Joschi Anzinger: Die Königin von Zasta (Satire)

Die Königin von Zasta

Eine Elegie

Joschi Anzinger

Es ist in die­ser Ge­schich­te von ei­nem wun­der­schö­nen Land na­mens Au­tri­s­chia die Rede, wel­ches, am Ran­de des gros­sen Sump­fes Kon­kur­si­en ge­le­gen, vom all­mäch­ti­gen Geld­fluss Eu­ro­i­n­o­co durch­flos­sen wird. Die­ser Fluss ent­zieht dem Kon­ti­nent Teu­ro­pa vie­le vie­le klei­ne Geld­quel­len und fliesst schliess­lich nach wu­chern­den Zin­sen­kraft­wer­ken und Bör­sen­strom­schnel­len zu den An­le­ger­klip­pen. Zu­letzt mün­det der Eu­ri­no­co hin­ter den Ak­ti­en­ber­gen und den Ab­kesch­tei­chen in den Ka­pi­ta­lis­ti­schen Ozean.
In Au­tri­s­chia le­ben vie­le fleis­si­ge Bür­ger und Hand­wer­ker, Bau­ern und Ge­schäfts­leu­te, und alle kom­men sie mit­ein­an­der ganz gut zu­recht. Nun trug es sich zu, dass durch ge­schick­te Täu­schung der Ein­woh­ner über Nacht das Land jäh von der hart­her­zi­gen Kö­ni­gin von Zas­ta ein­ge­nom­men wur­de. Sie ist gna­den­los be­rech­nend in ih­rem Han­deln, sie ist äus­serst kor­rupt, käuf­lich und be­stech­lich, und es eilt ihr der Ruf vor­aus, über­all wo sie herr­sche, rol­le der Jubel.
Sie kam in ih­rem gol­de­nen Schiff über den Eu­ri­no­co nach Au­tri­s­chia, um bis in die ent­le­gens­ten Win­kel des Lan­des zu wal­ten. Kein Ge­schäft flo­riert nun mehr ohne ihr, kein Mensch tut ei­nen Hand­griff ohne Aus­sicht auf ihre Gunst, und je­der Mensch, der ein­mal ihre Nähe ge­spürt hat, will nicht nur für im­mer in ih­rer Um­ge­bung blei­ben, son­dern er möch­te im­mer mehr von ih­rer Zu­nei­gung haben.
Die Kö­ni­gin von Zas­ta be­feh­ligt aber nicht al­lei­ne, son­dern ih­rem Tross fol­gen jede Men­ge Rit­ter­fräu­leins im Na­del­streif, und ein gan­zes Heer von Spe­sen­rit­tern rei­ten auf ih­ren Amtschim­meln ein­her, und un­zäh­li­ge Gauk­ler, Quack­sal­ber und Zau­be­rer, wel­che alle von Ih­rer Ma­jes­tät ver­sorgt sein woll­ten, bil­den ihr Ge­fol­ge. Ge­züch­tet wer­den die Amts­schim­mel im Flip­pi­za­ner­ge­stüt Schön­trum, wo sie auch zu Amts­schim­meln zu­ge­rit­ten und aus­ge­bil­det werden.
Je­der Bür­ger be­gehrt die Kö­ni­gin von Zas­ta und wünscht sich, auf Ge­deih und Ver­der­ben, sie zur Gän­ze für sich zu be­an­spru­chen. Be­son­ders er­ge­ben sind ihr die Zau­be­rin Krampf­adria und die hart­her­zi­ge Prin­zes­sin Ham­ma­ned. Eine Ge­treue ist auch Lady Von Nut­ting­ham, die Gauk­le­rin Pro­mil­la und die manch­mal et­was in­dis­po­nier­te Frau von Hu­scher. Schier Tag und Nacht ge­prie­sen wird die un­wi­der­steh­li­che Kö­ni­gin von Zas­ta von der Spe­sen­rit­te­rin Fräu­lein Po-Vor und der nach aus­sen ehr­wür­di­gen, aber zu den Un­ter­ta­nen gei­zi­gen Ba­ro­nin von Trug und Lug.
