Robert Zimmer: Arthur Schopenhauer (Biographie)

Ein durchweg zweideutiges Leben

Zum 150. Todesjahr von Arthur Schopenhauer

von Günter Nawe

Recht­zei­tig zum 150. To­des­jahr des gros­sen deut­schen Phi­lo­so­phen Ar­thur Scho­pen­hau­er hat Ro­bert Zim­mer eine gross­ar­ti­ge Bio­gra­phie vor­ge­legt. Für den pro­mo­vier­ten Phi­lo­so­phen war und ist Ar­thur Scho­pen­hau­er nicht nur ein be­deu­ten­der Phi­lo­soph, er war der wohl ein­zi­ge Phi­lo­soph, der ein um­fas­sen­des Ver­ständ­nis hat­te für Mu­sik und Kunst und Li­te­ra­tur (Shake­speare und Goe­the zum Bei­spiel), und der selbst ein ex­zel­len­ter Schrift­stel­ler war.

Dies al­les be­schreibt Zim­mer im Kon­text zu den Le­bens­da­ten und der Werk- und Wir­kungs­ge­schich­te Scho­pen­hau­ers. Und das in ei­ner Art und Wei­se, die auch dem nicht phi­lo­so­phisch ge­schul­ten Le­ser Ge­winn ver­spricht und Freu­de ma­chen wird, und ohne ins po­pu­lär­wis­sen­schaft­li­che Gen­re abzugleiten.

Robert Zimmer: Arthur Schopenhauer - Ein philosophischer Weltbürger - BiographieDenn es war für ei­nen Den­ker und Ge­lehr­ten schon ein auf­re­gen­des Le­ben, das die­ser 1788 in Dan­zig ge­bo­re­ne Scho­pen­hau­er ge­führt hat. Eine Rei­he von Le­bens­sta­tio­nen gab es: Ham­burg (hier er­lern­te er den Kauf­mann-Be­ruf), Go­tha und Wei­mar, Göt­tin­gen und Ber­lin, Ru­dol­stadt und Dres­den, und schliess­lich Frankfurt/Main. Dazu vie­le Rei­sen, schon als Kind mit Auf­ent­hal­ten in Hol­land, Eng­land, Frank­reich und der Schweiz. Spä­ter zwei Ita­li­en­rei­sen. In Ru­dol­stadt schrieb er sei­ne Dis­ser­ta­ti­on „Über die vier­fa­che Wur­zel des Sat­zes vom zu­rei­chen­den Grun­de“, Grund­la­ge für sein spä­te­res Haupt­werk „Die Welt als Wil­le und Vor­stel­lung“ (1818). In Wei­mar gab es dann die Aus­ein­an­der­set­zung mit Mut­ter Jo­han­na und Schwes­ter Ade­le, die mit ei­nem un­kitt­ba­ren Zer­würf­nis en­de­te. Mit Goe­the, den er ver­ehr­te, hat­te er Kon­takt über die „Far­ben­leh­re“, der Scho­pen­hau­er al­ler­dings selbst­be­wusst und über­heb­lich eine ei­ge­ne Schrift „Über das Sehn und die Far­ben“ (1816) ent­ge­gen­stell­te. Ein „durch­weg zwei­deu­ti­ges Le­ben“ also. Am 21. Sep­tem­ber 1860 ist der Phi­lo­soph Ar­thur Scho­pen­hau­er in Frankfurt/Main gestorben.

Einzelgänger mit Pudel

Die erste Manuskript-Seite des 2. Bandes von Shopenhauers
Die ers­te Ma­nu­skript-Sei­te des 2. Ban­des von Shop­en­hau­ers „Die Welt als Wil­le und Vorstellung“

Zim­mer ver­steht es, alle die­se Er­eig­nis­se kor­re­spon­die­ren zu las­sen mit den An­schau­un­gen die­ses gern als pes­si­mis­tisch, mis­an­thro­pisch und frau­en­feind­lich apo­stro­phier­ten Ein­zel­gän­gers mit dem Pu­del, der al­ler­dings auch Lie­bes­be­zie­hun­gen, un­ter an­de­rem mit ei­ner Cho­ris­tin der Ber­li­ner Oper, und un­ehe­li­che Kin­der hat­te. Statt­des­sen war – nach Zim­mer – der Phi­lo­soph ein kos­mo­po­li­ti­scher Den­ker (mit gu­tem Grund trägt die­se Bio­gra­phie den Un­ter­ti­tel „Ein phi­lo­so­phi­scher Welt­bür­ger“), der es ver­stan­den hat, abend­län­di­sches Den­ken mit fern­öst­li­chen Weis­hei­ten in Ver­bin­dung zu bringen.

