Corazón-Quartett: Wasser, Licht & Zeit (CD)

Und letztlich verabschiedet sich alles mit einem leisen Seufzen

von Alex­an­der Remde

Das Münch­ner Co­ra­zón-Quar­tett wur­de im Au­gust 2008 ge­grün­det und ver­öf­fent­licht nun sei­ne ers­te CD mit dem Ti­tel “Was­ser, Licht & Zeit”. In­itia­tor und Lei­ter des Quar­tetts ist der Gi­tar­rist Lori Lo­ren­zen. Aus un­zäh­li­gen Stu­dio­pro­duk­tio­nen und als Part des Fla­men­go/La­tin-Duo “Al­vora­da” dürf­te er vie­len, die sich in die­ser Spar­te der Mu­sik­welt be­we­gen, be­kannt sein. In sei­nem ei­ge­nen Ton­stu­dio wur­de die vor­lie­gen­de CD pro­du­ziert, wei­ters zeich­net er für die gra­fi­sche Ge­stal­tung ver­ant­wort­lich. Das Quar­tett ver­voll­stän­di­gen Wolf­gang Wall­ner an der Gi­tar­re, der slo­wa­ki­sche Bas­sist Pe­ter Cu­dek und der Per­kus­sio­nist Ro­man Seehon, der auch schon mit dem po­pu­lä­ren Rock­mu­si­ker Mike Old­field zu­sam­men­ge­ar­bei­tet hat. Als “stän­di­ger Gast” (was im­mer das hier auch be­deu­ten mag) wird die Sän­ge­rin Ma­ri­et­te Rad­tke prä­sen­tiert, und zwei Ti­tel die­ser CD er­freu­en sich der Mit­wir­kung von Rein­hard Grei­ner, der Trom­pe­te und Flü­gel­horn bläst.

Unbehagen nach der ersten Begegnung

Corazon-Quartet - Wasser, Licht & Zeit - Feat, Mariette Radtke, Flux RecordsHier sam­meln sich her­vor­ra­gen­de Mu­si­ker, und man soll­te mei­nen, das Er­geb­nis ist eben­so ex­zel­lent. Doch was ist bes­tens, wenn es sub­jek­tiv be­ur­teilt wird (und nichts an­de­res ge­schieht ja, wenn Mu­sik be­wer­tet wird)? No­ten zu ver­ge­ben ist eben­so ober­fläch­lich wie ar­ro­gant. Eine Stim­mung be­schrei­ben zu wol­len ist ab­hän­gig von der ei­ge­nen Lau­ne, und kein Werk, wel­ches mit bes­ten Ab­sich­ten ge­schaf­fen wur­de, hat es ver­dient, in schlech­ten Stun­den ge­hört zu wer­den. So habe ich nach der ers­ten Be­geg­nung mit “Was­ser, Licht & Zeit” das Un­be­ha­gen, das ich spür­te, un­be­ach­tet gelassen.

Als ich beim zwei­ten Hö­ren auch nicht los­las­sen konn­te, bes­ser ge­sagt, ein Fal­len­las­sen im­mer wie­der ge­stört wur­de, ging ich dar­an, zu er­grün­den, was nicht passt. Es fiel mir auf, dass ich we­ni­ger Pro­ble­me mit den In­stru­men­tal­stü­cken hat­te, aber im­mer wenn Ge­sang dräng­te, wur­de aus ei­ner an­ge­neh­men Span­nung wir­ren­der Wi­der­spruch. Ma­ri­et­te Rad­tke be­herrscht das Hand­werk des Ge­san­ges zwei­fels­oh­ne. Nur: wie kann so be­ja­hen­de Spiel­freu­de sich mit ei­ner Me­lo­die­füh­rung paa­ren, die zur Flos­kel neigt? Auch jeg­li­che in die­ser Pro­duk­ti­on auf­blit­zen­de Me­lan­cho­lie ent­springt den In­stru­men­ten, das Vo­ka­le schaut ein­fach nur trau­rig hinterher.

Unglaubwürdige Texte bis zur Pseudolyrik

Ge­för­dert wird die­ses Schei­tern durch Tex­te, de­nen es an Au­to­no­mie und Glaub­wür­dig­keit fehlt. Nun kann nicht je­der über die ly­ri­sche Kraft ei­nes Her­mann Hes­se ver­fü­gen, aber wenn der Ho­ri­zont der Sub­stan­ti­ve über­wie­gend aus alt­be­kann­ten Bah­nen be­steht, ver­kommt man­ches Gut­ge­mein­te zur Pseu­d­oly­rik. Beispiel:

Der Wein rot wie Rubin,
das Meer aquamarin
und Vo­gel­schwär­me ziehn vorbei.
Die Fel­der braun wie Zimt,
lieb­kost ein sanf­ter Wind,
Zeit scheint unbestimmt,
das Le­ben ist uns wohlgesinnt,
so gross und grenzenlos.

Partitur-Anfang von
Par­ti­tur-An­fang von “Das Glas” (Kom­po­si­ti­on und Ar­ran­ge­ment: J. Lori Lorenzen)

Einheit aus Flamenco und Jazz

Die­se Qua­li­tät steht im kras­sen Ge­gen­satz zu dem, was mu­si­ka­lisch er­lebt wer­den kann: Prä­zi­se Rhyth­mus­ar­beit, die sich nicht auf­drängt und den­noch mit ih­rer Ge­gen­wart dem Ge­lin­gen dient, ein ver­spon­ne­ner Bass, dem Platz für Soli ge­gönnt wird, die er dank­bar nutzt, und ein Gi­tar­ren­spiel, das er­klärt, war­um die­ses In­stru­ment nichts an Po­pu­la­ri­tät ein­ge­büsst hat. Hier sind wah­re Ka­pa­zi­tä­ten am Werk, die ein gros­ses, nicht vie­len zur Ver­fü­gung ste­hen­des Spek­trum nut­zen. Mein per­sön­li­cher Fa­vo­rit auf der CD “Was­ser, Licht & Zeit” vom Co­ra­zon-Quar­tett ist der zehn­te und letz­te Ti­tel: “Man­s­arez”. Eine Ein­heit aus Fla­men­co-Folk­lo­re und Jazz; wenn po­pu­lär wir­kend, ei­nen Bruch brin­gend, dem ein Soli folgt, das über al­lem steht und doch in­te­gra­ler Be­stand­teil des­sen ist, was ich die Wirk­sam­keit der Mu­sik nen­ne. Wie Was­ser flies­sen ge­mein­sam Bass und Schlag­werk hin zu dem, was den Gi­tar­ren ent­sprang. Und letzt­lich ver­ab­schie­det sich al­les mit ei­nem lei­sen Seufzen. ♦

Co­ra­zon-Quar­tett, Was­ser, Licht & Zeit, Au­dio-CD, Flu­xx-Re­cords, Mün­chen 2009

CD-Titel

  1. der berg über dem meer
  2. die gär­ten des sommers
  3. das glas
  4. agua tran­qui­lo
  5. agua sil­vest­re
  6. zei­ten ver­än­dern sich
  7. aire de tango
  8. la va­ci­lo­na
  9. schö­ne zeit
  10. man­s­arez

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma “Jazz & Folk­lo­re” auch über das
Pinda­kaas-Quar­tett: Bal­lads of Good Life (CD)

… so­wie zum The­ma Kam­mer­mu­sik über die CD
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