Ei­nes Ta­ges be­fiehlt die Kö­ni­gin von Zas­ta ih­rem Ge­fol­ge, die zwei gros­sen Spei­cher­seen Schil­lings­wei­her und Gro­schen­lo­ra an­zu­zap­fen und aus­zu­pum­pen, um da­mit den Geld­fluss Eu­ri­no­co zu spei­sen, da­mit der Kon­ti­nent Teu­ro­pa nicht austrockne.
Und sie­he da, die Be­woh­ner von Au­tri­s­chia ta­ten was ih­nen be­foh­len, da sie be­fürch­te­ten, die Kö­ni­gin von Zas­ta könn­te es sich wie­der an­ders über­le­gen und ihre un­er­schöpf­li­chen Quel­len er­neut ver­sie­gen las­sen. Sie schenk­ten ihre Spei­cher­seen Schil­lings­wei­her und Gro­schen­lo­ra der Kö­ni­gin von Zas­ta und be­ka­men ihr Was­ser fort­an aus dem Geld­fluss Eurinoco.
Doch sein Was­ser schmeck­te vie­len Men­schen nicht wirk­lich und sie fan­den plötz­lich mit der ih­nen zu­ge­wie­se­nen Ra­ti­on nicht mehr das Aus­lan­gen. Da­für si­cher­ten sich die zahl­rei­chen Spe­sen­rit­ter die schöns­ten Ufer­zo­nen des Eu­ri­no­co und ver­bau­ten die­se mit ih­ren mons­trö­sen Mi­nis­te­ri­en­bur­gen. Da sind al­len vor­an Spe­sen­rit­ter Von der Ädsch Bädsch mit sei­nem mäch­ti­gen Fir­le­fanz­mi­nis­te­ri­um, nebst Spe­sen­rit­ter Von Klamm und Heim­lich in sei­ner Burg, dem Ver­äus­se­rungs­mi­nis­te­ri­um. Bei die­sen bei­den Spe­sen­rit­tern lau­fen alle Fä­den zu­sam­men, und sie sind der Kö­ni­gin von Zas­ta in Treue er­ge­ben. Un­weit da­von be­fin­det sich die Burg Flau­sen­stein des Spe­sen­rit­ters Van den An­dern, zu­stän­dig für kul­tu­rel­le Be­lan­ge. Das Spe­sen­rit­ter­fräu­lein Van Soll und Ha­ben re­giert von der Fla­xen­burg aus das Un­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um, und die Spe­sen­rit­te­rin Van Pa­la­wa di­ri­giert das Ein­bil­dungs­mi­nis­te­ri­um. Die Spe­sen­rit­te­rin Van der Bausch und Bo­gen herrscht in der Burg Jus­ti­ze­witz über al­les was Recht ist, und in der Ve­te­ra­nen­burg, von schwar­zen Krä­hen be­schützt und ver­tei­digt, strei­chelt Spe­sen­rit­ter Van der Vorn und Hin­ten, Tag und Nacht sei­nen Zapfen.
Alle Be­woh­ner sind von der Schön­heit und Gra­zie der Kö­ni­gin von Zas­ta an­ge­tan, und es gilt als Zei­chen von Macht, Stär­ke und In­tel­li­genz, zu ih­ren Aus­er­wähl­ten zu ge­hö­ren. Aber be­son­ders dreist trei­ben es ihre Spe­sen­rit­ter. Wö­chent­lich tref­fen sie sich in der Burg Wahn­sie­del im Pe­ne­drant zu ih­ren thea­tra­li­schen Sit­zun­gen und Zu­sam­men­künf­ten, um ne­ben­bei ihre Ta­schen im bur­gei­ge­nen Selbst­be­die­nungs­la­den nach Her­zens­lust zu füllen.
In der Burg Wahn­sie­del ist das Wort Spa­ren im Pe­ne­drant ver­pönt, und die Spe­sen­rit­ter re­den mit ge­spal­te­ner Zun­ge und schu­fen sich eine Eu­ro­kra­tie, in der es für Pri­vi­le­gier­te eine Schan­de ist, mit den vor­han­de­nen Re­ser­ven des Eu­ri­no­co sorg­sam um­zu­ge­hen. Je­der Spe­sen­rit­ter lebt auf gros­sem Fuss und Spa­ren wird nur von den min­der pri­vi­le­gier­ten Un­ter­ta­nen gefordert.
