Das neue „Dissonanz“-Heft Nummer 98-2007

Musikphilosophische Kernfragen

von Walter Eigenmann

Wenn ein Mu­sik-Pe­ri­odi­kum aus der Schweiz Fra­gen stellt wie: „Kann es eine Äs­the­tik der In­ten­si­tät und der Klang­far­be ge­ben?“; „Wozu eine On­to­lo­gie der Mu­sik?“; „Pra­xis­ori­en­tier­te Mu­sik-Wis­sen­schaft: Ein Wi­der­spruch“? oder „Peut-on dire la mu­si­que?“, dann kann es sich nur um ex­akt eine Zeit­schrift han­deln: „Dis­so­nanz-Dis­so­nan­ce„.

Dissonanz Dissonance Musikzeitschrift Nummer 98 - Cover Glarean MagazinDie ak­tu­el­le Num­mer 98/Juni07 der vier Mal jähr­lich vom Schwei­ze­ri­schen Ton­künst­ler­ver­ein her­aus­ge­ge­be­nen (und wie im­mer zwei­spra­chi­gen) „Dis­so­nanz“ spannt den theo­re­ti­schen Bo­gen er­neut weit. Wäh­rend bei­spiels­wei­se Tho­mas Mey­er die „For­schung an den Mu­sik­hoch­schu­len“ rechi­ert und u.a. nach der (auch in­ter­dis­zi­pli­nä­ren) mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen Zu­sam­men­ar­beit auf dem Hoch­schul­platz Schweiz ei­ner­seits und an­der­seits nach über­haupt den me­dia­len We­gen der Ver­mitt­lung von For­schungs­er­geb­nis­sen fragt, theo­re­ti­siert Ro­ger Poui­vet um­fang­reich über Aa­ron Rid­leys „The Phi­lo­so­phy of Mu­sic“ und des­sen ra­di­ka­le Kri­tik an ei­ner On­to­lo­gie des Kunst­wer­kes (Rid­ley: „Wann ha­ben Sie sich nach dem An­hö­ren ei­nes Mu­sik­stücks, sei es nun im Kon­zert oder auf­ge­zeich­net, zum letz­ten Mal ernst­haft ge­fragt, ob die­se Auf­füh­rung nun eine des Werks selbst ge­we­sen sei“?)

Wittgenstein und das „Reden über Musik“

Mu­sik­phi­lo­so­phie kommt auch in ei­nem drit­ten „Dissonanz“-Schwerpunkt zum Zuge, in dem fran­zö­si­schen Bei­trag „Witt­gen­stein et le sens de la mu­si­que“, wor­in Se­bas­ti­an Aesch­bach das (un­sys­te­ma­ti­sche, meist ver­streu­te) „Re­den über Mu­sik“ des ge­nia­len Spra­che-Den­kers ins Zen­trum rückt und da­bei „Witt­gen­steins Fra­ge­stel­lun­gen eine gros­se Be­deu­tung in der ge­gen­wär­ti­gen mu­sik­äs­the­ti­schen De­bat­te“ beimisst.
Ein be­son­de­rer Ver­dienst von „Dis­so­nanz“ ist im­mer von neu­em, dass der Blick, also das Ohr der Le­ser­schaft kom­pe­tent und do­ku­men­tiert auf sin­gu­lä­re Er­schei­nun­gen des ak­tu­el­len Kom­po­nie­rens ge­lenkt (teils gar ge­zwun­gen) wird. Dies­mal spürt Au­tor Se­bas­ti­an Kie­fer der „In­ten­si­tät“ und der „Klang­far­be“ im Schaf­fen der 1967 in Gross­bri­tan­ni­en ge­bo­re­nen Re­bec­ca Saun­ders nach.
Schlieβ­lich steht im Mit­tel­punkt des Re­flek­tie­rens in „Dis­so­nanz“ spo­ra­disch, aber re­gel­mäβig auch das Schaf­fen Mau­ri­zio Ka­gels; die neu vor­ge­leg­te Aus­ga­be (Chef­re­dak­ti­on: Mi­cha­el Kun­kel) wirft die Fra­ge (von Da­ni­el weiss­berg) auf, „in­wie­weit der Fo­kus auf ex­pe­ri­men­tel­le Klang­er­zeu­ger bei Ka­gel des­sen Schaf­fen er­hel­len kann, und wo die­ser den Blick auf eine kom­po­si­to­ri­sche Hal­tung, die Wer­ken un­ter­schied­li­cher Er­schei­nungs­for­men ge­mein­sam ist, ver­stellt“.

Dissonanz/Dissonance, Schwei­zer Zeit­schrift für ak­tu­el­le Mu­sik, Nr. 98/Juni07, Schwei­ze­ri­scher Ton­künst­ler­ver­ein, 64 Sei­ten, ISSN 1660-7244

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma „Neue Mu­sik“ auch das „Zi­tat der Wo­che“ von Ur­su­la Pe­trik: Von den Kon­takt­schwie­rig­kei­ten der Neu­en Musik

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