Ruprecht Skasa-Weiss: Weitere fünf Minuten Deutsch

Wider den allgemeinen Sprach-Murks

von Walter Eigenmann

Man kann beim öf­fent­li­chen An­pran­gern von Sprach-Übeln, Gram­ma­tik-Ver­stös­sen, Mo­den-Blöd­sinn, Be­griffs-Un­si­cher­hei­ten und an­de­rer Deutsch-Stüm­pe­rei grund­sätz­lich auf zwei Ar­ten zu­gan­ge sein: Ent­we­der man stellt den Un­sinn wis­sen­schaft­lich kor­rekt-sach­lich-le­xi­ka­lisch-lang­wei­lig in den Sen­kel, wo­mög­lich mit ober­leh­rer­haft er­ho­be­nem Zei­ge­fin­ger – oder wie bei­spiels­wei­se Ru­precht Ska­sa-Weiss in sei­ner neu­en Sprach-Mo­no­gra­phie „Wei­te­re fünf Mi­nu­ten Deutsch“.

Weitere fünf Minuten Deutsch - Ruprecht Skasa-Weiss - Klett-Cotta VerlagDer Ger­ma­nist und Phi­lo­soph be­gann im Herbst 2003 in ei­ner sams­täg­li­chen Ko­lum­ne der Stutt­gar­ter Zei­tung mit be­tont un­ter­halt­sa­mem, durch­aus in­for­ma­ti­vem, aber wirk­lich poin­tier­tem „kri­ti­schem Be­äu­gen von Schlam­pe­rei­en“ – weil „al­les knap­per wird in der Welt, das Öl, der Re­gen­wald, die Men­ge der fort­pflan­zungs­freu­di­gen Deut­schen“, hin­ge­gen der „mo­di­sche Murks in der Spra­che der Me­di­en“ uns „täg­lich rei­cher zu Ge­bo­te“ ste­he. Das Ver­lags­haus Klett-Cot­ta sam­mel­te Ska­sa-Weiss‘ je­weils un­ter dem Ti­tel „Fünf Mi­nu­ten Deutsch“ er­schie­ne­nen StZ-Glos­sen  – und gibt mitt­ler­wei­le be­reits sei­nen zwei­ten Band mit ver­gnüg­lich-lehr­rei­chen Auf­sätz­chen zur „ver­murks­ten Ge­gen­warts­spra­che“ heraus.

Süffisant und maliziös Gericht haltend

Die jüngs­te „Sprach­leh­re in Plau­der­form“ des 72-jäh­ri­gen eins­ti­gen Feuil­le­ton-Re­dak­teurs, Ba­va­ria-Ate­lier-Dra­ma­turgs und Kor­rek­tors beim A.-Springer-Verlag hält da­bei süf­fi­sant, oft ma­li­zi­ös, zu­wei­len sar­kas­tisch Ge­richt über eine Viel­zahl mo­di­scher oder „deng­li­scher Pack­pa­pier­for­mu­lie­run­gen“, wie sie das „ver­holz­te Deutsch un­se­rer Nach­rich­ten­me­di­en“ mas­sen­haft zu­mu­tet. Ein Blick auf ein paar In­hal­te der ins­ge­samt 88 the­ma­tisch sehr viel­fäl­ti­gen, da­bei den Vor­gän­ger-Band er­wei­tern­den bzw. er­gän­zen­den „Deutsch-Mi­nu­ten“:
„Macht, was Ma­cher ma­chen, Sinn? – Ef­fek­tiv Frem­des, la­pi­dar be­ur­teilt – Na, heut schon was run­ter­ge­bro­chen? – Ist un­ak­zep­ta­bel in­ak­zep­ta­bel? Das Dar­stell­ba­re, deut­lich rea­li­siert – Un­se­re Liebl.-Abkz. Kita und Soli – Ge­hen Stu­die­ren­de über Stu­den­ten? – Wem oder wes ge­gen­über? – Brin­gen wir’s mal auf den Eck­punkt – Gam­mel­la­ger der Um­gangs­spra­che – Wir, die schwei­gen­de Mehr­zahl – Auf Au­gen­hö­he mit der Au­gen­hö­he – Fah­ren las­sen und fah­ren ge­las­sen – Haut­p­sa­che, kein Ne­ben­satz – Das Statt­ge­fun­de­ne, hier findet’s statt – Ge­sucht: Ver­fech­ter für den Ge­ni­tiv – Zwei­fel zwei­fels­frei in Ab­re­de ge­stellt – Er­schreck­te ich Sie, wär‘ ich erschrocken“.

Be-lesener Sprachbeobachter

So man­che der ge­ra­de im deutsch­spra­chi­gen Blät­ter­wald üp­pig spries­sen­den Sprach-Blü­ten und vie­le der in die­sem Band ge­nüss­lich-in­for­ma­tiv „vor­ge­führ­ten“ Dumm­hei­ten der Mas­sen­me­di­en fin­den ihre Be­hand­lung durch­aus auch bei ei­nem be­rühm­ten Kol­le­gen von Ska­sa-Weiss, näm­lich bei Bas­ti­an Sick und des­sen Der Da­tiv ist dem Ge­ni­tiv sein Tod. Aber Ru­precht Ska­sa-Weiss schreibt mei­nes Er­ach­tens – na­tür­lich auch un­ter der stren­gen Form-Fuch­tel der Zei­tungs­ko­lum­ne – we­ni­ger lang­at­mig, for­mu­liert wit­zi­ger, plas­ti­scher, bringt sei­ne Sache(n) im­mer so­fort auf den (meist hu­mo­ri­gen) Punkt. Der Au­tor ist ein schar­fer, buch­stäb­lich um­fas­send be-le­se­ner Sprach­be­ob­ach­ter, der zi­tiert, was das Zeug hält – zur Un­ter­maue­rung sei­ner Kri­tik, und der Le­ser­schaft zum reins­ten Lek­tü­re-Spass. Jen­seits al­ler Du­den-Hö­rig­keit also eine rund­um ver­gnüg­li­che (und sicht­lich ver­gnüg­te), da­bei kei­nes­wegs nur von Sprach-Lai­en mit Nut­zen zu le­sen­de „klei­ne Fi­bel“, wel­che tat­säch­lich – der Klap­pen­text ver­spricht nicht zu­viel – ge­eig­net ist, „in vie­len Zwei­fels­fäl­len Ori­en­tie­rung zu geben“. ♦

Ru­precht Ska­sa-Weiss, Wei­te­re Fünf Mi­nu­ten Deutsch, Die ver­murks­te Ge­gen­warts­spra­che, Klett-Cot­ta Ver­lag, 208 Sei­ten, ISBN 978-3-608-94512-6

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Spra­che auch von Ka­rin Afs­har: Der Ver­lust der Herkunft

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