri­ly­ne Monroe

Zu die­sem Buch gab es be­reits ei­nen Vor­gän­ger, die „Lie­bes­brie­fe gros­ser Män­ner“. Wie das aus­fiel, weiss ich na­tür­lich nicht, aber die­ses Buch hier ha­ben Pe­tra Mül­ler und Rai­ner Wie­land sehr lie­be­voll auf­ge­ar­bei­tet. Ich be­kom­me Lust, mich ein­mal mehr mit Si­mo­ne de Be­au­voir und Carson Mc­Cul­lers zu be­schäf­ti­gen. Fri­da Kahlo, die du nicht so magst, ist da­bei und Pau­la Mo­der­sohn-Be­cker, de­ren Bil­der dir wie­der­um sehr ge­fal­len. Ich er­zäh­le dir bei Ge­le­gen­heit von ih­ren Brie­fen. Von Ma­ry­lin Mon­roe ist ein sehr kur­zer Brief nur ab­ge­druckt, aber der zeigt mei­ner Ein­schät­zung nach sehr gut ihr Di­lem­ma. Den Schluss macht die Lie­bes­ge­schich­te des letz­ten Jahr­hun­derts, als ein Kö­nig auf den Thron ve­zich­te­te. Wal­lis Simpson schreibt an Ed­ward, ob es nicht bes­ser sei, „sie ma­che sich aus dem Staub“. Du weisst, mir ge­fällt dergleichen.

Vermisst: Die Frauenbilder

Die
Die „Carry&Mr.Big-Gucker“ als Le­ser­ziel­grup­pe? (Sze­ne aus „Sex and the City“)

Man kann den Her­aus­ge­bern gra­tu­lie­ren, ein ge­lun­ge­nes Buch. Wenn bloss  – und jetzt wirst du wie­der sa­gen, ich hät­te ja eh im­mer et­was zu me­ckern – der Ein­band nicht so kit­schig wäre. Da ha­ben sie doch aus Sex-and-the-City (die Se­rie, die ich mir üb­ri­gens nie an­ge­schaut habe – ehr­lich!) Car­ry und ih­ren Mr. Big ab­ge­druckt und das auch noch mit pink­far­be­ner Rück­sei­te. Also, das ist ein biss­chen sehr dick auf­ge­tra­gen und ein Wink mit dem Zaun­pfahl an die Zielgruppe.
Da­bei hät­te es dem Buch gut ge­stan­den, wenn die Frau­en, die im In­nern zu Wort kom­men, auch ge­zeigt wer­den. Hil­de Knef war eine schö­ne Frau, In­grid Berg­mann, Sa­rah Ber­nard und Vir­gi­nia Woolf wa­ren be­kannt ge­nug, um zum Hin­gu­cker zu werden.
Ich wer­de das Buch noch das eine oder an­de­re Mal in die Hand neh­men, bis du wie­der­kommst. Und das ist hof­fent­lich bald, denn ich möch­te kei­nen Tag ohne dich auf­wa­chen und ein­schla­fen. Schön, dass es dich gibt… ♦

P.Müller und R.Wieland (Hg.), Lie­bes­brie­fe be­rühm­ter Frau­en, Pi­per Ver­lag, 216 Sei­ten, ISBN 978-3492257961

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