Steffen M. Diebold: Vier Jahreszeiten-Gedichte

Vier Jahreszeiten-Gedichte

Pfle­ge­heim

Was bleibt vom Tage
Stopfei und Nadel,
ein Fingerhut?
Aus dem Nähkästchen
ge­plau­dert ein Leben
lang viel Lärm
um nichts.

Die Steh­lam­pe der Zimmerecke,
ein paar ver­gilb­ter Fo­tos Alben
ein Stein, ein Epitaph –
ist es denn rechtens,
dass die Kin­der vor den El­tern gehen?

Ra­dio, Ses­sel, Stuhl und Bett
das Zim­mer ist geräumt
noch vor die Asche
sich im Wind zerstreut.

Das Tür­schild abmontiert,
ent­sorgt die angebrochenen
„Ko­re­ga-Tabs“ un­ter den Briefen
das Gruss­wort der Stadt.

Was bleibt –
ein Leib­fell aus Kat­zen­haar, das Brillenetui,
und an der Wand
„Je­sus als Hirte“.

Was bleibt –
an je­nem März­mor­gen, der
Eis­wind in den Haaren
der Kon­do­len­ten im Gegenwert
von Sperlingstränen.

Ter­ras­sen­som­mer

An lan­gen Spies­sen spreizen
ole­an­der­ro­te Kelche
in­stru­ie­ren zur Landung
an­set­zen­de Paarflügler.

Lau­er Wind
schüt­telt die Falter
vom Flie­der, und im Teich
schlen­dert ein toter
Fisch un­ter den Stein.

Am gal­li­schen Tontopf
schwillt dekorativ
der Holz­hahn, über­haupt viel
Ter­ra­cot­ta und mediterranes
Art Deco, stil­voll drapiert,

die we­ni­ger geist­vol­le Amsel
stillt ih­ren Durst am
„Ba­seng“ wäh­rend ein dreister
Spatz über die Steingutkübel
scheisst, was für ein blendender
Sommer!

Dienst­fahrt ins Wochenende

Durch die Schat­ten der Frühe
fällt der Schweif des Septembers,
die Ne­bel lich­ten über
Ost­rach und Upflamör.

Vom Weiss­dorn bewacht
steht ein Feldkreuz,
und Schneemar­beln lauschen
dem La­chen der Vögel.

Ge­gen weit­läu­fi­ge Himmel
zie­hen die Wiesen,
dort schim­mert rotäugig
das Obst im Gebälk.

Licht­fä­den zittern
am Fachwerk.

Aus den Au­gen keil
mir den glim­men­den Span,
wär­men­de Heimat
halt Hof
wieder.

Ho­tel­pool im Winter

Tau­was­ser­ge­sät­tigt, ihre
Bob­bies an den Pool geräkelt,
sie zwit­schern einen,
den an­dern le­gen sie
flach mann
und Sekt, schmeckt
frau herrlich.

Whirl­per­len im Delta,
wäh­rend draus­sen Frau Holle
die Flausch­hemd­chen schüttelt,
dral­le Mäd­chen, alle
in zu engen
Eis­bär­kos­tüm­chen, Zuckerrüben
mit weissen
Kapuzen.


Steffen Diebold - Glarean Magazin
Stef­fen Die­bold – Glarean Magazin

Stef­fen M. Diebold

Geb. 1967, Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten, der his­to­ri­schen Hilfs­wis­sen­schaf­ten und der Phar­ma­zie in Tü­bin­gen, Frank­furt und Gö­te­borg, ver­hei­ra­tet, zwei Töch­ter; Kom­po­si­tio­nen von Kla­vier­lie­dern und für ge­misch­ten Chor (a ca­pel­la), zahl­rei­che Ver­öf­fent­li­chun­gen in Zeit­schrif­ten und An­tho­lo­gien, ver­schie­de­ne Aus­zeich­nun­gen, lebt, ar­bei­tet und dich­tet am Fuss der Schwä­bi­schen Alb

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