Dies und sein Ei­gen­wil­le brach­te ihn zwangs­läu­fig in Kon­flikt mir der bis­he­ri­gen Phi­lo­so­phie und ih­ren Ver­tre­tern, die er ne­ben sich nicht gel­ten liess – aus­ser Kant, den die aka­de­mi­sche Phi­lo­so­phie miss­ver­stan­den habe, und mit dem ein­zig er – Scho­pen­hau­er – auf Au­gen­hö­he den­ken könn­te. So ist be­son­ders die Aus­ein­der­set­zung mit sei­nen „Erz­fein­den“  He­gel, Fich­te und Schel­ling und mit der ge­sam­ten aka­de­mi­schen Phi­lo­so­phie be­mer­kens­wert. Den Vor­wurf: „Die Phi­lo­so­phie-Pro­fes­so­ren ha­ben red­lich das Ih­ri­ge gethan, um dem Pu­bli­ko die Be­kannt­schaft mit mei­nen Schrif­ten wo mög­lich auf im­mer vor zu ent­hal­ten. Bei­na­he 40 Jah­re hin­durch bin ich ihr Cas­par Hau­ser ge­we­sen.“ wird er bis in sei­ne letz­ten Jah­re auf­recht er­hal­ten.. Er rächt sich, in­dem er vom „ekel­haf­ten He­gel­jar­gon“ spricht, von der „He­ge­lei“ und von „He­ge­lia­ni­schen Flau­sen“, und auch an al­len an­de­ren kein gu­tes Haar lässt.

Umfassende und verständliche Lebenserzählung

Auch am Le­ser üb­ri­gens nicht. „Mei­ne letz­te Zu­flucht ist jetzt, ihn (den Le­ser) zu er­in­nern, dass er ein Buch, auch ohne es ge­ra­de zu le­sen, doch auf man­cher­lei Art zu be­nut­zen weiss. Es kann, so gut wie viel an­de­re, eine Lü­cke sei­ner Bi­blio­thek aus­fül­len, wo es sich, sau­ber ge­bun­den, ge­wiss gut aus­neh­men wird. Oder auch er kann es sei­ner ge­lehr­ten Freun­din auf die Toi­let­te, oder den The­e­tisch le­gen. Oder end­lich er kann ja, was ge­wiss das Bes­te von Al­lem ist und ich be­son­ders ra­the, es re­cen­si­ren.“ Auch wenn Scho­pen­hau­er ge­dich­tet hat: „Dass von al­lem, was man liest, / Man neun Zehn­tel bald ver­gisst, / Ist ein Ding, das mich verdriesst./ Wer’s doch All aus­wen­dig wüsst’!“

Robert Zimmer erzählt in
Ro­bert Zim­mer er­zählt in „Ein phi­los­phi­scher Welt­bür­ger“ um­fas­send von Le­ben und Werk des Den­kers Ar­thur Scho­pen­hau­er, der die deut­sche Phi­lo­so­phie aus dem aka­de­mi­schen El­fen­bein­turm be­freit hat.

So war er, die­ser Ar­thur Scho­pen­hau­er, der ein­mal von sich sag­te: „Das Le­ben ist eine miss­li­che Sa­che: ich habe mir vor­ge­setzt, es da­mit hin­zu­brin­gen, über das­sel­be nach­zu­den­ken.“  Und das tat er gründ­lich und pro­non­ciert, so­dass sein Werk, vor al­lem die „Pa­rer­ga und Pa­ra­li­po­me­na“ (1851) mit den „Apho­ris­men zur Le­bens­weis­heit“, eine Art „Stein­bruch“ sind, aus dem sich je­der, was im­mer er will her­aus­schla­gen kann. Zum Bei­spiel Sprach­pu­ris­ten, die gern sein Dik­tum ge­gen die „Sprach­ver­hun­zung“ zi­tie­ren: „Em­pö­rend ist es, die deut­sche Spra­che zer­fetzt, zer­zaust und zer­fleichst zu se­hen, und oben drauf den tri­um­phi­ren­den Un­ver­stand, der selbst­ge­fäl­lig sein Werk belächelt.“

Ro­bert Zim­mer er­zählt um­fas­send und ver­ständ­lich, so­dass der Le­ser ein sehr kom­ple­xes Bild von die­sem kos­mo­po­li­ti­schen Den­ker und Schrift­stel­ler, auch vom Men­schen Scho­pen­hau­er und vom Phi­lo­so­phen er­hält, der die deut­sche Phi­lo­so­phie des 19. Jahr­hun­derts mass­geb­lich er­wei­tert hat. Vor al­lem hat er sie dank sei­ner ver­ständ­li­chen Spra­che aus dem aka­de­mi­schen El­fen­bein­turm befreit. ♦

Ro­bert Zim­mer: Ar­thur Scho­pen­hau­er – Ein phi­lo­so­phi­scher Welt­bür­ger, Bio­gra­phie, 316 Sei­ten, Deut­scher Ta­schen­buch Ver­lag, ISBN 978-3-423-24800-6

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Bio­gra­phien auch über Pe­ter Gül­ke: Ro­bert Schumann

und von Gün­ter Nawe: Zum 150. To­des­jahr von Adal­bert Stifter

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)