KARL Nr. 2/2007: Die ganze Kultur der 64 Schachfelder

Die Schachzeitschrift  KARL

von Wal­ter Eigenmann

Nein, ir­gend­wie ist KARL (ali­as „Das kul­tu­rel­le Schach­ma­ga­zin“) nicht wie die an­dern. Wo letz­te­re sei­ten­wei­se im un­durch­dring­li­chen Va­ri­an­ten-Ge­strüpp der mega-su­per-ober-neu­es­ten Er­öff­nungs­theo­rie rum­stol­pern, geht KARL zum Bei­spiel der Fra­ge nach, war­um Frau­en im Schach-Sport hoff­nungs­los in der Min­der­heit sind. Wenn an­de­re Schach-Ga­zet­ten bis hin­ters Kom­ma den ak­tu­ells­ten Elo-Push von Anand vor­rech­nen, liest man im KARL sol­che schrä­gen Schwer­punkt-Ti­tel wie „Schach und Po­li­tik“, „Wun­der­kin­der“, „Schön­heit“, „Blind­schach“. Und wenn die an­de­ren sich halb­sei­tig fett über den neu­es­ten Rück­zug von Spon­sor X vom GM-Tur­nier Y aus­tau­schen, rückt KARL das Gross-Schach-Pro­jekt ei­nes Bild­hau­ers na­mens Al­brecht (für die nächst­jäh­ri­ge Schach­olym­pia­de in Dres­den) ins Blick­feld – oder dann zum Bei­spiel ei­nen Schach-Gen­tle­man, wie Deutsch­land ei­nen zwei­ten wohl nicht so schnell wie­der kriegt: Wolf­gang Un­zi­cker.

Jahrzehntelanger deutscher Vorkämpfer: Wolfgang Unzicker

Karl - Das kulturelle Schachmagazin - Nummer 2-2007Just die­sem jahr­zehn­te­lan­gen Vor­kämp­fer des bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Spit­zen­schachs, wel­cher vor rund ei­nem Jahr im spa­ni­schen Alb­ufei­ra im Al­ter von 80 Jah­ren ei­nem Herz­ver­sa­gen er­lag, ist die neu­es­te KARL-Aus­ga­be ge­wid­met. Da­bei spü­ren Her­aus­ge­ber Har­ry Scha­ak und sei­ne Kor­re­spon­den­ten ei­nem der wirk­lich ganz Gros­sen der jün­ge­ren Schach-Ge­schich­te nach – ei­ner je­ner sel­te­nen Per­sön­lich­kei­ten, über wel­che das ein­hel­li­ge Ur­teil des Um­felds aus­schliess­lich po­si­tiv aus­fällt und im­mer aus­fiel. Das be­weist ge­ra­de auch die­se ak­tu­el­le KARL-Num­mer. Sie wid­met sich Un­zi­cker als ei­nem „Wand­ler zwi­schen den Wel­ten“, der als voll­amt­li­cher Ju­rist im­mer nur Ama­teur-Sta­tus hat­te und doch manch­mal welt­meis­ter­lich spiel­te, und der im Be­rufs- oder Tur­nier-All­tag stets der höchst kor­rek­te, sitt­sa­me Herr Rich­ter war, aber zu spä­ter oder freund­schaft­li­cher Stun­de ein gan­zes Au­di­to­ri­um mit sei­nem rie­si­gen Wit­ze-Fun­dus er­hei­tern konnte.

Vielfältige Themen-Palette

KARL um-schreibt auf sei­nen do­ku­men­ta­risch reich be­bil­der­ten 33 Un­zi­cker-Sei­ten ei­nen fa­cet­ten­rei­chen Schach­spie­ler: Un­zi­cker als Rich­ter, Un­zi­cker als Fa­mi­li­en­va­ter, Un­zi­cker als Schach-Schrift­stel­ler, Un­zi­cker als Olym­pia-Spie­ler – und auch Un­zi­cker als (po­li­ti­scher) An­ti­po­de des an­de­ren be­deu­ten­den deut­schen Schach-Wolf­gang, näm­lich Uh­l­manns. Die­ser kommt im KARL zu Wor­te mit ei­ner klei­nen Un­zi­cker-Hom­mage, die be­rich­tet, wie es da­mals „wirk­lich“ war zu den al­ten DDR-Zei­ten des staat­lich ge­för­der­ten Schach-Pro­fi­tums. „Wenn die Ge­schich­te an­ders ge­lau­fen wäre und ich ge­mein­sam mit Un­zi­cker in ei­nem Land auf­ge­wach­sen wäre, dann hät­ten wir uns viel­leicht ge­gen­sei­tig sti­mu­lie­ren kön­nen.“ (Uh­l­mann)
Na­tür­lich be­inhal­tet der neue KARL ne­ben sei­nem Schwer­punkt noch eine Men­ge wei­te­res Schach: Par­tien, Ko­lum­nen, Re­zen­sio­nen, News, Events, u.a. Be­son­ders her­vor­zu­he­ben das höchst ver­gnüg­lich-geist­rei­che (Selbst-)Portrait des um­trie­bi­gen Schach-Schrift­stel­lers Lo­thar Nikolaiczuk.

Wolf­gang Un­zi­cker – Mi­cha­el Bot­vin­nik Eu­ro­pa­meis­ter­schaft 1961: 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.a3 Lxc3+ 6.bxc3 Dc7 7.Sf3 Se7 8.Ld3 Ld7 9.a4 Sbc6 10.Dd2 h6 11.0-0 c4 12.Le2 a5 13.La3 Sa7 14.g3 Sac8 15.Sh4 Dd8 16.f4 Sf5 17.Sxf5 exf5 18.Lf3 Le6 19.Tfb1 b6 20.Dg2 Ta7 21.Tb5 Td7 22.g4 Se7 23.Lxe7 Kxe7 24.Kh1 g6 25.Tab1 Kf8 26.gxf5 Lxf5 27.Lxd5 Dh4 28.Le4 Dxf4 29.Lxf5 gxf5 30.Txb6 Ke7 31.e6 1-0 (we/07) . ♦

KARL, Das kul­tu­rel­le Schach­ma­ga­zin Nr.2/07, Karl Ver­lag Frank­furt, 68 Sei­ten, ISSN 1438-9673, 5,50 EUR

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