Anekdoten aus der Welt der Literatur (1)

Im Notfall Schlaftabletten

Ein bunter Strauss von Literatur-Anekdoten

von Walter Eigenmann

Mark Twain

Mark Twain nimmt Theater-Huldigungen entgegen
Mark Twa­in nimmt Thea­ter-Hul­di­gun­gen entgegen

Mark Twa­in war auf Eu­ro­pa-Rei­se und be­trat in Deutsch­land ein Ho­tel. Wäh­rend er die Fe­der er­griff, um sich ins Frem­den­buch ein­zu­tra­gen, las er an letz­ter Stel­le: „Graf von Ho­hen­lo­he mit Kammerdiener.“
Twa­in schrieb dar­un­ter: „Mark Twa­in mit Schweinslederkoffer.“

Erich Mühsam

Erich Müh­sam war in der Schu­le kei­nes­wegs fleis­sig. Ei­nes Ta­ges hat­te der Leh­rer ei­nen Preis aus­ge­setzt für den bes­ten Klas­sen­auf­satz über das The­ma: „Was ist Faulheit?“
Müh­sam lie­fer­te stolz den längs­ten Auf­satz ab: drei Seiten!
Auf der ers­ten Sei­te stand „Das“.
Auf der zwei­ten Sei­te stand „ist“.
Auf der drit­ten Sei­te stand „Faul­heit.“

Alphons Allais

Der fran­zö­si­sche Hu­mo­rist Al­phon­se Al­lais war auch pri­vat ein Kauz. Ei­nes Mor­gens kam er aufs Post­amt und sag­te: „Ich möch­te Mar­ken zu fünf­zig Centimes.“
Der Be­am­te hol­te den Bo­gen mit den Mar­ken her­vor und frag­te: „Wie­viel?“
Al­lais zeig­te auf ein­zel­ne Stü­cke: „Ge­ben Sie mir die … und die … und die … und die … und die da …“

Peter Hille

Pe­ter Hil­le er­schien im „Café des Wes­tens“, dem als „Café Grös­sen­wahn“ be­kann­ten Treff­punkt der Ber­li­ner Bo­hè­me, und er­zähl­te, dass an sei­nem Ge­burts­tag in Neu­kölln ein Schild an­ge­bracht wor­den sei. Er­staunt und nei­disch frag­te Otto E. Hart­le­ben: „So? Was steht denn drauf?“
„Vor­sicht Bau­ar­bei­ten!“ sag­te Pe­ter Hil­le schlicht.

Oscar Wilde

Englands einstiger Chef-Dandy: Oscar Wilde
Eng­lands eins­ti­ger Chef-Dan­dy: Os­car Wilde

Als Os­car Wil­de (Karikatur:M.Beerbohm) ein­mal durch eine öde Ge­gend fuhr, kam er mit ei­nem Mit­rei­sen­den ins Ge­spräch. Es war ein herr­li­cher Frühling­tag. Der Mit­rei­sen­de sag­te: „Was für eine öde Landschaft.“
„Ja“, pflich­te­te Os­car Wil­de bei, „scha­de um das schö­ne Wetter.“

Nach dem Be­such ei­ner Wag­ner-Oper zeig­te sich Wil­de äus­serst un­zu­frie­den und schwor, nie wie­der eine zu be­su­chen. „Wag­ners Mu­sik ist un­er­träg­lich“, sag­te er. „Sie ist so laut, dass man die gan­ze Zeit re­den kann, ohne dass die an­de­ren hö­ren, was man sagt.“

Hugo Ball

Der Da­da­ist Hugo Ball be­trat ein Post­amt, ver­lang­te ein Te­le­gramm­for­mu­lar und füll­te es aus: „BUMBALOBUMBALOBUMBALOBUMBALOBUMBALOBUMBALOBUMBALOBUMBALOBUMBALO
Der Be­am­te las es und sag­te: „Sie ha­ben das Recht, noch drei Wör­ter zum glei­chen Preis zu schrei­ben. Soll ich noch drei­mal BUMBALO hinzufügen?“
„Un­sinn!“ rief Hugo Ball. „Da gibt es nichts hinzuzufügen!“

Fjodor Dostojewski

Dos­to­jew­ski war oft geis­tes­ab­we­send. Er be­merk­te dann nicht, wenn je­mand mit ihm sprach, und ant­wor­te­te ganz me­cha­nisch. Ei­nes Ta­ges sprach ihn auf der Stras­se eine Bett­le­rin an und er­zähl­te von ih­rem kran­ken Mann und ih­ren zwei Kin­dern zu Hau­se. Ge­dan­ken­los gab Dos­to­jew­ski ihr dreis­sig Ko­pe­ken. Da schimpf­te die Bett­le­rin los: „Schämst du dich nicht, mich so in al­ler Öf­fent­lich­keit zu bla­mie­ren?!“ Es war des Dich­ters ei­ge­ne Frau, die ih­ren Mann ein­mal nas­füh­ren wollte.

