Anke Gebert: Die Summe der Stunden (Roman)

Zu viel Stoff im Schnelldurchlauf

von Char­lot­te Ueckert

Anke Ge­bert kann Ge­schich­ten schrei­ben. Span­nen­de Ge­schich­ten, Kri­mis, de­ren Hand­lun­gen gut kon­stru­iert sind. Man sieht die­se vor sich, bild­reich und de­tail­liert. Das gilt auch für „Die Sum­me der Stun­den“, ein Ro­man-Ti­tel, den Ge­bert zum Ab­schluss durch ein Zi­tat von Wil­helm Busch er­klärt: „Die Sum­me un­se­res Le­bens sind die Stun­den, in de­nen wir liebten.“
Auch in die­sem Buch kann sich der Le­ser die Hand­lung fil­misch vor­stel­len, sie er­in­nert auch an be­reits Ver­film­tes. Ge­se­he­nes. Die Me­di­en­ver­mark­tung scheint beim Schrei­ben einbezogen.

Anke Gebert - Die Summe der Stunden - Roman - Fischer Verlage - Rezension Glarean MagazinDie Au­torin hat noch zu DDR-Zei­ten am da­ma­li­gen Johannes-R.-Becher-Institut in Leip­zig stu­diert. Spä­ter in Ham­burg Dreh­buch­schrei­ben bei Hark Bohm. Sie ver­steht et­was von Plots, da­von, wie das Le­ben spielt, spie­len kann.
Der li­te­ra­tur­in­ter­es­sier­te Le­ser aber fragt sich nach der Lek­tü­re, ob er nicht bes­ser hät­te war­ten sol­len, bis er die Sto­ry im Fern­se­hen ge­se­hen hat. Wozu Bü­cher, wenn die bild­li­che Ge­stal­tung gleich mit­ge­lie­fert wird? Schrei­ben ist doch sehr viel mehr als se­hen und Hand­lun­gen verfolgen…

Der literarische Topos „Hotel“

Anke Gebert - Glarean Magazin
Anke Ge­bert

Anke Ge­bert führt uns ins Ho­tel „Ad­lon“ in Ber­lin und da­mit in die Welt von „Gala“ und „Bun­te“, nur sind es die 20ger Jah­re, die die­ses Flair bie­ten. Die heu­ti­ge, eben­falls ge­schil­der­te Wirk­lich­keit ist et­was nüch­ter­ner: Tou­ris­ten in der Lob­by und „Pa­pier­hand­tü­cher in der Toi­let­te“ statt ge­bü­gel­tes Leinen.
Ur­su­la, die Prot­ago­nis­tin des Ro­mans, de­ren an deut­scher Ge­schich­te lei­den­de Lie­bes­ge­schich­te er­zählt wird, ist die Toch­ter ei­ner Opern­di­va, die in Ho­tels auf­wächst und sich im Ho­tel „Ad­lon“ in den Pa­gen Karl ver­liebt. Die Er­zäh­lung folgt ge­ra­de im ers­ten Teil ver­schie­de­nen Mus­tern, von Irm­gard Keuns „Kind al­ler Län­der“ bis zu Käst­ners „Pünkt­chen und An­ton“. Und na­tür­lich Vicky Baums „Men­schen im Ho­tel“. Spä­ter, Ende des zwei­ten Welt­krie­ges be­geg­nen sich die bei­den wie­der und zwar im Luft­schutz­kel­ler des Ho­tels, kurz vor Karls Einberufung.
An­fang der 60er Jah­re tref­fen bei­de sich er­neut, Karl in­zwi­schen Ho­tel­be­sit­zer im Wes­ten Ber­lins, Ur­su­la Ver­käu­fe­rin in ei­nem Kon­sum im Ost­teil. Eine lei­den­schaft­li­che Lie­bes­be­zie­hung folgt, aber – der Le­ser ahnt es schon – die Er­rich­tung der Mau­er trennt die bei­den Lie­ben­den wie­der, dies­mal 28 Jah­re. Dann folgt ein Kli­schee nach dem an­de­ren. Eine Frau, die ihr Le­ben der al­ko­hol­süch­ti­gen Mut­ter wid­met, bis die­se stirbt. Die ver­spä­te­te Ent­de­ckung ei­ner Schub­la­de mit ver­zwei­fel­ten Brie­fen des Lieb­ha­bers, von der Mut­ter vor der Toch­ter ver­steckt. Ei­nen Tag nach dem Mau­er­fall steht dann der Lieb­ha­ber, prak­ti­scher­wei­se schon ver­wit­wet, vor Ur­su­las Tür. Wie gut, dass sie nicht um­ge­zo­gen ist!

Zuviel verpackt in zu nüchterner Sprache

Auf 188 Sei­ten will Ge­bert ein­fach zu­viel: Pu­ber­täts­ge­schich­te, Al­ters­lie­be und deut­sche Ge­schich­te im Schnell­durch­lauf. Stoff von Fern­seh­fil­men. Das Buch zum Ho­tel. Viel­leicht liegt es in den Zim­mern des „Ad­lon“ oder an der Re­zep­ti­on, zur rich­ti­gen Zeit für den rich­ti­gen Ort ge­schrie­ben? In Ge­berts Spra­che ver­bleibt trotz emo­tio­na­ler Hand­lung eine Nüch­tern­heit, mit der auch der Le­ser das Buch aus der Hand legt. ♦

Anke Ge­bert, Die Sum­me der Stun­den, Ro­man, Fi­scher Ta­schen­buch Ver­lag, 188 Sei­ten, ISBN 978-3596166404

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