Vie­le Pri­vi­le­gier­te, An­ge­hö­ri­ge des so ge­nann­ten Geld­adels, wur­den auf Grund ih­rer Ab­stam­mung in den Dunst­kreis der Kö­ni­gin von Zas­ta hin­ein­ge­bo­ren. Für sie ist es nicht wei­ter schwie­rig, an den Rock­saum Ih­rer Ma­jes­tät, an das Gol­de­ne Kesch, her­an zu kom­men, wel­cher ewi­ge Ju­gend, Klug­heit und Schön­heit ver­leiht, denn es hat sich über die Jahr­hun­der­te der un­sin­ni­ge Aber­glau­be zum My­thos ge­fes­tigt, dass Kesch zu­gleich fesch macht. Aber die meis­ten Un­ter­ta­nen müs­sen ohne üp­pi­ge Gön­ner­schaft Ih­rer Ma­jes­tät ihr Le­ben meis­tern. Ih­nen bleibt nur das Wis­sen, dass es die Kö­ni­gin von Zas­ta ir­gend­wo gibt und dass sie zwar wun­der­schön sei, und je­dem dem sie ihr Wohl­wol­len schenkt, ist er auch noch so ein­fäl­tig und häss­lich, Macht und Gel­tung, An­se­hen und Ehre verleiht.
Doch sie ist auch ge­fähr­lich und be­rech­nend, denn sie macht das Herz der Men­schen stein­hart, und wer mit ihr ein­mal ins Bett durf­te, der ist zu je­der Tat be­reit, selbst wenn es gilt, für Ihre Ma­jes­tät über Lei­chen zu ge­hen. Sie ist mäch­tig und be­gehrt, weil sie Tü­ren öff­net, die sonst nie­mand zu öff­nen ver­mag, und sie macht aus Bett­lern Re­gen­ten, wel­che in ih­rem Na­men herrschen.
Die Kö­ni­gin von Zas­ta macht aus Nar­ren Füh­rer und aus Herr­schern Nar­ren. Sie macht aus Da­men Hu­ren und sie macht aus Vä­tern Mör­der, sie macht aus Men­schen Tie­re und aus Se­hen­den Blin­de. Sie macht die Rei­chen im Grun­de arm und sie macht die Gu­ten schlecht, sie macht die Häss­li­chen schön und sie lässt die Un­wis­sen­den klug er­schei­nen. Sie macht die Ehr­li­chen falsch, die Auf­rech­ten beugt sie, die Schwa­chen kauft sie und die Hab­gie­ri­gen ver­hun­gern ne­ben ih­rer ge­füll­ten Schüssel.
Lang ist ihr Re­gis­ter und un­ge­bro­chen ist ihre Macht. Die Kö­ni­gin von Zas­ta be­herrscht un­se­re Welt bis ans Ende al­ler Zeit. ♦


Joschi Anzinger - Österreichischer Schriftsteller und Satiriker - Glarean MagazinJoschi Anz­in­ger

Geb. 1958 in Altlichtenberg/A, zahl­rei­che Pu­bli­ka­tio­nen von Dia­lekt-Ly­rik und Kurz­pro­sa in An­tho­lo­gien, ver­schie­de­ne Bei­trä­ge in Rund­funk und Fern­se­hen, Mit­glied der Gra­zer Au­torIn­nen Ver­samm­lung und der Ös­ter­rei­chi­schen Dia­lekt-Au­torIn­nen, lebt in Linz/A

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch die Sa­ti­re von Ernst-Ed­mund Keil: Milch und Blut
… und von An­dre­as Hutt die Kurz­pro­sa: Schwar­ze kom­men nicht
aus­ser­dem zum The­ma Sa­ti­re und Ro­man-Li­te­ra­tur über Hen­ning Boë­ti­us: Der weis­se Ab­grund (Hein­rich-Hei­ne-Ro­man)

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