Jon Speelman: Buch der Schachaufgaben

Praktische Schule der Taktik

von Walter Eigenmann

Als der eng­li­sche Gross­meis­ter Jo­na­than Speel­man vor ei­nem Jahr sei­nen „Gambit-Book“-Erstling „Jon Speelman’s Ch­ess Puz­zle Book“ prä­sen­tier­te, wa­ren Pres­se und Le­ser des Lo­bes voll über die­se Auf­ga­ben-Samm­lung in Sa­chen Schach-Tak­tik. Denn nicht nur, dass der gros­se End­spiel-Tech­ni­ker und am Brett äus­serst krea­ti­ve Tak­ti­ker Speel­man ge­mein­sam mit John Nunn und Tony Mi­les jah­re­lang das be­rühm­te bri­ti­sche Schach-„Triumvirat“ bil­de­te. Auch als Au­tor hat­te sich der stu­dier­te Ma­the­ma­ti­ker und WM-Halb­fi­na­list längst ei­nen her­vor­ra­gen­den Na­men ge­schaf­fen. Umso er­freu­li­cher ist nun, dass er mit sei­nen Tak­tik-Puz­zles un­ter dem Ti­tel „Buch der Schach­auf­ga­ben“ auch die gros­se deutsch­spra­chi­ge Le­ser­schaft bedient.

Taktik als Kombination von Sehvermögen und Berechnung

Jon Speelmans Buch der Schachaufgaben - Gambit VerlagGe­mäss sei­ner Grund­bot­schaft, dass Tak­tik „eine Kom­bi­na­ti­on von Seh­ver­mö­gen und Be­rech­nung“ bil­de, be­tont Au­tor Speel­man im eben er­schie­nen „Buch der Schach­auf­ga­ben“, dass die Ver­bes­se­rung der tak­ti­schen Fä­hig­kei­ten „kei­nes­wegs dunk­le Ma­gie“, son­dern durch Übung er­reich­bar sei. Und wie an­de­re Un­ter­su­chun­gen geht auch Speel­mans Ex­er­zi­ti­um von der gros­sen Be­deu­tung der „Mus­ter­er­ken­nung“ aus: „Das Seh­ver­mö­gen er­gibt such aus der Mus­ter­er­ken­nung, aus der man dann Kan­di­da­ten­zü­ge ab­lei­ten kann. Die­sem im Un­ter­be­wusst­sein ab­lau­fen­den Pro­zess liegt zwei­fel­los eine tief­grün­di­ge wis­sen­schaft­li­che Theo­rie zu­grun­de, aber der prak­ti­sche Ef­fekt für Schach­spie­ler be­steht dar­in, dass man durch Übung eher Züge sieht, die funk­tio­nie­ren könn­ten, wo­bei die Be­to­nung auf ‚könn­ten‘ liegt. – Im Be­rech­nungs­teil prüft man dann, ob die­se Züge auch wirk­lich klappen.“

Vom Elementaren zum Komplizierten als didaktisches Konzept

Di­dak­tisch setzt Speel­man die­ses sein zwei­tei­li­ges Un­ter­richts­kon­zept in be­kann­ter Ma­nier um, in­dem es vom Ele­men­ta­ren zum Kom­pli­zier­ten geht: „In mei­ner Ju­gend habe ich hun­der­te von klei­nen Tak­tik­auf­ga­ben aus Bü­chern und Zeit­schrif­ten ge­löst und bin im­mer der Mei­nung ge­we­sen, dass der bes­te Weg zur Er­zie­lung von Fort­schrit­ten dar­in be­steht, blind­lings ge­gen eine Mau­er an­zu­ren­nen, son­dern eine Rei­he nied­ri­ge­rer Hin­der­nis­se zu über­win­den und sich da­durch klei­ne, aber an­ge­neh­me Er­folgs­er­leb­nis­se zu verschaffen.“

Jon Speelman - Lese-Beispiel Buch der Schachaufgaben - Glarean Magazin
In­struk­ti­ve Lehr-Bei­spie­le: Le­se­pro­be aus dem „Buch der Schachaufgaben“

Dem­entspre­chend be­ginnt der 53-jäh­ri­ge Lon­do­ner Gross­meis­ter sein Buch mit den tak­tisch (ein-)gängigsten Ma­nö­vern wie „Sprin­ger­ga­bel“ oder „Fes­se­lung“, um so­dann die hö­he­ren Wei­hen des Kom­bi­nie­rens mit­tels kom­ple­xe­rer Be­rei­che wie „Über­las­tung“ oder „Bau­ern­um­wand­lung“ zu spen­den. Jede Auf­ga­be, die eine Art Pa­ra­dig­ma ih­res The­mas dar­stellt, geht da­bei von ei­nem Dia­gramm aus, dem ein kur­zer Um­schrieb des Puz­zles folgt. Im „Lösungen“-Abteil wer­den dann die de­tail­lier­ten Va­ri­an­ten be­spro­chen. Das „Seh­ver­mö­gen“ noch­mals ein­ge­hen­der trai­niert wird dann im Ab­schnitt „Tak­tik in der Pra­xis“, aber nun nicht mehr sys­te­ma­tisch, son­dern bunt ge­wür­felt – wie das im Par­tien-Tur­nier­all­tag ja auch der Fall ist. „Fin­ger­übun­gen“ nennt Speel­man die­se 48 Stel­lun­gen, wel­che die vor­aus­ge­gan­ge­nen Ka­pi­tel resümieren.

Für jeden Schachspieler ein Gewinn

Jon Speel­mans Buch der Schach­auf­ga­ben“ ist eine Tak­tik-Un­ter­wei­sung, die für je­den auf­stre­ben­den Cais­sa-Jün­ger mit Ge­winn stu­diert wer­den dürf­te. Denn die Kom­bi­na­to­rik-Puz­zles sind so ge­schickt, will heis­sen so bei­spiel­haft ge­wählt, dass sie als ei­gent­li­che Lern­in­hal­te bei je­dem Ama­teur in die Par­tien-Pra­xis durch­schla­gen soll­ten. Wo­bei bei sol­chen Bü­chern ja grund­sätz­lich nicht nur sys­te­ma­tisch mit dem Brett vor dem Kopf ge­büf­felt, son­dern al­ter­na­tiv durch­aus auch „Just-for-Fun“ ge­nos­sen wer­den kann: Man liest ein paar Sei­ten im Zug, die nächs­ten in der Kaf­fee­pau­se, wei­te­re vor dem Ein­schla­fen – wann und wo halt man Lust auf ein biss­chen Schachtak­tik hat. Haupt­sa­che: Nicht schummeln… ♦

Jo­na­than Speel­man, Jon Speel­mans Buch der Schach­auf­ga­ben, Gam­bit Books Ver­lag, 160 Sei­ten, ISBN 978-1-906454-02-9

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Schach­auf­ga­ben auch über Mar­tin We­te­sch­nik: Schachtak­tik – Jahr­buch 2011

… so­wie zum The­ma Schach­stu­di­en aus der Rei­he „Das Schach-Al­pha­bet“: Buch­sta­be F

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