William Duggan: Geistesblitze (Psychologie)

Strategische Intuition“ als kreative Denkmethode

von Wal­ter Eigenmann

Wil­liam Dug­gan, Pro­fes­sor an der Co­lum­bia Busi­ness School, ist über­zeugt, dass die Ge­nie­strei­che gros­ser Per­sön­lich­kei­ten der Welt­ge­schich­te nicht als zu­fäl­li­ge Ein­ge­bun­gen aus hei­te­rem Him­mel her­nie­der­stür­zen, son­dern dass al­len her­aus­ra­gen­den mensch­li­chen Leis­tun­gen ein ge­mein­sa­mer Wirk­me­cha­nis­mus zu­grun­de­liegt. Die­sen Wirk­me­cha­nis­mus nennt Dug­gan „Stra­te­gi­sche In­tui­ti­on“, und in sei­nem neu­es­ten, jetzt ins Deut­sche über­setz­ten Buch „Geis­tes­blit­ze“ spürt er an­hand der Bio­gra­phien be­deu­ten­der Köp­fe von Ko­per­ni­kus und Na­po­le­on über Pi­cas­so bis hin zu J.F. Ken­ne­dy und Bill Gates ei­ni­gen his­to­risch ein­schnei­den­den Mo­men­ten als Re­sul­ta­te eben die­ser „Stra­te­gi­schen In­tui­ti­on“ nach.

Die durchschlagende Fähigkeit des „Geistesblitzes“ im „Aha-Erlebnis“

William Duggan: Geistesblitze - Wie wir Intuition zur Strategie machen können Lübbe VerlagDer Denk­an­satz Dug­gans ist ein um­fas­sen­der, auf Teil­ge­bie­ten gar „re­vo­lu­tio­nä­rer“, wie der Busi­ness-Pro­fes­sor schon ein­gangs sei­ner 270-sei­ti­gen Ab­hand­lung un­miss­ver­ständ­lich de­kla­riert: „Die gän­gi­gen Af­fas­sun­gen in den ein­zel­nen Be­rei­chen – Stra­te­gie­pla­nung, Wis­sen­schafts­me­tho­dik, Krea­ti­vi­tät, Ideen­fin­dung, ra­tio­na­le Ent­schei­dungs­fin­dung, Team­ar­beit, Un­ter­neh­mens­füh­rung und In­no­va­ti­on – ent­stan­den al­le­samt zu ei­ner Zeit, be­vor die Neu­ro­wis­sen­schaft im­stan­de war zu zei­gen, was beim Den­ken im Ge­hirn pas­siert. Kein Wun­der also, dass all die­se Theo­rien nur zwei Ar­ten von geis­ti­ger Ak­ti­vi­tät ken­nen: den ra­tio­na­len Ge­dan­ken und die krea­ti­ve Vor­stel­lungs­kraft.“ Doch ge­mäss Dug­gan sind die­se bei­den Pole auf­zu­he­ben in ei­ner drit­ten, dann durch­schla­gen­den Fä­hig­keit: im „Geis­tes­blitz“, im „Aha-Er­leb­nis“ – Schlüs­sel­ele­men­te als Re­sul­ta­te eben „Stra­te­gi­scher Intuition“.

Logisch-analytische und kreativ-intuitive Denkweisen verbunden

Barry Gordon
Bar­ry Gordon

Dug­gan re­fe­riert da­mit auf entspr. neu­ro­lo­gi­sche For­schun­gen z.B. von Bar­ry Gor­don (2003), der den Be­griff „In­tel­li­gen­tes Ge­dächt­nis“ in die wis­sen­schaft­li­che Dis­kus­si­on ein­führ­te: „Das in­tel­li­gen­te Ge­dächt­nis gleicht ei­ner Mal­vor­la­ge, bei der man ein­zel­ne Punk­te mit­ein­an­der ver­bin­det, da­mit ein Bild ent­steht. Die Punk­te ste­hen für die Ein­zel­tei­le oder Ideen, die Li­ni­en da­zwi­schen sind die Ver­bin­dun­gen oder As­so­zia­tio­nen. Die Li­ni­en kön­nen in­ein­an­der­flies­sen, sich zu grös­se­ren Frag­men­ten ver­bin­den und zu ei­nem kla­ren Ge­dan­ken ver­schmel­zen. Die­ser kla­re Ge­dan­ke kann ein vi­su­el­les Bild sein, ein klei­ner Er­kennt­nis­ge­winn, eine Idee oder so­gar eine Lö­sung für ein Pro­blem.“ Dar­auf ba­sie­rend führt Au­tor Dug­gan sein Denk­mo­tiv der „Stra­te­gi­schen In­tui­ti­on“ wei­ter aus: „Das in­tel­li­gen­te Ge­dächt­nis ver­mag bei­de Denk­wei­sen – das lo­gisch-ana­ly­ti­sche und das krea­tiv-in­tui­ti­ve – in ei­nem ein­zi­gen Denk-Mo­dus zu ver­ei­nen.“ Wäh­rend frü­he­re Hirn­for­schun­gen seit der Ent­de­ckung der bei­den Hirn­hälf­ten das in­tui­ti­ve Den­ken gleich­wer­tig ne­ben das lo­gisch-ana­ly­ti­sche stell­ten, geht die Theo­rie vom „in­tel­li­gen­ten Ge­dächt­nis“ noch ei­nen Schritt wei­ter; ge­mäss Dug­gan macht sie die In­tui­ti­on zum krea­ti­ven Be­stand­teil al­ler Ge­dan­ken, ein­schliess­lich der lo­gisch-ana­ly­ti­schen: „Stra­te­gi­sche In­tui­ti­on ent­wi­ckelt mit­hil­fe des in­tel­li­gen­ten Ge­dächt­nis­ses aus dem Vor­wis­sen, das im Ge­dächt­nis ver­an­kert ist, gang­ba­re Hand­lungs­schrit­te für die Zukunft“.