Ernest Hemingway

Whiskey-Kenner Ernest Hemingway
Whis­key-Ken­ner Er­nest Hemingway

He­ming­way rühm­te sich, min­des­tens zehn Whis­kys am Tag zu trin­ken. Als ein Arzt Was­ser in sei­nen Bei­nen fest­stell­te, soll er ge­sagt ha­ben, das läge an „den ver­damm­ten Eis­stü­cken im Whisky“.

Peter Bichsel

Bich­sel war drei­zehn Jah­re lang Leh­rer in ei­nem Schwei­zer Dorf. Ein­mal woll­te er Sprich­wör­ter er­klä­ren, zum Bei­spiel: Man soll den Teu­fel nicht an die Wand ma­len. Er zeich­ne­te ei­nen gros­sen Teu­fel an die Ta­fel und frag­te: „Nun, wel­ches Sprich­wort ist mit die­ser Zeich­nung gemeint?“
Be­geis­tert rief ein Kind: „Nar­ren­hän­de be­schmie­ren Tisch und Wände!“

Joachim Ringelnatz

Rin­gel­natz be­trat ein ele­gan­tes Wein­lo­kal. Als er Platz neh­men woll­te, be­merk­te der Ober her­ab­las­send: „Die­ser Tisch ist re­ser­viert, mein Herr.“
Rin­gel­natz sah her­ab­las­send zu­rück und sag­te: „Gut, stel­len Sie ihn weg und brin­gen Sie ei­nen anderen.“

Rin­gel­natz (ali­as Hans Böt­ti­cher) ar­bei­te­te ein­mal als Buch­hal­ter. Ei­nes Ta­ges kam der Chef ins Kon­tor und sah, wie Rin­gel­natz‘ Kol­le­ge sanft und fest schlief. „Ich wer­de den Mann wohl ent­las­sen müs­sen“, sag­te der Prin­zi­pal: „Herr Böt­ti­cher, glau­ben Sie, dass Sie sei­ne Tä­tig­keit mit­über­neh­men können?“
„Aber si­cher, Herr Di­rek­tor“, er­wi­der­te Rin­gel­natz tro­cken. „Im Not­fall könn­te ich Schlaf­ta­blet­ten nehmen.“

Anton Kuh

An­ton Kuh sass als ein­zi­ger Gast mor­gens im Café „Her­ren­hof“, als ein be­kann­ter Ge­ne­ral des ös­ter­rei­chi­schen Hee­res her­ein­kam. Kuh sah kurz auf, er­hob sich und …
„Dan­ke, dan­ke“, sag­te der an Eh­ren­be­zeu­gun­gen Ge­wöhn­te leut­se­lig. „Be­hal­ten Sie Platz!“
Er­staunt sah ihn An­ton Kuh an: „Bit­te, ich wer­de mir doch die Zei­tung ho­len dürfen?“

Georg B. Shaw

Scharfzüngiger Satiriker: Georg Bernard Shaw
Scharf­zün­gi­ger Sa­ti­ri­ker: Ge­org Ber­nard Shaw

Der Di­ri­gent ei­nes ziem­lich mit­tel­mäs­si­gen Or­ches­ters, das in ei­nem Lon­do­ner Re­stau­rant auf­spiel­te, er­kann­te Shaw, der da­mals auch als Mu­sik­kri­ti­ker ar­bei­te­te, und sand­te ein Bil­let an sei­nen Tisch mit der Fra­ge, was er als nächs­tes spie­len las­sen sol­le. „Do­mi­no“, ant­wor­te­te Shaw.

Gottfried Benn

Man frag­te Gott­fried Benn, war­um er aus­ge­rech­net Haut­arzt ge­wor­den sei. „Das hat drei Grün­de“, ant­wor­te­te Benn: „Die Pa­ti­en­ten ru­fen mich nicht in der Nacht, sie ster­ben nicht, und sie wer­den auch nicht gesund.“

Wilhelm Raabe

Ein Stutt­gar­ter Ver­le­ger lud Raa­be zur Mit­ar­beit an sei­ner Zeit­schrift ein. Um die An­sprü­che des Dich­ters ge­ring zu hal­ten, schloss er sei­nen Brief mit ei­nem Wort­spiel: „Zah­le Ho­no­rar rar.“
Raa­be ant­wor­te­te um­ge­hend: „Lie­fe­re Bei­trä­ge träge!“

Edgar Wallace

Eine freund­li­che alte Dame, die bei ei­nem Din­ner ne­ben P.G. Wo­de­hau­se sass, schwärm­te ihm von sei­nen Wer­ken vor. Ihre Söh­ne, sag­te sie, hät­ten alle sei­ne Bü­cher und wür­den nicht ver­säu­men, je­des neue Buch von ihm zu kau­fen. „Und wenn ich de­nen jetzt er­zäh­le“, fuhr sie fort, „dass ich tat­säch­lich ne­ben Ed­gar Wal­lace ge­ses­sen habe, plat­zen sie vor Neid!“

