Barbara A. Lehner: Besetzt (Humoreske)

Besetzt

Bar­ba­ra A. Lehner

Mein Kör­per ist besetzt.
In mei­nem Na­cken hockt der Schalk und du­el­liert sich mit der Angst, bis mir der Kra­gen platzt. Wie­der ein­mal bleibt die Angst Sie­ger und schnürt mir mit ih­ren ros­ti­gen Ket­ten die Keh­le zu. Der Frosch im Hals wird grau­sam er­würgt, das La­chen bleibt im Auf­zug ste­cken und die Stim­me er­bricht. Ich schreie, aber mei­ne Schreie fin­den kein of­fe­nes Ohr.
Da­bei will ich we­der Ge­sicht noch den Kopf verlieren.
Auf mei­ner Schul­ter las­tet die Ver­ant­wor­tung. Für mich, mei­ne Fa­mi­lie, mei­ne Kli­en­ten, mein Land. Für die gan­ze Welt. Ich kann sie nicht auf die leich­te Schul­ter neh­men, die Käl­te und die In­to­le­ranz ge­hen mir Hand in Hand an die Nie­ren. Mein Zorn spuckt Gift und Galle.
Die Laus trai­niert aus­ge­rech­net auf mei­ner Le­ber für den New York Ma­ra­thon und mei­ne Selbst­zwei­fel fal­len mir im­mer wie­der in den Rücken.
Al­les in mir ist aus den Fu­gen ge­ra­ten, das Herz auf der ei­si­gen Glät­te aus- und in die Hose ge­rutscht. Im Bauch wü­tet die Wut, im Hin­tern Hum­meln. Ich wün­sche mir ein di­cke­res Fell auf mei­ner Gän­se­haut, in der ich nicht ste­cken will.
Der Miss­erfolg ist mit dem Pa­ter­nos­ter in mei­nen Kopf gerast.
Ich will mich wehren.
Aber ich be­herr­sche die Tech­nik im­mer noch nicht.
Die der Ellbogen.
Was soll die­ses Bauchgrummeln?
Trotz des Cha­os in mir spa­ziert die Lie­be ganz ge­rührt mit­ten durch den Ma­gen und macht sich in mir breit. Bringt mein Blut zum Bro­deln und ver­dreht mir den Kopf. Mei­ne Knie wer­den but­ter­weich, und es zieht mir den Bo­den un­ter den kal­ten Füs­sen weg. Der schwe­re Stein fällt vom er­frisch­ten Her­zen, ver­wan­delt sich im Fal­len in tau­send­schö­ne Schmet­ter­lin­ge und lässt mich fliegen.
Auf und da­von zu mir. ♦


Barbara Lehner - Lesung in Wien - Glarean Magazin
 

Bar­ba­ra A. Lehner

Geb. 1962, Stu­di­um an der So­zi­al­aka­de­mie Wien, Preis­trä­ge­rin ver­schie­de­ner Li­te­ra­tur-Wett­be­wer­be,  lebt als Sach­wal­te­rin psy­chisch kran­ker und geis­tig be­hin­der­ter Men­schen in Niederösterreich

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch den Kurz­pro­sa-Text von Ste­pha­nie Bart: Seemannsgarn
… so­wie die Me­di­zin-Sa­ti­re vonPe­ter Biro: Die Lie­be zu den drei Organen

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