Kreativität ist planbar

William Duggan - Glarean Magazin
Wil­liam Duggan

In der Fol­ge ent­wi­ckelt nun der Au­tor an­hand völ­lig he­te­ro­ge­ner Le­bens­läu­fe be­rühm­ter Per­sön­lich­kei­ten bzw. de­ren bahn­bre­chen­den Ent­de­ckun­gen oder Er­kennt­nis­se sei­ne The­se, dass Ein­ge­bung nichts mit Ge­nia­li­tät zu tun hat, dass viel­mehr Krea­ti­vi­tät qua­si „plan­bar“ und die „Stra­te­gi­sche In­tui­ti­on“ auch kei­nes­wegs eine hoch­kom­ple­xe Sa­che ist, son­dern grund­sätz­lich nach ei­nem über­ra­schend ein­fa­chen Mus­ter ab­läuft, mit­hin auch dem ein­fa­chen „Mann auf der Stras­se“ er­reich­bar ist. Denn der „Ge­nie­blitz“ wirkt zwar wie ein schein­bar völ­lig un­ver­mit­tel­ter Ideen-Sprung des Hirns, ist aber tat­säch­lich das Re­sul­tat der krea­ti­ven Ver­qui­ckung von Er­fah­rung und be­wusst un­or­tho­do­xem Den­ken. Dug­gan zi­tiert hier­zu den be­rühm­ten Ap­ple-Grün­der Jobs, ei­nen der krea­tivs­ten Köp­fe welt­weit in der Com­pu­ter­bran­che: „Krea­ti­vi­tät be­deu­tet, Din­ge ein­fach mit­ein­an­der zu ver­bin­den. Fragt man ei­nen krea­ti­ven Men­schen, wie er dies oder das ge­macht hat, ern­tet man nur ei­nen et­was ver­le­ge­nen Blick, denn ei­gent­lich hat nicht er es ge­macht, es hat sich ir­gend­wie von selbst ge­macht, und er hat es nur ent­deckt. Und das er­schien ihm nach ei­ner Wei­le ganz selbst­ver­ständ­lich. Das liegt dar­an, dass krea­ti­ve Men­schen über die Fä­hig­keit ver­fü­gen, Er­fah­run­gen aus der Ver­gan­gen­heit mit­ein­an­der in Ver­bin­dung zu brin­gen und dar­aus neue Din­ge zu bilden.“

Vorgefasste Meinungen vermeiden

Eine in der Rea­li­tät wich­ti­ge Be­din­gung, dass „Geis­tes­blit­ze“ auf­grund von Er­fah­rung und mit­hil­fe von „Stra­te­gi­scher In­tui­ti­on“ über­haupt „zün­den“ kön­nen, ist nach Dug­gan die „Geis­tes­ge­gen­wart“: „Der Geist muss von vor­ge­fass­ten Mei­nun­gen über das Pro­blem, die Lö­sung und die Ziel­set­zung frei sein. Und das pas­siert des­halb un­ter der Du­sche, weil man geis­tig ent­spannt ist. Die­sen Zu­stand be­wusst her­bei­zu­füh­ren ist sehr schwie­rig“. Doch auch dies führt noch nicht zum end­gül­ti­gen Durch­bruch, wenn nicht ein letz­tes Ele­ment hin­zu­tritt, näm­lich die Ent­schei­dung, der Ent­schluss, „der Wil­le zur Hand­lung“. Dug­gan: „Man sagt sich nicht: Ach, jetzt ver­ste­he ich, jetzt weiss ich, was ich tun muss. Son­dern man sagt: Ich weiss, was zu tun ist, und ich will es auch tun.“

Wil­liam Dug­gan, Geis­tes­blit­ze – Wie wir In­tui­ti­on zur Stra­te­gie ma­chen kön­nen, Gus­tav Lüb­be Ver­lag (Über­set­zung: Re­gi­na Schnei­der), 270 Sei­ten, ISBN 978-3785723821

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Neu­ro­wis­sen­schaf­ten auch über
H.J. Neu­mann & H. Eber­le: War Hit­ler krank?

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