Günter Grass

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Grass ging durch den Spei­se­wa­gen. Da hör­te er, wie eine Dame ih­rem Mann zu­flüs­ter­te: „Hast du den ge­se­hen? Sieht er nicht Gün­ter Grass frap­pant ähn­lich?“ Grass dreh­te sich um und lä­chel­te. Da mein­te die Dame: „Er hat sich sicht­lich ge­schmei­chelt gefühlt.“

Moritz Saphir

Der jü­di­sche Sa­ti­ri­ker Sa­phir wur­de auf der Stras­se an­ge­pö­belt. Er re­de­te den Fle­gel freund­lich an:
„Ent­schul­di­gen Sie, sind Sie nicht der Sohn mei­nes Freun­des Rott?“
„Nein.“
„Aber das ist ja er­staun­lich! Die­se Ähn­lich­keit! Ganz Rotts Stirn, ganz Rotts Au­gen, ganz Rotts Nase!“

Ezra Pound

Ezra Pound und Wil­liam C. Wil­liams gin­gen spa­zie­ren, und Pound tat wie üb­lich sehr ein­ge­bil­det. Wil­liams ver­such­te, ihn ab­zu­len­ken: „Schau, Ez, der Win­ter­wei­zen steht schon vier Zoll hoch und kommt her­vor, dich zu begrüssen!“
„Das ist der ers­te in­tel­li­gen­te Wei­zen, den ich je ge­se­hen habe“, ant­wor­te­te Pound.

Frank Wedekind

Musizierender Dramatiker Frank Wedekind
Mu­si­zie­ren­der Dra­ma­ti­ker Frank Wedekind

Ur­auf­füh­rung ei­nes Dra­mas von Max Hal­be. Frank We­de­kind (Ka­ri­ka­tur: Th.Heine) flüs­ter­te dem Au­tor zu: „Sieh mal, der Herr in der zwei­ten Rei­he da vorn ist be­reits eingeschlafen.“
Zwei Tage spä­ter stand ein Stück von We­de­kind auf dem Spiel­plan. Hal­be war über­glück­lich, nun sei­ner­seits We­de­kind auf ei­nen Schlä­fer auf­merk­sam ma­chen zu können.
„Tat­säch­lich“, sag­te We­de­kind, „er ist noch im­mer nicht aufgewacht.“

Heinrich Heine

Der Spöt­ter Hei­ne war bei vie­len ver­hasst. „Da­bei habe ich selbst die fried­lichs­te Ge­sin­nung“, schrieb er. „Mei­ne Wün­sche sind die al­ler­be­schei­dens­ten: Eine Hüt­te, Stroh­dach, aber gu­tes Bett, vor dem Fens­ter Blu­men, vor der Tür ei­ni­ge schö­ne Bäu­me, und wenn der lie­be Gott mich ganz glück­lich ma­chen will, lässt er mich die Freu­de er­le­ben, dass an die­sen Bäu­men sechs oder sie­ben mei­ner Fein­de auf­ge­hängt werden.“

Egon Friedell

Walter Eigenmann - In medias res - 222 Aphorismen - Buch-Cover 2015
An­zei­ge

Nur we­ni­ge von Frie­dells Freun­den ver­moch­ten die Be­deu­tung sei­ner „Kul­tur­ge­schich­te der Neu­zeit“ rich­tig ein­zu­schät­zen, und die we­nigs­ten wa­ren be­reit, sie zu le­sen. „Dar­in steht doch bloss al­les, was mich nicht in­ter­es­siert“, maul­te ei­ner. Dar­auf Frie­dell: „So dick ist das Buch nun auch wie­der nicht.“

Martin Walser

Je­mand frag­te Mar­tin Wal­ser, der eben den Ro­man „Tod ei­nes Kri­ti­kers“ ver­öf­fent­licht hat­te, ob er Mar­cel Reich-Ra­ni­cki über­haupt ken­ne. „Ob ich ihn ken­ne?“ frag­te Wal­ser zu­rück. „Ich ken­ne ihn so gut, dass ich mit ihm seit dreis­sig Jah­ren kein Wort ge­wech­selt habe.“

Johann W. v. Goethe

Wenn Goe­the mit sei­nem Freund, dem Schwei­zer Ma­ler und Kunst­his­to­ri­ker Jo­hann H. Mey­er, spa­zie­ren­fuhr, soll sich ihr Ge­dan­ken­aus­tausch fol­gen­der­mas­sen ab­ge­spielt ha­ben: Goe­the sag­te von Zeit zu Zeit: „Hm, hm.“ Wor­auf Mey­er er­wi­der­te: „So ischt’s!“ ♦

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch die An­ek­do­ten aus der Welt der Li­te­ra­tur (2)
… so­wie die An­ek­do­ten- und Zi­ta­ten-Samm­lung Dich­ter be­schimp­fen Dichter

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