Heute vor … Jahren: Des Teufels General (Zuckmayer)

Tragische Entscheidungen unbescholtener Menschen

von Wal­ter Eigenmann

Am 14. De­zem­ber 1946 wird Carl Zuck­may­ers Dra­ma „Des Teu­fels Ge­ne­ral“ am Zür­cher Schau­spiel­haus ur­auf­ge­führt. Das Stück, 1945 in Zuck­may­ers ame­ri­ka­ni­schem Exil ent­stan­den, the­ma­ti­siert den Ge­wis­sens­kon­flikt des Luft­waf­fen-Ge­ne­rals Har­ras – des­sen rea­les Vor­bild der NS-Ge­ne­ral­oberst Ernst Udet ist -, wel­cher sich Hit­lers Wehr­macht aus flie­ge­ri­scher Be­ses­sen­heit ver­schrie­ben hat, aber im De­zem­ber 1941 er­kennt, dass er mit­schul­dig wur­de an Krieg und Un­mensch­lich­keit. Har­ras sühnt sein mo­ra­li­sches Ver­sa­gen, in­dem er durch sei­nen Tod den cha­rak­ter­vol­le­ren Freund, der durch Sa­bo­ta­ge Wi­der­stand ge­leis­tet hat, dem Zu­griff der SS-Mör­der entzieht.

Idealisierung eines Nazi-Offiziers

Des Teufels General - Szenenfoto aus dem Film von H. Käutner (1954, Hauptrolle Curd Jürgens)
Des Teu­fels Ge­ne­ral – Sze­nen­fo­to aus dem Film von H. Käut­ner (1954, Haupt­rol­le Curd Jürgens)

Kri­ti­sche Köp­fe (auch des da­ma­li­gen Wi­der­stan­des) war­fen Zuck­may­er bis heu­te vor, er habe die Ge­stalt Har­ras‘ idea­li­siert. Be­für­wor­ter hin­ge­gen an­er­ken­nen die „li­te­ra­tur­po­li­ti­sche“ Leis­tung des Dra­mas, wel­ches un­mit­tel­bar nach der Nazi-Bar­ba­rei eine öf­fent­li­che Dis­kus­si­on um die Mög­lich­kei­ten des ak­ti­ven Wi­der­stands bzw. der pas­si­ven Dul­dung ent­fach­te. Vor al­lem bei den jün­ge­ren Deut­schen weck­te Zuck­may­er, der sich selbst den Ge­sprä­chen in vie­len Städ­ten stell­te, ein Be­wusst­sein von of­fe­nen und frei­en Reden.

Tragische Entscheidung von unbescholtenen Menschen

Carl Zuckmayer (1896-1977)
Carl Zuck­may­er (1896-1977)

Zuck­may­er selbst war sich im Kla­ren dar­über, dass sein Drei­ak­ter zu be­wuss­ten Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen be­nutzt wer­den konn­te. Zehn Jah­re nach der en­thu­si­as­tisch ge­fei­er­ten Lon­do­ner Auf­füh­rung zog der Au­tor das Stück von sämt­li­chen deut­schen Büh­nen zu­rück. Zuck­may­er: „Es wäre all­zu­leicht, im po­si­ti­ven oder ne­ga­ti­ven Sin­ne, das Stück heu­te als ‚Ent­schul­di­gung‘ ei­nes ge­wis­sen Mit­ma­cher­typs miss­zu­ver­ste­hen. Sein In­halt ist je­doch die tra­gi­sche Si­tua­ti­on und schliess­lich die tra­gi­sche Ent­schei­dung von un­be­schol­te­nen Men­schen, die ge­zwun­gen sind, oder sich, wie Har­ras, aus Leicht­sinn dazu her­ge­ge­ben ha­ben, ei­ner ih­nen ver­hass­ten Ge­walt­herr­schaft zu dienen.“
Der Dra­ma­ti­ker wid­met das just nach dem Krieg be­en­de­te Stück sei­nen von den Na­zis er­mor­de­ten Freun­den Theo­dor Hau­bach, Wil­helm Leu­sch­ner und Hel­muth von Moltke.

Kongeniale Verfilmung

"Nur zum Teil durch tatsächliche Ereignisse und Personen angeregt": Theater-Anzeige der Uraufführung von "Des Teufels General"
„Nur zum Teil durch tat­säch­li­che Er­eig­nis­se und Per­so­nen an­ge­regt“: Thea­ter-An­zei­ge der Ur­auf­füh­rung von „Des Teu­fels General“

1954 nimmt sich der Re­gis­seur Hel­mut Käut­ner der Ver­fil­mung des Zuck­may­er-Schau­spiels an, be­setzt die Haupt­rol­len mit Curd Jür­gens und Ma­ri­an­ne Koch. Die Film-Ma­cher er­hiel­ten vom Au­tor un­be­schränk­te Voll­macht, was in zu­sätz­li­chen Hand­lungs­strän­gen und Hin­zu­fü­gun­gen von Cha­rak­te­ren re­sul­tier­te. Ins­be­son­de­re der Har­ras-Ge­gen­spie­ler und Himm­ler-Ad­lat Schmidt-Lau­sitz wird vom tum­ben Be­fehls­voll­stre­cker zum in­tel­li­gent agie­ren­den SS-Of­fi­zier auf­ge­wer­tet. Der Film er­hielt meh­re­re Aus­zeich­nun­gen und gilt als kon­ge­nia­le Rea­li­sie­rung der Zuck­maye­ri­schen Intentionen.♦

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin in der Ru­brik „Heu­te vor…“ auch über „Die Zo­fen“ von Jean Genet
… so­wie zum The­ma Nazi-Bar­ba­rei über Os­kar Ma­ria Graf: Un­ru­he um ei­nen Friedfertigen
… aus­ser­dem in der Ru­brik „Heu­te vor…“: Peer Gynt von H. Ib­sen (Me­ta­mor­pho­se ei­nes Taugenichts)

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